Florian Werner: Die Raststätte. Eine Liebeserklärung
Hanser Berlin, 2021
192 Seiten, 22 Euro
"Ein Ort hinreißender Durchschnittlichkeit"
12:36 Minuten
Schnitzel mit Pommes oder einfach nur Kaffee - und weg. Das dürften viele Menschen heutzutage mit Autobahnraststätten in Verbindung bringen. Dabei bieten diese so viel mehr, wie der Autor Florian Werner herausgefunden hat.
Als Autor liebt Florian Werner das scheinbar Unscheinbare. Er hat Bücher über die Kuh und über Schnecken geschrieben, ist den Weg des geringsten Widerstands gewandert.
Für sein neues Buch hat sich Florian Werner an einen Ort begeben, an dem heutzutage kaum jemand länger verweilt. Dafür sind sie auch gar nicht gedacht, die rund 450 Autobahnraststätten, die es hierzulande gibt.
Der Autolose auf der Raststätte
Die Faszination für Raststätten erstand bei Werner im Kindesalter, vermutet er: "Meine Eltern sind als sparsame Protestanten nie an die Raststätte gefahren, sondern wir haben natürlich immer Butterbrote dabeigehabt, die wir irgendwo ausgewickelt haben." Auch heute besitzt der Autor kein Auto – vermutlich habe ihn genau diese Halbdistanz so gereizt.
Um seine Neugier zu stillen, hat Werner sich dann im Motel der "automobilen Mitte" Deutschlands, der Raststätte Garbsen Nord einquartiert.
Dort habe er dann verschiedene Personen getroffen. Von Marc Münnich, der schon in dritter Generation Raststättenbetreiber ist, bis zu einem 80-jährigen Flaschensammler, der seit 20 Jahren jeden Tag über Schleichwege an die Autobahn radelt.
Extrembotanik zwischen LKW und Benzin
Im Gedächtnis blieb aber auch Jürgen Feder, der sich selber als Extrembotaniker bezeichnet.
"Mit dem habe ich dann eine vier- oder fünfstündige Exkursion gemacht, wo wir wirklich die gesamte Raststätte abmarschiert sind und jedes einzelne wild wachsende Pflänzchen notiert haben", beschreibt Werner das Treffen. "Was wir gefunden haben, waren insgesamt sage und schreibe 260 Stück. Und davon konnte man immerhin so 50 auch essen."
Florian Werner hat sich aber auch mit der Geschichte der deutschen Raststätten beschäftigt, die sich über die letzten Jahrzehnte sehr verändert haben.
So habe er mit einer Frau gesprochen, die zu DDR-Zeiten im Rasthof Börde bei Magdeburg gearbeitet habe – ein Job, der dank Westmark-Trinkgeld und gutem Gehalt einem Lottogewinn gleichgekommen sei. Außerdem sei man zu dieser Zeit noch am Tisch bewirtet worden, inklusive Flambierung und Fischfiletierung vor dem Gast.
Geschichtsträchtige Orte
Auch architektonisch habe es mit der Zeit einen Wandel gegeben: "Der NS-Generalinspekteur für das Bauwesen, Fritz Todt hieß der, war der erste große deutsche Autobahnbauer. Der sprach davon, das müssten Werke der Kultur sein, die Autobahnraststätten. Und die sollten auch mal so dem Charakter der jeweiligen Landschaft angepasst sein."
Das Rasthaus am Chiemsee – eines der ersten in Deutschland – habe darum ausgesehen wie ein Chiemgauer Bauernhof. Doch mit dem rasanten Wachstum nach dem Krieg sei die Architektur hintangestellt worden. Von den 400 bis 500 Raststätten in der Republik seien dann auch viele im Plattenbaustil errichtet worden.
Trotzdem sei in diesen Raststätten viel Geschichte zu finden. Zum Beispiel das Gästebuch in Garbsen Nord: "Da hat sich wirklich alles, was in der BRD Rang und Namen hatte in den 70er, 80er und 90er-Jahren, verewigt. Von Herbert Wehner über Alfred Biolek bis zu Udo Jürgens und Klaus Lage. Die waren natürlich alle öfters dort, weil sie eben ‚on the road‘ waren mit ihrer Band oder in politischen Geschäften."
Die Zeit in Garbsen Nord habe auch nach der Fertigstellung des Buches einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Auch heute fahre er noch manchmal zur AVUS-Raststätte in Berlin – weil die gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei, erklärt Florian Werner. Er hat ja kein Auto.
(hte)