Ein Hauptbahnhof als Symbol
Genau vor einem Jahr kamen von heute auf morgen täglich Tausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an. Spontan wurden sie damals von zahlreichen Einheimischen mit kleinen Geschenken begrüßt. Heute ist die Stimmung dort gespalten.
Wenn Vanniesa Rashid an den Münchner Hauptbahnhof denkt, dann kommen der jungen Grünen-Politikerin fast die Tränen. Rashid war eine der ersten Helferinnen, als die Flüchtlinge zu Zehntausenden kamen.
"Ich glaube, Gänsehaut beschreibt das am ehesten. Wir hatten so viele Helfer. Von Montag, den 31.8., auf Dienstag – als wir in der Früh um 6 Uhr bei den Radiosendern angerufen und einen Hilferuf gestartet haben. Das bereitet mir auch eine Gänsehaut, dass Menschen einfach sofort geholfen haben. Dass Menschen sich einfach spontan Zeit genommen haben, das hätte ich in dieser Form gar nicht erwartet."
Rückblick: vor genau einem Jahr verteilen jubelnde Bürger am Münchner Hauptbahnhof Luftballons an Flüchtlinge.
"Ich bin baff, mit so einem Ansturm habe ich nicht gerechnet!"
"Thank you, Germany, thank you for helping us!"
"Ich glaube, Gänsehaut beschreibt das am ehesten. Wir hatten so viele Helfer. Von Montag, den 31.8., auf Dienstag – als wir in der Früh um 6 Uhr bei den Radiosendern angerufen und einen Hilferuf gestartet haben. Das bereitet mir auch eine Gänsehaut, dass Menschen einfach sofort geholfen haben. Dass Menschen sich einfach spontan Zeit genommen haben, das hätte ich in dieser Form gar nicht erwartet."
Rückblick: vor genau einem Jahr verteilen jubelnde Bürger am Münchner Hauptbahnhof Luftballons an Flüchtlinge.
"Ich bin baff, mit so einem Ansturm habe ich nicht gerechnet!"
"Thank you, Germany, thank you for helping us!"
Wenn er an die Bilder denkt, wird er wütend
Der Hauptbahnhof München heute: Mustafa Koc steht hinter der Theke seines Döner-Ladens. Der Türke mit dem grauen Schnurrbart betreibt den Imbiss seit 2010. Wenn Koc an die Bilder vor einem Jahr denkt, wird er wütend.
"Sechs Jahre am Hauptbahnhof hier gearbeitet. 2013 und 2014 – gut. 2015 und 2016 – schlimm."
Der Grund, sagt Koc in gebrochenem Deutsch, sei der, Zitat: "unkontrollierte Flüchtlingsstrom".
"Natürlich. Dieses Jahr: brutal. Katastrophe hier. Schlimm. Ausländer kommen. So viele Probleme am Hauptbahnhof. Jeden Tag Schlägerei. Jeden Tag besoffen. Keiner arbeitet. Essen kaufen, aber kein Geld. Alle suchen Job. Ich weiß nicht."
Mustafa Koc und Vaniessa Rashid. Ein Bahnhof, zwei Meinungen. Die junge Grüne ist Integrations-Beauftragte ihrer Partei in München-Ramersdorf. Sie kümmert sich dort seit einem Jahr um dreihundert Flüchtlinge. Mit denen gebe es überhaupt keine Probleme – im Gegenteil.
"Wir können noch viel mehr aufnehmen. Wir haben die Ressourcen, wir haben den Platz. Ich bin Kurdin aus dem Nord-Irak. Ich bin damals selbst mit meiner Familie geflüchtet. Als ich drei Jahre alt war, sind wir losgeflüchtet. Als ich sechs war, sind wir in Deutschland angekommen."
Auch deshalb hat Vaniessa Rashid vor einem Jahr am Münchner Hauptbahnhof spontan geholfen. Dagegen schlägt Mustafa Koc, der türkische Döner-Verkäufer, die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er an noch mehr Flüchtlinge denkt. Schon jetzt alarmiere er regelmäßig die Polizei.
"Sofort rufen. Kommt sofort."
"Sechs Jahre am Hauptbahnhof hier gearbeitet. 2013 und 2014 – gut. 2015 und 2016 – schlimm."
Der Grund, sagt Koc in gebrochenem Deutsch, sei der, Zitat: "unkontrollierte Flüchtlingsstrom".
"Natürlich. Dieses Jahr: brutal. Katastrophe hier. Schlimm. Ausländer kommen. So viele Probleme am Hauptbahnhof. Jeden Tag Schlägerei. Jeden Tag besoffen. Keiner arbeitet. Essen kaufen, aber kein Geld. Alle suchen Job. Ich weiß nicht."
Mustafa Koc und Vaniessa Rashid. Ein Bahnhof, zwei Meinungen. Die junge Grüne ist Integrations-Beauftragte ihrer Partei in München-Ramersdorf. Sie kümmert sich dort seit einem Jahr um dreihundert Flüchtlinge. Mit denen gebe es überhaupt keine Probleme – im Gegenteil.
"Wir können noch viel mehr aufnehmen. Wir haben die Ressourcen, wir haben den Platz. Ich bin Kurdin aus dem Nord-Irak. Ich bin damals selbst mit meiner Familie geflüchtet. Als ich drei Jahre alt war, sind wir losgeflüchtet. Als ich sechs war, sind wir in Deutschland angekommen."
Auch deshalb hat Vaniessa Rashid vor einem Jahr am Münchner Hauptbahnhof spontan geholfen. Dagegen schlägt Mustafa Koc, der türkische Döner-Verkäufer, die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er an noch mehr Flüchtlinge denkt. Schon jetzt alarmiere er regelmäßig die Polizei.
"Sofort rufen. Kommt sofort."
"Und was sagt die Polizei?"
Koc zuckt mit den Schultern und lacht.
"Das ist alles."
Koc zuckt mit den Schultern und lacht.
"Das ist alles."
Hauptbahnhof ist Einsatz-Schwerpunkt
Nichts tue die Polizei, will der Geschäftsmann damit sagen. Hubertus Andrä bestreitet das. Der Münchner Polizeipräsident hat die Gegend rund um den Hauptbahnhof zum Einsatz-Schwerpunkt seiner Behörde erkoren.
"Aber wir wissen schon, da ist langer Atem gefragt. Der Münchner Hauptbahnhof bereitet uns in den letzten Monaten Sorge, weil sich dort verschiedenste Szenen etabliert haben. Wir haben eine Szene von Cannabishändlern, insbesondere Schwarzafrikaner. Darunter auch Zuwanderer. Dann eine Alkoholiker-Szene. Personen auch aus dem Ausland sprechen dort sehr dem Alkohol zu. Als Konsequenz entstehen Pöbeleien, Rangeleien."
Polizeisirenen gehören inzwischen zum Münchner Bahnhofsviertel wie Zugdurchsagen, klagen die Ladenbesitzer der Umgebung. Die meisten wollen kein Interview geben, aber sie sehen – genau wie Mustafa Koc – einen Zusammenhang zwischen der Ankunft Zehntausender Asylbewerber und der gestiegenen Kriminalität.
"Aber wir wissen schon, da ist langer Atem gefragt. Der Münchner Hauptbahnhof bereitet uns in den letzten Monaten Sorge, weil sich dort verschiedenste Szenen etabliert haben. Wir haben eine Szene von Cannabishändlern, insbesondere Schwarzafrikaner. Darunter auch Zuwanderer. Dann eine Alkoholiker-Szene. Personen auch aus dem Ausland sprechen dort sehr dem Alkohol zu. Als Konsequenz entstehen Pöbeleien, Rangeleien."
Polizeisirenen gehören inzwischen zum Münchner Bahnhofsviertel wie Zugdurchsagen, klagen die Ladenbesitzer der Umgebung. Die meisten wollen kein Interview geben, aber sie sehen – genau wie Mustafa Koc – einen Zusammenhang zwischen der Ankunft Zehntausender Asylbewerber und der gestiegenen Kriminalität.
Vaniessa Rashid, die Flüchtlings-Helferin von den Grünen, bestreitet diesen Zusammenhang. Sie findet es schade, dass kaum mehr Flüchtlinge kommen. Und sie ist wütend, dass der Münchner Hauptbahnhof nicht mehr als Drehkreuz bei der Ankunft der Geflüchteten dient. Rashid sieht darin ein zynisches Kalkül der bayerischen Staatsregierung.
"Wir sind uns alle sehr einig, dass die Bilder, die damals um die Welt gegangen sind, von der Politik nicht gewollt sind. Dass Menschen sich gefreut haben, dass Flüchtlinge ankamen. Ich glaube, jeder, der am Bahnhof war… ich krieg‘ schon wieder eine Gänsehaut, wenn ich daran denke… Ich weiß genau, was diese Menschen hinter sich haben. Und diese Menschlichkeit, die berührt mich sehr. Und so geht es vielen."
Rashid kann kaum ihre Tränen unterdrücken, wenn sie an den September 2015 denkt. Mustafa Koc dagegen will an diese Zeit gar nicht mehr denken. "Sonst sag‘ ich noch was Falsches", sagt er.
"Was soll ich noch sagen? Jeden Tag schlimmer."
Würden Rashid und Koc sich treffen, sie verstünden voneinander nur Bahnhof. Der Münchner Hauptbahnhof ist längst zu einem Symbol geworden. Die Frage ist nur: für was?
"Wir sind uns alle sehr einig, dass die Bilder, die damals um die Welt gegangen sind, von der Politik nicht gewollt sind. Dass Menschen sich gefreut haben, dass Flüchtlinge ankamen. Ich glaube, jeder, der am Bahnhof war… ich krieg‘ schon wieder eine Gänsehaut, wenn ich daran denke… Ich weiß genau, was diese Menschen hinter sich haben. Und diese Menschlichkeit, die berührt mich sehr. Und so geht es vielen."
Rashid kann kaum ihre Tränen unterdrücken, wenn sie an den September 2015 denkt. Mustafa Koc dagegen will an diese Zeit gar nicht mehr denken. "Sonst sag‘ ich noch was Falsches", sagt er.
"Was soll ich noch sagen? Jeden Tag schlimmer."
Würden Rashid und Koc sich treffen, sie verstünden voneinander nur Bahnhof. Der Münchner Hauptbahnhof ist längst zu einem Symbol geworden. Die Frage ist nur: für was?