Flüchtlingspolitik in Polen

Her mit den Sanktionen!

Polnische Rechte demonstrieren gegen Flüchtlinge im Mai 2016 im polnischen Slubice, der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder) in Brandenburg.
Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" betont immer wieder, mit ihrer Anti-Flüchtlings-Haltung kämpfe sie für den Erhalt der nationalen und christlichen Identität, so Beata Bielecka. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Beata Bielecka · 13.07.2017
Polen weigert sich nach wie vor, Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen. Die polnische Journalistin Beate Bielecka findet das beschämend. Sie befürwortet das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission - und setzt Hoffnungen in weitere Sanktionen.
Ich schäme mich. Und ich fühle Wut. Seit dem Moment, als die rechtspopulistische Partei "Recht und Gerechtigkeit" vor anderthalb Jahren an die Regierung kam und erklärte: Polen wird keinen einzigen Flüchtling aufnehmen. In den jüngsten Umfragen haben 70 Prozent meiner Landsleute diese Haltung befürwortet. Noch vor drei Jahren hatten 70 Prozent der Polen keine Einwände gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Damals regierte die liberale "Bürgerplattform" und war bereit, 7.000 Flüchtlinge aufzunehmen – auch nicht viel, aber immerhin!

Bigotterie statt Nächstenliebe

Die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" betont heute immer wieder, mit ihrer Anti-Flüchtlings-Haltung kämpfe sie dafür, dass wir unsere nationale und christliche Identität nicht verlören. Dieses Denken gefällt hier vielen, denn das Christentum gehört in Polen seit Jahrhunderten zum Selbstverständnis. Nur, dass dem Glauben vieler Polen heute die Reflexion fehlt. Als ob sie vergessen hätten, was für Werte hinter dem Glauben stehen. Das Thema "Flüchtlinge" zeigt, dass viele Katholiken das Kernanliegen des Christentums aus den Augen verloren haben: die Nächstenliebe.
Ich gehöre inzwischen also zu den 30 Prozent Polen, die Flüchtlinge willkommen heißen. Erschreckend wenig. Nie zuvor habe ich mich so fremd gefühlt im eigenen Land. Ich will kein rassistisches Polen! Deshalb bin ich froh, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet hat und eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Betracht zieht, die – bei Erfolg – auch Geldbußen nach sich ziehen kann.

Regierung hetzt gegen Schutzsuchende

Ich hoffe sehr, dass die EU-Kommission diesen Kampf gegen Polen gewinnt. Denn dieser Sieg würde mein Land vor nationalistischer Abschottung bewahren. Vielleicht, so meine Hoffnung, könnten EU-Sanktionen bei uns eine Debatte über christliche Werte anregen. Vielleicht würde dann die sehr unchristliche Hetze gegen die geflüchteten Kriegsopfer aufhören und auch die wachsende Zahl der rassistisch motivierten Straftaten.
Wie soll es auch anders sein, wenn unsere Regierungschefin erklärt, dass, Zitat, "Auschwitz in unserer turbulenten Zeit eine große Lehre" sei und dass "alles getan werden muss, um die Sicherheit und das Leben unserer Bürger zu verteidigen". Mich hat diese Aussage von Beata Szydlo, während einer Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau vor kurzem, zutiefst schockiert. Dass die Regierung noch nicht einmal davor zurückschreckt, Schutzsuchende mit den Verbrechen der Nationalsozialisten in Verbindung zu bringen, zeigt was für ein ungeheuerliches Ausmaß der Rassismus in Polen schon angenommen hat.

Die Kirche segnet den Rassismus ab

Die Mehrheit der Polen sieht in der jetzigen Regierung den Heiland der Nation, der sie nicht nur vor dem Terror schützt, sondern auch vor dem Islam, der sonst unseren Glauben und unsere Kultur infizieren würde. Es war die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", die – noch während ihres Wahlkampfs – Ängste schürte, dass Terroristen in Polen eindringen und Krankheiten mitbringen würden. Das zeigte Wirkung. Die meisten Polen haben sich von dieser Hysterie anstecken lassen. Und das alles wurde von der Amtskirche abgesegnet – für mich als gläubige Katholikin eine riesige Enttäuschung. Denn ich verstehe unsere Kirche als moralische Instanz – sie müsste dazu ermahnen, nicht in nationalistischen Kategorien, sondern in Werten zu denken.
Viele Jahre war ich stolz, Polin zu sein. Durch uns hatte der Begriff "Solidarität" in der Welt eine neue Bedeutung erhalten. Dadurch, dass meine Landsleute in totalitären Zeiten den Kopf erhoben hatten und damit anderen ein Vorbild waren. Es war Polen, das viele Mauern niedergerissen hat. Und heute sind wir neben Ungarn und Tschechien die einzigen in der Europäischen Union, die wieder Mauern bauen – auch in den Köpfen. Das macht mich wütend. Und beschämt.
Beata Bielecka ist Redakteurin der "Gazeta Slubicka", der kommunalen Zeitung der Stadt Slubice. Zuvor arbeitete sie 20 Jahre lang als Redakteurin bei "Gazeta Lubuska", der größten regionalen Tageszeitung Polens an der deutsch-polnischen Grenze. 1996 hat sie gemeinsam mit Dietrich Schröder (Märkische Oderzeitung) den "Wächter-Preis der deutschen Tagespresse" erhalten, für eine Artikelreihe über Regelverstöße bei der Grenzpolizei. 2014 war Bielecka für den deutsch-polnischen Journalistenpreis nominiert.
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Slubicka"
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Slubicka"© privat
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