Flüchtlinge

Lob für Til Schweigers Modellprojekt

Matthias Lilienthal, aufgenommen, am 16.09.2013 in München (Bayern).
Der Theatermacher Matthias Lilienthal setzt sich in München für Flüchtlinge ein © picture alliance / dpa / Tobias Hase
Matthias Lilienthal im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Der Intendant der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, hat das Engagement des Filmemachers Til Schweiger für Flüchtlinge begrüßt. Es sei schwer, solche Modellprojekte zu entwickeln.
Es sei gut, wenn sich Menschen für Flüchtlinge einsetzten, sagte Matthias Lilienthal im Deutschlandradio Kultur. Angesichts von rechtsradikalen Machenschaften in Deutschland und brennenden Flüchtlingsheimen, die in Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stießen, sei es ein gutes Zeichen, wenn ein internationaler Star wie Schweiger sich für Flüchtlingsinteressen einsetze, so der Intendant der Münchner Kammerspiele.
"Insofern finde ich es total gut, wie dieses Projekt aufgestellt ist", sagte Lilienthal und verwies auf sein eigenes Engagement in München, wo sich die Initiative "Bellevue di Monaco" für Flüchtlinge engagiere. Die Gruppe habe auch im Dezember die Anti-Pegida-Demonstration in München organisiert und sei kürzlich gegen Forderungen nach Lagern für südosteuropäische Flüchtlinge aktiv geworden.
Fachwissen und Zusammenarbeit wichtig
"Ich glaube, dass diese Gruppe für die Stadt München sehr wichtig war", sagte Lilienthal. Es handele sich nicht nur um eine Sozialgenossenschaft, die ein Flüchtlingshaus betreibe, sondern diese politische Initiative versuche exemplarisch zu einem anderen Umgang mit dem Thema zu kommen.
Es sei nicht einfach, Modellprojekte für Flüchtlinge zu entwickeln, sagte Lilienthal. "Das ist ein schwieriges Terrain." Er könne da nur jedem viel Glück wünschen, sagte er mit Blick auf Schweigers Engagement. Es sei wichtig, sich Fachwissen anzueignen und solche Projekte partizipativ mit Bezirken, Städten und Regionen zu verzahnen.

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Til Schweiger kriegt nach eigener Aussage viel Geld für Faxen vor der Kamera, und deshalb will er nun viel Relevanteres schaffen: eine ansprechende Unterkunft für Flüchtlinge in Osterode im Harz. Das findet nicht nur der dortige Bürgermeister klasse – das ist ein Zitat –, viel Lob hat der Schauspieler für seine Initiative auch insgesamt bekommen, verbunden mit den entsprechenden Schlagzeilen. Während das Ärmelhochkrempeln bei Til Schweiger noch immer im Ankündigungsmodus ist, sind Kulturschaffende in München längst aktiv geworden. Sie haben der Stadt ein Wohnhaus abgetrotzt und eine Sozialgenossenschaft gegründet, um für Flüchtlinge ein Wohnprojekt mit dem Namen "Bellevue di Monaco" zu schaffen. Matthias Lilienthal, Chef der Münchener Kammerspiele, gehört dazu, und er ist jetzt zu Gast bei uns im Studio. Ich grüße Sie!
Matthias Lilienthal: Ich grüße Sie!
Frenzel: Was genau ist das, was Sie da machen für geflüchtete Menschen?
Lilienthal: Die Stadt hatte vor Jahren beschlossen, drei Häuser in der Müllerstraße Nummer 2 bis 6 – und dazu muss man wissen, das ist in der direkten Nähe des Viktualienmarktes – abzureißen. Und "Goldgrund", eine Initiative, die gegen Grundstücksspekulation und Mietwucher vorgegangen ist, die hat damals schon mit einer Aktion auf die Häuser aufmerksam gemacht, sie haben nämlich mit einer Bande von Gorillas die Wohnung saniert und einem Flüchtling gegeben. Im August letzten Jahres haben wir dann den Wunsch geäußert, ob bei dem Anmarsch der Flüchtlinge – und sehr, sehr viele Flüchtlinge kommen ja in Deutschland über die Nadelöhre Passau, Rosenheim und München an ... Das war für uns ein Anlass zu sagen, wir versuchen ein exemplarisches Flüchtlingshaus zu schaffen, also wo Geflüchtete nicht in so einer Abschottung zur Stadt leben, nicht mit Sichtblenden geschützt sind, sondern eigentlich in der Mitte der Stadt als eine Kommunikation zwischen Geflüchteten und der Stadt.
Frenzel: Und wie kriegen Sie das hin?
Lilienthal: Am Anfang wollten wir konzeptionell so ein bisschen am Grandhotel Cosmopolis uns orientieren, und da ist es ja diese Mischung aus einem Flüchtlingshaus und einem Hotel, aber der Druck nach Plätzen ist halt in München so groß, dass die Stadt sehr stark gebeten hat, ob man nicht quasi auf das Hotel verzichten kann, was ich persönlich sehr schade finde. Das sind einerseits einfache Unterkünfte für Geflüchtete, und auf der anderen Seite gibt es dort unten zwei große Räume – einen ehemaligen Fahrradladen und ein großes Tuchlager –, und dort ist vorgesehen, aus diesen Räumen ein Infocafé zu machen und einen kulturellen Raum, der genau die Interessen von Geflüchteten und Hilfsangebote aus der Stadt miteinander verzahnt und genau diesen Kontaktraum dazwischen schafft.
Frenzel: Haben Sie eigentlich Gegenwind bekommen, Widerstände gegen das Projekt?
Lilienthal: Es gab ja in München im letzten September diese Situation mit der Bayern-Kaserne, die hat damals der Oberbürgermeister ja relativ kurzfristig geschlossen. Das ist so ein Akt ... Dazu muss man wissen, die Bayern-Kaserne wird betrieben vom Regierungsbezirk Oberbayern. Also in dem Moment, wo der Münchner Oberbürgermeister damals diese Erstaufnahmeeinrichtung geschlossen hat, das war so ein bisschen so, als ob ich eine Inszenierung von Martin Kusej am Residenztheater absetzen würde, das war nicht wirklich sein Aufgabenbereich. Aber diese Bilder hatten eine solche Schockwelle ausgelöst und wirkten eigentlich wie Situationen im Libanon oder wie in Jordanien, von Leuten, die bei Temperaturen um die null Grad mit einem einfachen Laken auf dem Rasen kampieren. Und da ist in der Stadt München ein Schalter umgesprungen, und seitdem signalisiert die Politik dort ein sehr deutliches Wohlwollen dafür. Und wenn die Sozialgenossenschaft vom "Bellevue di Monaco" diese Ausschreibung gewinnen sollte, stellt die Stadt auch 1,5 Millionen Euro zum Umbau der Gebäude zur Verfügung, sie stellt Stellen zum Betreiben des Hauses zur Verfügung und sie finanziert dann über die sozialen Unterbringungssätze auch noch mal den Aufenthalt der Geflüchteten in dem Haus.
Frenzel: Bellevue di Monaco funktioniert als Genossenschaft, heißt das, jeder als Genossenschaftler hat dann eine langfristige Verantwortung für das Projekt?
Lilienthal: Wir sind dabei, Verträge über die nächsten 25 Jahre dafür zu unterschreiben, und im Kern wird das Projekt betrieben von Till Hofmann, der sehr viele Kabarett- und Musikveranstaltungsräume in der Stadt München betreibt, von Alex Rühle, einem Journalisten der "Süddeutschen Zeitung", Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat und Johannes Seiser und Angela Bauer, die Sozialeinrichtungen für Geflüchtete betreiben.
Frenzel: Ich komm noch mal zurück auf Til Schweiger, der sich ja auch in der Öffentlichkeit sehr präsentiert hat mit seinem Geld, das er dafür gibt, sein Name, der da auch ganz stark im Vordergrund steht. Sie sind ja mit anderen gemeinsam aktiv geworden – finden Sie das wichtig, dass man so was gemeinsam macht, also als Gruppe?
Lilienthal: Na ja, ich glaube, dass zum Beispiel diese Gruppe für die Stadt München sehr wichtig war, weil wir haben auch im Dezember letzten Jahres die Anti-Pegida-Demonstrationen organisiert, wir hatten jetzt eine Demonstration organisiert vor zehn Tagen gegen diese Lager für Flüchtlinge aus Südosteuropa. Wir verstehen uns ja nicht in erster Linie als eine Sozialgenossenschaft, die ein Flüchtlingshaus betreibt, sondern wir versuchen, exemplarisch zu einem anderen Umgang mit dem Thema zu kommen, und verstehen uns in dem Sinne auch als eine politische Initiative.
Frenzel: Und wie bewerten Sie das Auftreten Til Schweigers, ist das hilfreich für die Debatte in Deutschland für den Umgang mit Flüchtlingen, oder haben Sie den Eindruck, das ist auch so ein bisschen Selbstbeweihräucherung?
Lilienthal: Ach, erst mal finde ich es gut, wenn sich Menschen für Geflüchtete einsetzen, und es gibt ja auch in Deutschland mit den Brandanschlägen auf Gebäude, die zu Flüchtlingshäusern umgebaut werden sollen, da gibt es ja auch so rechtsradikale Machenschaften, die durchaus auch in Teilen der Bevölkerung Sympathie genießen. Insofern ist von so einem internationalen Glamourstar wie Til Schweiger das erst mal ein gutes Zeichen, dass er sagt, ich setze mich auch für die Interessen von Geflüchteten ein, insofern finde ich das total gut, wie dieses Projekt aufgestellt ist. Und es ist auch nicht so einfach, zwischen den Strategien und gesetzlichen Vorschriften im Zusammenhang mit Geflüchteten Modellprojekte da aufzuziehen. Es ist ein schwieriges Terrain, und insofern kann man dann nur jedem viel Glück wünschen, der da versucht, was zu machen. Ich denke, was wichtig ist, ist, dass man sich ein Fachwissen beschafft und dass man auch partizipationsmäßig solche Projekte mit Regionen und mit Städten und mit Bezirken verzahnt.
Frenzel: Matthias Lilienthal, Chef der Münchner Kammerspiele, über das Projekt Bellevue di Monaco", ein Projekt für Flüchtlinge in Deutschland. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Lilienthal: Ich danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema