Rumänien bereitet sich auf Flüchtlinge vor
Auch in Rumänien bereiten sich die Behörden auf die Durchreise von Flüchtlingen vor. Wie ist die Stimmung in dem Land, das einerseits als EU-Land helfen muss, andererseits selbst Flüchtlinge produziert? Thomas Wagner war an der rumänisch-serbischen Grenze.
Siegfried Thiel nutzt die Gunst der Stunde: Immer wieder drückt der rumäniendeutsche Zeitungsjournalist auf den Auslöser seiner Kamera. Wenn Thiel nach vorne blickt, sieht er in das Gesicht eines grimmig dreinschauenden Uniformierten. Der sitzt in einem blauen Kleinbus mit der Aufschrift "Jandamerie".
"Dahinter beginnt eine Reihe von Zelten. Davor ist ein Zaun notdürftig zusammengebastelt. Der schirmt eigentlich das Areal ab. Man hat uns gesagt: Bis an den Zaun darf man. Weiter hinten, wo das Zeltlager aufgestellt ist, da darf man nicht hin."
Journalisten wie Thiel werden am Rande des kleinen rumänischen Dorfes Lunga, nur einen Steinwurf von der Grenze zu Serbien entfernt, nicht gern gesehen. Hier hat die rumänische Regierung eines von zwei Zeltlagern für die Aufnahme von Flüchtlingen errichtet. Falls andere Balkanländer ihre Grenzen dicht machen, so wie Ungarn, könnte Rumänien plötzlich zum Transitland werden. Momentan allerdings ist die Zeltstadt eine Geisterstadt: Außer ein paar Uniformierten kein Flüchtling weit und breit.
"Ja, in Deutschland kommen ganz viele. Deutschland hat Geld. Und diese Leute kommen nicht nach Rumänien."
Das glaubt ein junger Anhalter am Straßenrand. In der Dorfkneipe von Lunga, nur ein paar Meter weiter, haben es sich ein halbes Dutzend Männer bequem gemacht. "Lass mich in Ruhe mit diesem Flüchtlingsthema" - ein Mann im blauen Arbeitsanzug will ungestört sein Feierabendbier trinken. Anders ein Rentner im dickem Pullover am Tisch nebenan: Viorel Curt ist neugierig und sogar schon hin spaziert zu den Flüchtlingszelten.
"Die Zelte sind für 700 gemacht. Und sie haben gesagt: Sie machen noch für weitere 550, da oben auf dem Sportplatz."
Allerdings: 700 Flüchtlinge aus fernen Ländern, möglicherweise sogar noch mehr, am Rande des Dorfes Lunga, in dem selbst nur ein paar hundert Einwohner leben - das bereitet Viorel Curta Unbehagen.
"Und es sind Leute, die nicht Angst haben. Wir haben doch hier auch keinen Arbeitsplatz. Und das Leben ist doch schwer jetzt. Und jeder sagt: Ich muss meiner Familie alles geben, dass man gut leben kann, aber nicht anderen."
Politiker tun sich schwer mit Flüchtlingen
"Also, Kollege Thiel - wie war die Reise an die Grenze?"
"Es war ein mühsames Unterfangen, weil die Behörden sich sehr bedeckt halten..."
Reporter Siegfried Thiel ist inzwischen in die Redaktion der deutschsprachigen Banater Zeitung zurückgekehrt. Für Redaktionschef Werner Kremm passt der Bericht des Kollegen ins Bild: Rumänien tut sich schwer mit Flüchtlingen. Nicht nur, dass das Land jüngst auf der europäischen Innenministerkonferenz in Brüssel gegen eine Aufteilung der Flüchtlinge nach Quoten gestimmt hat - Kremm hat ganz generell eine ablehnende Stimmung zur Flüchtlingsaufnahme unter den Politikern seines Landes ausgemacht:
"Vor der Öffentlichkeit sagen sie: Rumänien hätte nicht mehr Aufnahmekapazität. Man bedauert die Leute, aber man ist nichts bedingungslos bereit, etwas für sie zu tun. Das ist die Grundhaltung, die man so ausmachen kann im Moment."
Dennoch: Es gibt auch das andere Rumänien. 50 Nicht-Regierungs-Organisationen haben einen gemeinsamen Appell an die rumänische Regierung veröffentlicht. Inhalt: Auch Rumänien müsse sich den Flüchtlingen öffnen. Und tatsächlich: Es gibt auch Institutionen, die an so etwas wie einer "Willkommenskultur" arbeiten.
Professor Marilen Gabriel Pirtea ist Rektor der angesehenen West-Universität Timisoara. Dort ist er gerade dabei, Integrations- und Sprachkurse für Asylsuchende zu konzipieren. Denn nach der EU-Quotenregelung muss auch Rumänien demnächst Syrer aufnehmen. Im Gegensatz zu vielen Landsleuten glaubt Pirtea, dass Flüchtlinge auch eine Chance für Rumänien bedeuten könnten:
"Als Mitglied der Europäischen Union hat Rumänien gezeigt, dass auch wir uns auf ein sehr gutes Niveau zubewegen."
Auch die "Banater Zeitung" hat über das Angebot von Integrationskursen an der West-Universität berichtet. Redaktionschef Werner Kremm glaubt allerdings, dass selbst die Quotenflüchtlinge nur bleiben, wenn ihnen nichts anderes übrig bleibt.
"Anscheinend hat Rumänien im Nahen Osten den selben Ruf wie im Goldenen Westen: Dass es kein Land ist, wo man zu leben wünscht, sondern eher ein Land, aus dem man weggeht."