Luftfahrt

Wie sich Kolonialgeschichte in den Himmel schreibt

09:39 Minuten
Zwei Flugzeuge kreuzen ihre Routen am Himmel.
Flugzeuge sind weitaus mehr als nur Verkehrsmittel. Für Sinthujan Varatharajah spiegeln sie auch globale Politik und Geschichte wider. © picture alliance / dpa / PA Lewis Whyld
Sinthujan Varatharajah im Gespräch mit Ramona Westhof |
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Wer sich Flugpläne und Flugverbindungen ansieht, kann darin auch heute noch ein Stück Kolonialgeschichte erkennen, sagt der*die Geograf*in Sinthujan Varatharajah. Auch globale wirtschaftliche und politische Entwicklungen lassen sich daran ablesen.
Sinthujan Varatharajah sammelt nicht nur Flugzeugmodelle und postet viel zum Thema Fliegen, Varatharajah liebt vor allem die Anzeigetafel an Flughäfen. Worauf andere nur einen flüchtigen Blick werfen, studiert der*die Geograf*in ganz genau – und entdeckt in Abflugzeiten, Zielflughäfen und Fluglinien Muster, die etwas über historische, politische und wirtschaftliche Verhältnisse verraten.
Schaue man sich an, von welchen europäischen Flughäfen welche Verbindungen auf andere Kontinente angeboten werden, ließen sich beispielsweise noch immer die kolonialen Strukturen erkenne, so Varatharajah.

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„Wenn wir heute zum Beispiel ins sogenannte Südamerika fliegen wollen, dann gibt es viel eher und viel mehr und auch viel günstigere Verbindungen von den sogenannten Kolonialmetropolen, ob jetzt Portugal oder Spanien.“ Lufthansa fliege dagegen noch immer sehr häufig nach Namibia. „Das sind natürlich alles koloniale Historien, die immer noch die Gegenwart prägen.“

Fluglinien als Sinnbild der Nationalstaaten

Auch habe die Luftfahrt in der Vergangenheit dazu beigetragen, die Kartografierung und Kolonialisierung voranzutreiben, und bis heute sei die Luftfahrtindustrie für die Länder von strategischer Bedeutung. Schließlich seien „die meisten Luftfahrtproduzent*innen heute auch Waffenproduzent*innen“, betont Varatharajah. „Weshalb ich immer wieder auch darauf zurückkommen möchte, dass auch die Luftfahrt selbst immer wieder in ihren politischen, aber auch militärischen Verhältnissen verstanden werden muss.“
Die nationalen Fluggesellschaften sind damit auch immer Sinnbilder für die jeweiligen Nationalstaaten. „Das sind fliegende Botschaften, die oftmals verwendet werden, um zum einen das Land selbst zu propagieren, aber eben auch Ideen des Nationalstaates zu verwirklichen.“

Neue Prestigeflughäfen jenseits von Europa

Auch anhand von Flughäfen lassen sich globale wirtschaftliche und politische Entwicklungen ablesen, betont Varatharajah. Schließlich würden sie für die jeweiligen Regionen und Länder eine wichtige ökonomische Rolle spiele. So werde zum Beispiel in Hessen 15 Prozent des Wirtschaftseinkommens durch den Frankfurter Flughafen generiert. „Der Frankfurter Flughafen ist einer der größten Arbeitgeber*innen in Deutschland.“
Für jede Region sei ein Flughafen daher etwas Attraktives. „Städte und Länder haben ein Interesse daran, Vorzeigeflughäfen aufzubauen und ein gewisses Prestige, aber auch ökonomischen Vorteil daraus zu ziehen.“
Seit den letzten 20, 30 Jahren entstehen neue Flughäfen vermehr jenseits von Europa – in Beijing, Abu Dhabi, Dubai oder Singapur. „Orten, die mittlerweile eben auch so ein bisschen das westliche Monopol infrage stellen“, sagt Varatharajah.

Fliegen als Notwendigkeit

Bei all der kritischen Betrachtung, könnte man meinen, Varatharajah stehe dem Fliegen äußerst skeptisch gegenüber. Aber das Gegenteil ist der Fall. „Ich interessiere mich für Flugzeuge schon seit meinem sechsten Lebensjahr.“ Das habe auch viel mit seiner*ihrer Familienbiografie und der damit verbundenen Fluchtgeschichte zu tun.
„Heutzutage lebt meine Familie in mehreren Ländern, auf mehreren Kontinenten verstreut, und dementsprechend sind Flughäfen und Flugzeuge selbst eine Notwendigkeit, die uns erlaubt, als Familie zu existieren.“
(lkn)
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