Sind Ausländer an der Ostsee nur als Touristen willkommen?

Auf die Inseln und Halbinseln der Ostsee kommen viele Ausländer - als Touristen. Nun im Winter stehen dort zahlreiche Pensionen und Ferienanlagen leer. Doch die Bereitschaft, Ausländer, die als Flüchtlinge kommen, aufzunehmen, ist bislang nicht besonders groß.
Gerd Hamm telefoniert: "Hamm, Landkreis Vorpommern-Greifswald, Sozialamtsleiter. Schönen guten Tag. Sie nehmen heute die Flüchtlinge entgegen in Pasewalk. Wissen Sie, wann...."
So geht es zwei bis drei Mal pro Woche, denn so oft werden Asylbewerber aus den Erstaufnahmestellen in den nordöstlichen Landkreis gebracht. Gerd Hamm ist verantwortlich für deren Unterbringung in einem der flächenmäßig größten und zugleich am dünnsten besiedelten Landkreise Deutschlands. Doch auch hier kann niemand unablässig Unterkünfte für monatlich 500 bis 600 Flüchtlinge aus dem Hut zaubern.
"Also Sie können davon ausgehen, dass wir in allen größeren Städten und auch größeren Dörfern mittlerweile Flüchtlinge haben. Ausgenommen bei uns die Insel Usedom. Es ist eine Urlaubsregion, wo der Wohnungsleerstand sehr gering ist. Nichtsdestotrotz wird es für die Insel auch darum gehen, in den nächsten Tagen und Wochen Ferienunterkünfte, Ferienlager zu eruieren, um im Winter jedenfalls diese Möglichkeiten auch auszuschöpfen."
Das war Ende September und diese Pressemeldung aus der Vorwoche bereits Makulatur: "In den nächsten Tagen kommen 387 Flüchtlinge auf die Insel Usedom. Ehrenamtliche Helfer der Initiative 'You're welcome - Usedom hilft' bereiten sich vor und suchen weitere Freiwillige, die ihre Arbeit unterstützen." Helfer kamen, Flüchtlinge nicht. Denn etliche Gemeinden hatten mit Blick auf den Tourismus erklärt, sie könnten keine aufnehmen.
Immerhin - Mitte November sollten 15 Asylbewerber nach Trassenheide kommen. Doch wegen eines Brandanschlages auf das Gebäude wurde daraus nichts. Die Täter sind noch nicht ermittelt.
Um Flüchtlinge muss sich weiter das Festland kümmern
Zwischenstand Jahresende: Rund 30 Flüchtlinge haben es auf die Ostseeinsel Usedom geschafft. Die meisten leben in Zinnowitz. Eine Heringsdorfer Privatkurklinik nahm einige unbegleitete Minderjährige auf.
Dabei wird es vorerst bleiben, sagt Sozialamtsleiter Gerd Hamm nun am Telefon. Denn die wenigen Angebote von Usedomer Privateigentümern habe der Landkreis wegen der gepfefferten Mietpreisforderungen ablehnen müssen. Bei den Verhandlungen mit den Jugendherbergen wiederum zeigte sich, dass die Asylbewerber schon zu Saisonbeginn im März wieder hätten aus- und umziehen müssen.
Um die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern muss sich also weiterhin das Festland kümmern. Wolgast zum Beispiel, eine Stadt direkt vor der Überfahrt nach Usedom.
Hier leben rund 300 Asylbewerber, vor allem in der Gemeinschaftsunterkunft in der Plattenbausiedlung Nord. Als im November rund 500 Menschen an dem von einer Lichterkette geschützten Block vorbeizogen, trugen sie auch Transparenten wie "Usedom wehrt sich" und "Keine Asylanten auf die Ferieninsel!" Man könnte sagen: Ziel erreicht.
Unwägbarkeiten sind zu groß
Und wie läuft es im Nachbarkreis auf der Insel Fischland-Darß-Zingst?
"Wenn die Gemeinde sich dafür ausspricht, dann kriegen die auch welche, und die haben gesagt 'Nein, wegen Tourismus möchten wir nicht.' Und - tja. Prerow, Ahrenshoop - die sind dagegen und die kriegen dann auch keine",
erzählt die Gastronomin Nina Burchert aus dem Seeheilbad Zingst, das wie alle anderen Orte Winterschlaf hält und sich doch in diesem Punkt von den Nachbarn wie der Künstlergemeinde Ahrenshoop unterscheidet.
"Hier steht ein Haus, so ein größeres Objekt, leer. Das wurde angeboten und da kommen die dann auch rein. Also da ist eine Frau. Die hat 'ne größere Ferienanlage. Und die stellt die dann auch zur Verfügung."
Doch auch den meisten Zingster Privatbetreibern sind die Unwägbarkeiten zu groß: In welchem Zustand werden die Zimmer sein, wenn der Urlaubsbetrieb beginnt? Fühlen sich rechte Truppen angezogen? Andererseits gibt es keinen Widerstand von den Hoteliers und Gastronomen gegen den Beschluss der Gemeindevertretung, im nächsten Jahr bis zu 100 Asylbewerber in Zingst aufzunehmen. Gerade wurde der Auftrag für ein Containerdorf am Ortsrand ausgeschrieben.