Im Lager Friedland entsteht ein Museum über Flüchtlinge
Der niedersächsische Ort Friedland ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte ein Begriff: Hier entstand 1945 auf Betreiben der britischen Besatzer ein Grenzdurchgangslager für Flüchtlinge, das noch heute in Betrieb ist. Im kommenden Jahr bekommt die Anlage ein eigenes historisches Museum.
Eigentlich ist Friedland eine niedersächsische Gemeinde, ehemals Zonenrandgebiet, der Name aber steht für: Grenzdurchgangslager. Vier Millionen Menschen – Flüchtlinge, Aussiedler, Kriegsgefangene – wurden hier empfangen, registriert, weitergeschickt. 2006 beschloss der niedersächsische Landtag, hier ein Museum zum Thema "Flucht, Vertreibung, Migration und Integration" einzurichten. Aber das Lager ist noch in Betrieb, etwa für Asylsuchende und Migranten aus Syrien oder dem Irak.
Joachim Baur:"Viele haben gesagt, da wird ein Zoo-Effekt eintreten, wo man – nachdem man sich die historischen Migranten im Museum angeschaut hat – jetzt die echten Flüchtlinge vor Ort anschauen kann. Gleichwohl sehe ich auch die vielen Chancen. Dass Menschen, die als Flüchtlinge hier sind, ihre Geschichte erzählen können und auch Gehör finden in der bundesdeutschen Gesellschaft."
Kurator Joachim Baur weiß sehr genau, welche Herausforderungen ihn und sein Team mit der Eröffnung des "Museum Friedland" im März 2016 erwarten. 1945 wurde Friedland wegen des noch funktionierenden Gleisanschlusses und seiner Lage im "Dreiländereck" von britischer, sowjetischer und amerikanischer Besatzungszone zum Durchgangslager erkoren - heute ist es wieder ein Durchgangslager für eine große Anzahl von Flüchtlingen, aber die Themen "Migration und Integration" liegen hier nicht so auf der Straße wie etwa in München oder Berlin:
Joachim Baur:"Friedland ist eine große, bürokratische Maschine, wo viele Menschen aufgenommen werden. Sie sind einfach da. Und an diesem Ort tatsächlich Kontakte mit denen zu schaffen, die sich vielleicht nur für Geschichte interessieren, gar nicht so sehr für die aktuelle Diskussion."
Joachim Baur:"Viele haben gesagt, da wird ein Zoo-Effekt eintreten, wo man – nachdem man sich die historischen Migranten im Museum angeschaut hat – jetzt die echten Flüchtlinge vor Ort anschauen kann. Gleichwohl sehe ich auch die vielen Chancen. Dass Menschen, die als Flüchtlinge hier sind, ihre Geschichte erzählen können und auch Gehör finden in der bundesdeutschen Gesellschaft."
Kurator Joachim Baur weiß sehr genau, welche Herausforderungen ihn und sein Team mit der Eröffnung des "Museum Friedland" im März 2016 erwarten. 1945 wurde Friedland wegen des noch funktionierenden Gleisanschlusses und seiner Lage im "Dreiländereck" von britischer, sowjetischer und amerikanischer Besatzungszone zum Durchgangslager erkoren - heute ist es wieder ein Durchgangslager für eine große Anzahl von Flüchtlingen, aber die Themen "Migration und Integration" liegen hier nicht so auf der Straße wie etwa in München oder Berlin:
Joachim Baur:"Friedland ist eine große, bürokratische Maschine, wo viele Menschen aufgenommen werden. Sie sind einfach da. Und an diesem Ort tatsächlich Kontakte mit denen zu schaffen, die sich vielleicht nur für Geschichte interessieren, gar nicht so sehr für die aktuelle Diskussion."
Einzelschicksale in Wort und Bild
Geschichte und Gegenwart: Unmittelbar neben der Dauerausstellung im historischen Bahnhofsgebäude geht der Flüchtlingsalltag weiter. Da liegt es nahe, statt Schautafeln und Statistiken Einzelschicksale in Wort und Bild zu zeigen. So wie derzeit probehalber in der niedersächsischen Landesvertretung mit Multimedia-Säulen für Zeitzeugen-Interviews, die ganz unterschiedliche Flüchtlingsgruppen repräsentieren. Diese Breite der Friedland-Erfahrungen hatte bislang kaum Platz im kollektiven "Erinnerungsort", der bis heute geprägt ist von Wochenschaubildern des Jahres 1955: die "Rückkehr der Zehntausend", der Empfang der letzten Kriegsgefangenen aus sowjetischen Lagern im deutschen Wirtschaftswunderland:
Joachim Baur:"Es wurde ein Film gedreht: 'Die Glocke von Friedland' wurde tatsächlich zum Symbol, zu einer Metapher für Friedland als "Tor zur Freiheit". Das heißt, jenseits der Geschichte vor Ort hat sich immer auch eine diskursive Schicht der Geschichtspolitik über das Lager Friedland gelegt."
Geschichtspolitik wird oft von oben verordnet, bleibt eindimensional, bringt Klischees mit sich. Die will Joachim Baur aufbrechen mit selbst erzählten Biographien:
Geschichte und Gegenwart: Unmittelbar neben der Dauerausstellung im historischen Bahnhofsgebäude geht der Flüchtlingsalltag weiter. Da liegt es nahe, statt Schautafeln und Statistiken Einzelschicksale in Wort und Bild zu zeigen. So wie derzeit probehalber in der niedersächsischen Landesvertretung mit Multimedia-Säulen für Zeitzeugen-Interviews, die ganz unterschiedliche Flüchtlingsgruppen repräsentieren. Diese Breite der Friedland-Erfahrungen hatte bislang kaum Platz im kollektiven "Erinnerungsort", der bis heute geprägt ist von Wochenschaubildern des Jahres 1955: die "Rückkehr der Zehntausend", der Empfang der letzten Kriegsgefangenen aus sowjetischen Lagern im deutschen Wirtschaftswunderland:
Joachim Baur:"Es wurde ein Film gedreht: 'Die Glocke von Friedland' wurde tatsächlich zum Symbol, zu einer Metapher für Friedland als "Tor zur Freiheit". Das heißt, jenseits der Geschichte vor Ort hat sich immer auch eine diskursive Schicht der Geschichtspolitik über das Lager Friedland gelegt."
Geschichtspolitik wird oft von oben verordnet, bleibt eindimensional, bringt Klischees mit sich. Die will Joachim Baur aufbrechen mit selbst erzählten Biographien:
Joachim Baur:"Es gibt diejenigen, die diesen klassischen, fast schon mythischen Topos auch für sich annehmen können, manche sprechen von Wiedergeburt. Andere sind viel abgeklärter, sagen: es war für mich ein bürokratischer Akt, so, wie man auf das Amt geht und seine Papiere stempeln lässt. Dritte wiederum berichten von durchaus Unerfreulichem: das lange Anstehen, gewisse Formen von Ablehnung, die Unsicherheit, die Angst."
Displaced Persons, Ungarn, Chilenen, "boat people" aus Vietnam
Das korrespondiert mit heutigen Flüchtlings-Erfahrungen. Und deshalb wird das Museum die Geschichte Friedlands mit den derzeit drängenden Problemen verknüpfen, ohne sich von tagespolitischen Vorgaben drängen zu lassen:
Joachim Baur: "Als durchaus politisch bewusste und engagierte Museumsleute nehmen wir den Anspruch selbst wahr oder nehmen uns da auch in die Pflicht, mit dem Museum beizutragen zu einer aktuellen Diskussion. Wir wollen in der ersten Ausstellung schwerpunktmäßig auf den Ort fokussieren und da eben aus dem Ort heraus auch die Diskussionen quer durch die Zeiten führen."
An diesen Ort – in das Lager Friedland – kamen nach deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen, die oft nur für wenige Stunden blieben, 1949 DPs, displaced persons, die hier mehr als ein Jahr lang einquartiert waren. Dann 1956 nach dem Volksaufstand Emigranten aus Ungarn. Anfang 1974 Chilenen, die nach dem Militärputsch geflohen waren, auch "boat people" aus Vietnam. Dazu DDR-Flüchtlinge oder Spätaussiedler aus dem Ostblock. Das sind Reizthemen genug, um die Museumsarbeit als Ausbalancieren von Politik, Erinnerungskultur und Geschichtswissenschaft anzulegen. Friedland soll ein Lernort sein. Ein Forum der lebendigen, womöglich streitbaren, aber unaufgeregten Begegnung zwischen Museumsbesuchern und Migranten:
Joachim Baur: "Wir erleben einen starken Rückenwind für das Projekt. Da haben viele erkannt, dass der Ort Friedland einer dieser Orte sein kann, an denen wir informiert und auf der Grundlage von Geschichte und auf der Grundlage von Forschung, aber auch von Lebenserinnerungen die Diskussion führen können: wie gehen wir als Gesellschaft mit Migration und Flucht eigentlich um?"
Joachim Baur: "Als durchaus politisch bewusste und engagierte Museumsleute nehmen wir den Anspruch selbst wahr oder nehmen uns da auch in die Pflicht, mit dem Museum beizutragen zu einer aktuellen Diskussion. Wir wollen in der ersten Ausstellung schwerpunktmäßig auf den Ort fokussieren und da eben aus dem Ort heraus auch die Diskussionen quer durch die Zeiten führen."
An diesen Ort – in das Lager Friedland – kamen nach deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen, die oft nur für wenige Stunden blieben, 1949 DPs, displaced persons, die hier mehr als ein Jahr lang einquartiert waren. Dann 1956 nach dem Volksaufstand Emigranten aus Ungarn. Anfang 1974 Chilenen, die nach dem Militärputsch geflohen waren, auch "boat people" aus Vietnam. Dazu DDR-Flüchtlinge oder Spätaussiedler aus dem Ostblock. Das sind Reizthemen genug, um die Museumsarbeit als Ausbalancieren von Politik, Erinnerungskultur und Geschichtswissenschaft anzulegen. Friedland soll ein Lernort sein. Ein Forum der lebendigen, womöglich streitbaren, aber unaufgeregten Begegnung zwischen Museumsbesuchern und Migranten:
Joachim Baur: "Wir erleben einen starken Rückenwind für das Projekt. Da haben viele erkannt, dass der Ort Friedland einer dieser Orte sein kann, an denen wir informiert und auf der Grundlage von Geschichte und auf der Grundlage von Forschung, aber auch von Lebenserinnerungen die Diskussion führen können: wie gehen wir als Gesellschaft mit Migration und Flucht eigentlich um?"