Komponistin Florence Price

Schwarze Pionierin im Konzerthaus

06:21 Minuten
 Ein historishes sepiafarbiges Portraitfoto von Florence Price.
"Ich habe zwei Handicaps, mein Geschlecht und meine Rasse", schrieb die Komponistin Florence Price. © G. Nelidoff / University of Arkansas
Von Goetz Steeger |
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Ihre 1. Symphonie war das erste Werk einer Afroamerikanerin, das je in einem Konzerthaus aufgeführt wurde: Florence Price schrieb berauschende Musik, und geriet doch nach 1940 in Vergessenheit. Stardirigent Yannick Nézet-Seguin will das ändern.
Ein bluesig-pentatonisches Thema, verhalten, fast schüchtern, sentimental ausharmonisiert, gerät wenig später in einen hochromantischen Orchesterstrudel – und kehrt als erhabene, stolze Hauptfigur zurück. So beginnt die 1. Symphonie von Florence Price.
Man kann diese und viele andere Sequenzen ihrer mitreißenden Musik als Befreiung hören. Befreiung wovon? Die Antwort gibt Price in einem Brief, den sie 1933 an den Dirigenten des Bostoner Symphonie Orchesters schrieb:

Mein lieber Dr. Kussewizki, gleich vorweg: Ich habe zwei Handicaps, mein Geschlecht und meine Rasse.

Sergei Kussewizki hat nie darauf reagiert, dabei war es aus Prices Sicht ausgesprochen plausibel, ihn anzuschreiben. Denn er war der bekannte Mentor des Komponisten Aaron Copeland, der musikalisch in ähnlichen Gefilden unterwegs war – sinfonisch mit neo-amerikanischem Duktus inklusive Folk und Jazz-Einflüssen.
Aber Copeland war weiß und männlich.

Uraufführung auf der Weltausstellung

Geboren als Florence Smith 1887 in Arkansas im Süden der USA, war sie so etwas wie ein Wunderkind, das unter der musikalischen Obhut der Mutter schon mit vier Jahren als Pianistin auftrat. Der Vater war Zahnarzt – die meisten Patienten besuchten ihn allerdings heimlich, weil er schwarz war. Aber durch seinen vergleichsweise privilegierten Status stand Florence die Tür zu einem Musikstudium offen, Hauptfächer Komposition und Orgel.
Als der Rassismus im Süden zunahm, zog Price mit ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Thomas Price, nach Chicago. Nach ehelichen Gewalterfahrungen ließ sie sich wieder scheiden, lebte von Klavierunterricht und Aufträgen für Easy-Listening-Songs, veröffentlicht unter ihrem Pseudonym Vee Jay. Von ihren eigentlichen Kompositionen ließ sich kein Leben bestreiten trotz der Anerkennung, die sie mittlerweile erfuhr: Ihre 1. Symphonie wurde preisgekrönt auf der Weltausstellung 1933 in Chicago aufgeführt.
Damit war ihre 1. Symphonie das erste musikalische Werk einer Afroamerikanerin, das je in einem Konzerthaus aufgeführt wurde. In der US-amerikanischen Hochkultur war man damals verblüfft über den Reichtum ihrer kunstvoll und mitreißend arrangierten Musik, die sich stilistisch zwischen Klassik und Romantik bewegt, aber auch Elemente von Folk, Jazz und Gospel enthält.

Juba Dances statt Scherzos

Prices 3. Symphonie ist ähnlich aufgebaut wie die 1.: traditionell, vier Sätze, der zweite jeweils langsam und besonders melodiös. Die gekonnt gesetzten Klangnuancen von Blech, Holz und Streichern bringen Yannick Nézet-Seguin und das Philadelphia Orchester gerade bei den leisen Passagen zum Funkeln.
An Stelle des seit der Wiener Klassik üblichen Menuetts beziehungsweise Scherzos im 3. Satz stehen bei beiden Symphonien Juba Dances, ein von versklavten Westafrikanern geprägter Begriff: Man benutzte den eigenen Körper als Rhythmusinstrument, denn Trommeln waren strengstens verboten. Hier ist bei Florence Price Raum für jazzige und swingende Grooves, Bluesharmonien und viel Percussion, vom weißen Publikum oft als wunderbar exotisch goutiert.

Zwei Symphonien auf CD

Die 3. Symphonie, eine Auftragsarbeit für das Federal Music Project, komponierte Florence Price während der Blütezeit der Chicagoer Renaissance mit selbstbewussten schwarzen Poetinnen und Schriftstellern wie Langston Hughes und Margaret Bonds. Gleichzeitig waren die USA auf dem Höhepunkt der großen Depression.
Seitdem geriet das Werk von Florence Price in Vergessenheit. Obwohl ihr Output immens war – weit über hundert Klavier-, Orgel-, Chor- und Orchesterwerke – wurden viele bislang kaum oder gar nicht aufgeführt.
Doch Stardirigent Yannick Nézet-Seguin will das ändern: Mit dem Philadelphia Orchestra hat er im vergangenen Jahr die Symphonien 1 und 3 von Florence Price aufgenommen. Vergangene Woche erschienen die Aufnahmen als CD bei der Deutschen Grammophon.
(Bearbeitung: abr)

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