Florian Schwinn: "Rettet den Boden! Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen"
Westend Verlag, Frankfurt/Main 2019
240 Seiten, 24 Euro
Der Kampf um den kostbaren Humus
06:21 Minuten
Florian Schwinn warnt in seinem Buch "Rettet den Boden!" vor den Folgen der industriellen Landwirtschaft. Die mache systematisch unsere Böden kaputt - immer größere Maschinen pressten das Leben aus dem Humus und ließen ihn schutzlos gegen Erosion zurück.
Jahrtausende lang bedeutete Landwirtschaft, die natürliche Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten – auch wenn Menschen früher nichts wussten von der atemberaubenden Welt der Kleinstlebewesen, die Florian Schwinn in seinem neuen Buch "Rettet den Boden!" beschreibt.
Fruchtbare Erde beruht auf zahllosen Hundertfüßern, Asseln, Spinnen, Schnecken, Larven, Regenwürmern, Springschwänzen, Rädertierchen, Fadenwürmern, Wimperntierchen, Wurzelfüßern, Geißeltierchen, Algen, Pilzen und Bakterien.
Böden sind wie große Organismen zu behandeln – sie brauchen lange Fruchtfolgen und tief wurzelnde Zwischenfrüchte, Mistkompost und Gründüngungen für die Regenwürmer, eine Pflanzendecke, die den Humus auch im Winter vor Erosion schützt, und regelmäßige Ruhezeiten, um sich vor den mechanischen Eingriffen bäuerlicher Geräte zu erholen.
Betonieren, asphaltieren, baggern, planieren, versiegeln
Und heute? "Unser Umgang mit dem fruchtbaren Boden", schreibt der Autor, "ist ein Vernichtungsfeldzug. Wir betonieren, asphaltieren ihn zu, baggern ihn weg, planieren und versiegeln." Sechzig Hektar Land gehen in Deutschland täglich verloren – 150 Fußballfelder.
Nach einem kurzen Einstieg in Aufbau, Struktur, Chemie und Lebensgeflecht des Bodens fächert Florian Schwinn auf, was die industrielle Landwirtschaft anrichtet: Immer gigantischere Maschinen pressen Leben und Lebensräume im Boden gnadenlos zusammen.
Kahle Winteräcker geben kostbaren und in Jahrtausenden nicht rückholbaren Humus der Erosion schutzlos preis – und das, obgleich Humus große Mengen an klimagiftigem CO2 binden kann.
Chemiecocktails holen aus den Feldern heraus, was noch herauszuholen ist – Hauptsache es dient den kurzfristigen Gewinninteressen der Agrofirma.
Meisterhaft verwandelt Florian Schwinn sein abstraktes ökologisches Thema in eine vielseitige Lektüre, die noch den kompliziertesten Zusammenhängen eine leicht lesbare, persönliche Note verleiht. Immer wenn die Studien- und Faktenlagen allzu deprimierend werden könnte, weiß der Autor mögliche Alternativen oder zieht hinaus in die Welt, um Land- und Viehwirte zu besuchen, mit Behördenvertretern zu sprechen und eigene Beobachtungen anzustellen.
Großtrecker pressen gigantische Furchen in den Boden
So kehrt er mehrere Jahre immer wieder zurück zu einem konventionell bewirtschafteten Zuckerrübenfeld im Osten Deutschlands. Hautnah sind wir dabei, wenn moderne Großtrecker mit ihren Rädern gigantische Furchen in den Boden pressen, in Hanglage fahrend statt wie früher quer dazu, damit die Geräte mit ihrem Riesengewicht nicht umkippen.
In der Folge – und weil bei der Zusammenlegung kleinerer Anbauflächen zu Riesenfeldern die alten Entwässerungsgräben unter der Erde verschwanden, wo sie nur halb so gute Dienste leisten – schwemmt jeder Regen kostbaren Humus auf Nimmerwiedersehen davon.
Wenn dann im Frühling Giftspritzen das erste zarte Grün in ein totes Grau verwandeln und selbst die erwünschten Zuckerrüben nur noch mit Mühe ans Licht gelangen, hat uns Florian Schwinn in seinem hervorragenden Buch erfolgreich demonstriert: Die Preisgabe fruchtbarer Böden steht anderen Umweltproblemen in Ausmaß und Gefährlichkeit in nichts nach.