Wie der Sport damit umgeht
Turn- und Sporthallen sind für die kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen besonders gut geeignet. Dafür haben auch die Verantwortlichen von Vereins- und Schulsport Verständnis. Trotzdem befinden sich einige Vereine in einer misslichen Lage.
Rund 40 Minuten hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei der Unterrichtung des Landetages über die Flüchtlingssituation in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland in dieser Woche gesprochen, als das Thema Turn- und Sporthallen aufkam:
"Ja, wir brauchen für die Unterbringung der Flüchtlinge auch Turnhallen als Notquartiere. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir haben im Land 6130 Schulen und viele, fast die meisten, werden eine Turn- oder Sporthalle haben."
Denn: In NRW, dem Bundesland, in dem als erstes vor drei Wochen die Sommerferien endeten, kollidiert die Unterbringung der Flüchtlinge mit dem Schul- und Vereinssport, auch wenn Ministerpräsidentin Kraft relativiert:
"Das Land nutzt aktuell 44 Schulsporthallen. Dazu kommen noch einmal 20 Kommunal-eigene Asylunterkünfte in Schulsport. Nur als Relation: Wir haben zurzeit, meiner Kenntnis nach, über 100 gesperrte Sporthallen, deshalb, weil dort fehlerhaft Decken eingebaut worden sind."
Für Kraft steht daher fest:"Nicht skandalisieren, sondern dafür sorgen, dass diese Notunterkünfte schnellstmöglich aufgelöst werden können. Wir wissen, dass das eine der großen Herausforderungen ist, weil der Schulsport und auch der Sport in den Vereinen, auch in Zukunft wieder ordnungsgemäß stattfinden kann. Darauf können sich die Kommunen verlassen, aber ich kann keine Versprechungen abgeben."
Prädestiniert für eine rasche Unterbringung
Dennoch: Es ist ein Dilemma für den Sport, das sich wohl auch in anderen Bundesländern zeigen wird, in denen nun die Sommerferien zu Ende gehen werden. Denn: Turn- und Sporthallen sind aufgrund ihrer direkten Verfügbarkeit, den sanitären Einrichtungen sowie weiteren getrennten Räumen geradezu prädestiniert für eine rasche Unterbringung, was auch Josef Ludwig, der stellvertretender Leiter des Amtes für Wohnungswesen in Köln, weiß.
In der Domstadt werden pro Bezirk zwei Hallen vorgehalten, um kurzfristig reagieren zu können. Das hat aber auch Auswirkungen, wie Ludwig schildert. Der Schulsport wird verhindert und:
"Wir haben, nach meiner Einschätzung, noch größere Auswirkungen auf den Vereinssport. Hier belege ich überwiegend Dreifach-Turnhallen, um eine gewisse Kapazität zu erreichen. In diesen Dreifachturnhallen findet unter der Woche, neben ganz normalen Trainingseinheiten auch Ligabetrieb statt. Ich behindere Basketball, Volleyball, Handball in diesen Turnhallen und behindere damit die Vereine, störe Vereinsleben und: Das ist keine angenehme Situation. Weder für die Vereine, noch für die Person, die für die Unterbringung von Flüchtlingen hier in dieser Stadt zuständig ist."
"Das kann nur eine Notlösung sein"
Doch angesichts von alleine mehr als 7000 Flüchtlingen, die aktuell pro Woche alleine nach Nordrhein-Westfalen kommen und ein Dach über dem Kopf brauchen, ist dieser Weg ohne Alternativen – und der Sport damit vorrübergehend in einer misslichen Lage. Dass die Unterbringung von Menschen vorgeht, ist eindeutig, doch während der Schulsport zwar ausfallen und problemlos wieder aufgenommen werden kann, geht es für Vereine um die Existenz, da eine Planung des Liga-Betriebs aufgrund enger Hallenkapazitäten oft nicht möglich ist. Das weiß auch Christoph Niessen, der Vorstandsvorsitzende des Landessportbund NRW:
"In dieser besonderen Situation in der wir in Deutschland stehen, mit einer Zahl von Flüchtlingen, die es so seit dem zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben hat, muss der Sport selbstverständlich auch Verständnis dafür aufbringen, wenn in Notfällen, auch Sporthallen für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Das ist die eine Seite. Und auf der anderen Seite sagen wir genauso: Das kann nur eine Notlösung sein. Da, wo es getan werden muss, sollte mit dem Sport vor Ort gesprochen werden. Das ist uns sehr wichtig, dass Kommune und Sport miteinander im Gespräch bleiben."
Denn eines, so Nießen, sei auch klar: Die vielbeschworene Integrationskraft des Sports selbst, kann nur zum Tragen kommen, wenn dafür auch Sportstätten zur Verfügung stehen.