Viel Rum, wenig Ehre
Wie hängt Flensburg mit der Karibik zusammen? In der Stadt an der Förde wurde der Zucker aus der dänischen Kolonie, den heutigen Jungferninseln, zu Rum verarbeitet - das hat die Hafenstadt reich gemacht. Nun will Flensburg ihre koloniale Vergangenheit aufarbeiten.
Die "Große Straße" ist belebt an diesem Nachmittag. Das Sommerwetter lockt Touristen wie Anwohner in die Fußgängerzone in der Flensburger Innenstadt.
Doch bei Nachfragen zur Kolonialzeit der Stadt wird es schnell düster. Was das Wissen angeht…
Mann: "Rum und Zucker, ja… Aber sonst…?"
Mann: "Ich bin eigentlich gebürtiger Flensburger. Aber hab mich nie so wirklich damit beschäftigt, jetzt mit dem Rum zum Beispiel."
"Rumstadt" ist der Beiname, den die Stadt an der Flensburger Förde trägt. Er geht zurück auf die Blütezeit Flensburgs im 18. Und 19. Jahrhundert. Damals machten Rohstoffe aus der Karibik Flensburg reich – allen voran der Zucker, der hier zu Rum weiter verarbeitet wurde. Diese Erzählung dominiere bis heute, sagt Thomas Overdick.
"Also, es ist insgesamt sehr, sehr positiv besetzt, was man auch an einer Veranstaltung sieht wie der 'Rumregatta' - ein Treffen historischer Segelschiffe, das einmal im Jahr am Himmelfahrtswochenende stattfindet – und eben auch dieses koloniale Produkts des Rums im Namen führt und auf eine sehr, sehr leichte, humorvolle Art einen sehr bestimmtes Image der Stadt mitprägt."
Overdick leitet das Flensburger Schifffahrtsmuseum. Das Haus zeichnet schon heute die Entstehung des Rumgeschäfts nach. Doch richtig aufgearbeitet haben weder wir, noch Schleswig-Holstein diese Zeit, meint Overdick. Das soll sich nun ändern.
Denn 2017 jährt sich zum 100. Mal der Verkauf der heutigen Jungferninseln von Dänemark an die USA. Bis 1917 war die Inselgruppe am östlichen Karibikrand dänische Kolonie. Damals trug sie noch den Namen "Dänisch-Westindien". Es waren Produkte wie Tabak aber vor allem Zucker, die Händlern im dänischen Königreich damals viel Wohlstand brachten. Und zu diesem zählte bis 1864 auch Flensburg, das besonders vom dänisch-westindischen Zucker profitierte.
Ein von der Kulturstiftung des Bundes gefördertes Projekt soll nun genauer aufklären, welchem Preis Flensburg seinen Wohlstand verdankt.
Overdick: "Also, dass wir hier im Grunde über ein System von Zwangsarbeit reden, von dem Phänomen des transatlantischen Dreieckshandels, der einfach auf dem System der Sklaverei, auf der Verschleppung von Menschen aus Afrika in die Karibik oder auch die verschiedenen Amerikas basierte Prozess der Enthumanisierung von Menschen, Entwurzelung von Menschen, im Grunde etwas, was wir heute ohne Probleme als Menschenrechtsverletzung bezeichnen würden."
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 100.000 Afrikaner versklavt und auf den dänischen Plantagen eingesetzt wurden. Dort herrschten drakonische Bestrafungen wie Amputationen, Folter oder die Todesstrafe.
All dies soll in einer Wanderausstellung beleuchtet werden, die möglichst auch auf den heutigen Jungferninseln und in Ghana gezeigt werden soll, von wo die meisten Sklaven stammten.
Wissen über Kolonialzeit ist begrenzt
Einen besonderen Einblick – nämlich einen nicht nur europäischen – erhofft sich das Flensburger Schifffahrtsmuseum von der Jamaikanerin Imani Tafari-Ama. Die Kulturwissenschaftlerin arbeitet für 1,5 Jahre als Kuratorin an dem Projekt mit. Ihr Eindruck ist: In Dänemark und Deutschland ist das Wissen über diese Zeit begrenzt.
Tafari-Ama: "Es gibt auch einen gewissen Widerstand dagegen, die Dinge beim Namen zu nennen. Als ob dieses Geheimnis die Wahrnehmung der Europäer und vor allem der Deutschen und Dänen ändern wurde. Denn sie haben sich große Mühe gegeben, dieses Familiengeheimnis so lange zu hüten. Und diese Psychologie finde ich sehr außergewöhnlich: Wenn man nicht merkt, dass man keine Kleider am Leibe trägt und alle um einen herum sagen, du bist nackt, dann ist es doch schon etwas besonderes sich hinzustellen und zu sagen: Also, ich bin ziemlich gut gekleidet!"
All dies gehe in die richtige Richtung, sagt Martin Krieger, Professor für nordeuropäische Geschichte an der Uni Kiel. Wenn nun in Dänemark aber auch in Flensburg im kommenden Jahr an den Verkauf der heutigen Jungferninseln erinnert werde zeige das doch…
Martin Krieger: "Dass Schleswig-Holstein schon vor Jahrhunderten Teil eines globalen Kolonialgeschäfts war und gerade über den Sklavenhandel auch mächtig Verantwortung aufgeladen hat. Und darüber muss man diskutieren. Also, wie stellen wir uns denn diesem Thema heute, welche Fragen richten wir an das Thema und wie stellen wir uns auch gegenüber den Gesellschaften in Afrika, auf deren Kosten Flensburg seinerzeit reich geworden ist."