Symbol eines Staates, der versagt
Der vorläufige Höhepunkt des Streits um Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg war gestern Abend, als Aktivisten die Bezirksversammlung stürmten. Doch die Linksautonomen sind falsche Freunde: Friedrichshain-Kreuzberg lässt sich vorführen von einer Handvoll selbst ernannter Weltrevolutionäre.
Kreuzberg tickt anders. Schon immer. Hier schlugen die Hausbesetzer in den 80ern ihre Schlachten, hier gewinnt Christian Ströbele regelmäßig das einzige Direktmandat für die Grünen. Bunt und schrill ist Kreuzberg, antikapitalistisch, urban, linksalternativ. Kreuzberg hat ein großes Herz für die Geschundenen dieser Welt, möchte am liebsten den Planeten retten, mindestens aber Bundesregierung spielen. Und hier beginnt das Problem.
Kommt alle zu uns, die ihr geschunden und beladen seid – das sendet der Bezirk aus. Und alle, alle fühlen sich eingeladen. Auch die Drogenhändler und ihre Hintermänner. Sie sorgen dafür, dass Familien mit Kindern den Görlitzer Park nicht mehr betreten, dass die Anwohner nachts einen großen Bogen machen um den Park.
Der Bezirk duldet die Besetzung einer leerstehenden Schule. Hier versammeln sich traumatisierte afrikanische Flüchtlinge, Sinti und Roma, Obdachlose. Kriminelle nutzen den gesetzesfreien Raum. Eine explosive Mischung – die Polizei meldet Messerstechereien, Vergewaltigungen.
Asylbewerber werden zum Spielball
Und da ist der Oranienplatz ‒ er wird immer mehr zum Symbol eines Staates, der versagt. Kaum haben die Flüchtlinge ihre Zelte verlassen und ihr Winterquartier bezogen ‒ dank an die Katholische Kirche ‒ besetzen andere diese Zelte, aufgewiegelt von Linksautonomen, die ihnen ein Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis in Deutschland versprechen, solange sie nur laut genug schreien. Die Asylbewerber werden zum Spielball derjenigen, die mit ihnen zur Weltrevolution schreiten wollen.
Gestern Abend nun der vorläufige Höhepunkt: Aktivisten und Flüchtlinge besetzten das Kreuzberger Rathaus, blockierten die Sitzung der Bezirksvertreterversammlung. Nur die CDU-Fraktion ließ sich das nicht gefallen und verließ den Saal. Alle anderen demokratisch gewählten Bezirksparlamentarier ließen sich von den selbsternannten Flüchtlingsrettern die Tagesordnung diktieren.
Hallo, was ist denn da mit euch los?, möchte man ihnen zurufen. Ihr seid die Volksvertreter, ihr solltet euch nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen.
Bärendienst für Asylbewerber
Das Rathaus ist ein öffentliches Gebäude, warum wird da nicht vom Hausrecht Gebrauch gemacht? Doch die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann will die Welt retten, dafür lässt sie sich gerne von linksautonomen Krakeelern niederschreien.
Das Nachsehen ‒ und das ist das Tragische daran ‒ haben die Flüchtlinge. Mit Recht klagen sie die unmenschliche europäische Flüchtlingspolitik an, verlangen ein Ende der Residenzpflicht, möchten eine Arbeitserlaubnis. Die Linksautonomen sind die falschen Freunde, mit ihrem aggressiven Auftreten erweisen sie den Asylbewerbern einen Bärendienst. Und der grün regierte Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain ‒ er lässt sich vorführen von einer Handvoll selbsternannter Weltrevolutionäre.