Flüchtlingshilfe

Schlafplatz im Museum

Der Ghanaer Andreas Listowell als Vertreter der "Lampedusa-Flüchtlinge" an der Tür eines Bauwagens mit der Aufschrift "Embassy of Hope". Der durch Spenden über Kiezhelden.com finanzierte Bauwagen soll den Flüchtlingen als Anlaufstelle und Treffpunkt dienen. Foto: Georg Wendt/dpa
Embassy of Hope, "Botschaft der Hoffnung", heißt eine Flüchtlingshilfeeinrichtung des Hamburger Thalia-Theaters. © picture alliance / dpa / Georg Wendt
Von Axel Schröder |
Unzählige Menschen in Deutschland engagieren sich für Flüchtlinge – auch der Kulturbetrieb macht mit. Mit Deutschkursen, Treffpunkten und Unterkünften wollen das Hamburger Thalia-Theater und das Museum der Arbeit den Geflohenen das Ankommen erleichtern.
Börries von Notz: "Wir befinden uns hier in einem Fabrikgebäude. Wenn sie so wollen hat das loftartigen Charakter. Es ist eine offene Gebäudestruktur, bei der es nur Außenwände gibt. Und es gibt stählerne Trägerstützen. Und zwischen diese Stützen werden Trockenbauwände eingebaut und so entstehen einzelne Zimmer. Und so muss man sich das vorstellen dann, mit einem Mittelgang und von diesem Mittelgang gehen die einzelnen Zimmer ab."
Etwas verloren steht Börries von Notz in der riesigen Halle. Im ersten Stock, in einem Nebengebäude des Museums für Arbeit in Hamburg. Die Idee, hier Platz zu schaffen für Flüchtlinge, entstand vor einem halben Jahr, erzählt der Vorsitzende der Stiftung Historische Museen Hamburg.
Schon bald sollen hier 60 geflüchtete Frauen, ihre Kinder und Schwangere einziehen.
von Notz: "Bei uns ist im Sommer letzten Jahres, als der Flüchtlingsstrom besonders groß war und die Unterbringungssituation insbesondere in Hamburg besonders schwierig war, die Idee entstanden, zu schauen, wie wir diese Flächen konkret im Jahr 2016 nutzen werden."

Verluste werden durch Mieteinnahmen aufgefangen

Bereits geplante Ausstellungen und mehrere kleine Messen konnten in andere Gebäude verlegt, andere Termine verschoben werden. Unterstützt wird das Flüchtlingsheim auch vom Freundeskreis des Museums, von über 1.000 Menschen. Organisiert wird es von einem städtischen Dienstleister, von "fördern und wohnen". Der Betreiber aller Hamburger Unterkünfte mietet die Flächen vom Museum der Arbeit an. So kann der Wegfall der bisherigen Einnahmen durch die Vermietung an kleine Messen oder Tagungen aufgefangen werden.
von Notz: "Die Einnahmeverluste, die bekommen wir kompensiert. Aber wir bekommen auch nicht mehr, wir verdienen nichts dran."
Verdienen will auch das Thalia-Theater nicht an ihrer sogenannten Embassy of Hope, an der "Botschaft der Hoffnung". Bevor am Abend die Theatergäste ins Foyer in der Gaußstraße strömen, dient es als Treffpunkt für Flüchtlinge. Ausgestattet mit dunklen, quadratischen Holztischen und Stühlen, besetzt mit jungen Männern, die Kaffee oder Tee trinken. Die meisten wohnen im Erstaufnahmelager Schnackenburgallee, direkt an der Autobahn 7.

Deutschunterricht von einem Ex-Flüchtling

Flüchtling: "Ja, ich mag das hier. Denn als ich in die Schnackenburgallee kam, kannte ich die Sprache nicht, wir sprachen kein Deutsch, gar nicht. Dann haben wir die Embassy of Hope kennengelernt und die Leute haben uns geholfen. Bei der Sprache machen wir noch eine Menge Fehler, aber hier wurde uns geholfen, und langsam werden wir auch besser. Denn sie machen einen guten Unterricht. Sie sind keine professionellen Lehrer. Aber sie sind perfekt!"
Deutsch gelernt wird im zweiten Stock, in einem kleinen, neonbeleuchteten Raum. Ein Dutzend junger Männer hört dort aufmerksam ihrem Lehrer zu, der vor über zehn Jahren selbst als Flüchtling aus Afrika nach Deutschland kam:
Lehrer/Schüler: "Jetzt wollen wir nochmal fragen: 'Wie spät ist es?' Gut. Noch einmal! 'Wie spät ist es?' oder 'Wieviel Uhr ist es?'. Sehr gut!"
Unten im Café sitzt an einem der Tische Julia Lochte, die Chefdramaturgin des Thalia-Theaters und von Anfang an am Aufbau der Embassy of Hope beteiligt. Seit Mitte letzten Jahres immer mehr Menschen nach Deutschland kamen, erzählt sie, war dem ganzen Haus klar: Wir wollen das Thema Flucht nicht nur auf der Bühne verhandeln, sondern konkrete Hilfe leisten.

Erstes Konzert einer internationalen Flüchtlingsband

Lochte: "Uns war es wichtig, etwas zu kreieren, was lange bleiben kann. Was nicht einfach nur Nothilfe ist, sondern wo wir das Gefühl haben, da entsteht etwas, was wachsen kann und was eine gewisse Verlässlichkeit hat für die Leute. Dass sie wissen, sie können sich hier treffen, können hier das deutsche Sprach-Café machen, können ihre künstlerischen Projekte verwirklichen oder auch Rechtshilfe bekommen zum Beispiel. Und da braucht es einen Ort, wo sie hingehen können, sich austauschen. Aber auch zum Beispiel künstlerisch arbeiten. Das war uns gar nicht so klar."
Und das erste Konzert einer internationalen Flüchtlingsband fand schon vor Wochen im Thalia-Theater statt. Der Staat und die Stadt Hamburg könnte mehr leisten für die Integration, findet die Chefdramaturgin. Aber am Ende kann nicht durch staatliches, sondern nur durch das Engagement der Menschen Integration gelingen:
Lochte: "Dann erst kriegt das diese Breite, die auch weit über das hinausgeht, was man normalerweise mit Nothilfe bezeichnet. Sondern dann durchdringt es eigentlich die Gesellschaft von unten. Bis in die Betriebe und bis ins gesellschaftliche Zusammenleben in all seinen Facetten."
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