Migration erzeugt Konflikte - und Wohlstandsgewinne
Heute beginnen die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen. Ein Knackpunkt: die Flüchtlingspolitik. Dabei ist den Politikern Weit- und Fernsicht zu wünschen: Denn Integrationsprozesse dauern zwei bis vier Generationen, so der Historiker Philipp Ther.
Nun ist es soweit: Dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl beginnen Union, FDP und Grüne Gespräche darüber, wie eine Jamaika-Koalition aussehen könnte. Die Sondierungsgespräche werden vermutlich schwierig: Die Parteien sind auf verschiedenen Politikfeldern weit auseinander.
Nicht von heute auf morgen machbar
Besonders in der Flüchtlingspolitik tun sich Gräben auf. Ein Blick in die Vergangenheit könnte helfen, diese zuzuschütten. Die Analyse des Historikers Philipp Ther zeigt: Integration ist nicht von heute auf morgen machbar. In der Regel führen Flüchtlingsströme in der aufnehmenden Gesellschaft aber zu Wohlstandgewinnen.
Integration sei ein Prozess von zwei, drei oder vier Generationen und "nicht im Einklang mit Wahlperioden", sagte Ther im Deutschlandfunk Kultur. Dem Historiker zufolge ist es zudem ein Prozess mit vielen unterschiedlichen Interessen und Konflikten.
Migration und die Aufnahme von Flüchtlingen führe aber letztlich zu mehr Wohlstand. Dafür gebe es auch in der deutschen Geschichte genügend Beispiele. Unter anderem verwies Ther auf die deutschen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg:
Sie hatten nichts und wollten arbeiten
"Die Menschen, die da ankamen - mit nichts - die wollten sich wieder hocharbeiten, und etwas beitragen, etwas tun."
Das Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit wäre ohne ein großes Arbeitskräftereservoir nicht möglich gewesen.
Ther nahm in dem Gespräch auch den berühmten Satz von Angela Merkel aufs Korn. Integration funktioniere nicht im Sinne von: "Wir schaffen das." Man müsse sich überlegen:
"Wir? Wer ist hier wir? Eigentlich sind es sie, die es schaffen, also die Flüchtlinge. Vielleicht wäre es auch wichtig, denen eine Stimme in der gegenwärtigen Debatte zu geben."
Momentan gebe es starke Integrationsängste, sagte Ther. In Bezug auf die Situation in Österreich sagte der Historiker, der am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien lehrt, müsse man befürchten, dass es einen Kreislauf aus Ausgrenzung, schwindendem Willen zur Integration und einem weiteren Anwachsen der Ängste in der einheimischen Bevölkerung gebe.
Österreich hat von den Jugoslawien-Flüchtlingen profitiert
Dabei seien ungefähr zwei Drittel der Menschen, die vor dem Jugoslawien-Krieg nach Österreich geflohen seien, auch dort geblieben. "Das war insgesamt für Österreich eher von Nutzen", sagte Ther. Deutschland habe die Flüchtlinge hingegen wieder nach Hause geschickt. (ahe)