Flüchtlingspolitik in Schweden und Dänemark

Eiszeit im Norden

Ausweiskontrolle auf der schwedischen Seite der Öresund-Brücke
Ausweiskontrolle in einem Bus auf der schwedischen Seite der Öresund-Brücke © dpa/picture alliance/SCANPIX DENMARK/Nils Meilvang
Von Björn Dake |
Schweden will ab Januar wieder Grenzkontrollen einführen. Der Nachbar Dänemark kritisiert das. Das sei heuchlerisch, kommentiert Björn Dake. Denn das Land drohe selbst damit, die Grenzen zu schließen - die nach Deutschland.
Es ist Eiszeit im Norden. An den Temperaturen liegt es nicht. Sondern an der Flüchtlingspolitik. Dänemarks Regierungs-Chef Lökke Rasmussen mokiert sich darüber, dass der Nachbar Schweden ab Anfang Januar flächendeckend die Ausweise an der Grenze kontrollieren lassen will – und nicht mehr nur in Stichproben. Er nennt das eine "sehr unglückliche Situation". Sein Land habe Millionen Kronen ausgegeben, um die Öresund-Region zwischen Kopenhagen und Malmö besser zu vernetzen. Schweden habe beschlossen, die Metropolregion wieder zu teilen.
Das ist heuchlerisch. Denn was Rasmussen an Schweden kritisiert, macht er selbst. Er droht damit, die Grenzen nach Deutschland zu schließen. Staus an den Grenzen in Schleswig-Holstein und lange Warteschlagen an den Fähren in Kiel, Rostock oder Travemünde wären die Folge.
Auch seine Regierung plant eine Kontrollpflicht für Verkehrsunternehmen. Jeder, der einen Bus, Zug oder eine Fähre besteigt, soll beim Ticketkauf seinen Ausweis vorzeigen. Busfahrer, Schaffner und Reedereien werden per Gesetz zum Hilfspolizisten. Auch das ist falsch. In Schweden wie in Dänemark.
Getriebener Regierungschef in Dänemark
Rasmussen steht unter Druck. Seine rechtsliberale Minderheitsregierung ist im Parlament auf die Stimmen der Dänischen Volkspartei angewiesen. Das ist die Partei, die Flüchtlinge in separate Dörfer unterbringen will. Damit Flüchtlinge und Dänen nur ja nicht zusammenleben. Die Partei, die dafür sorgt, dass Dänemark die strengsten Asylgesetze im Norden hat.
Der getriebene Rasmussen sagt: Wir müssen alles tun, was vernünftig ist, um die Zahl der Asylsuchenden so gering wie möglich zu halten. Nur leider tut er auch ziemlich viel Unvernünftiges. Die Regierung hat noch mal ihren Plan verteidigt, die Koffer von Asylbewerbern durchsuchen zu lassen und ihnen Geld und Wertgegenstände abzunehmen. Damit sollen Unterbringung und Asylverfahren bezahlt werden. Das weckt bei mir Erinnerungen an das schlimmste Kapitel der europäischen Geschichte.
Dänemark hat in diesem Jahr etwa 20.000 Flüchtlinge aufgenommen. Bei 5,5 Millionen Einwohnern sind das rund 0,4 Prozent der Bevölkerung. Das ist lächerlich wenig. Zur Erinnerung: Dänemark hat nach Luxemburg das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der EU. Flüchtlinge sind keine Bedrohung für Europa. Nationale Egoismen, ein Mangel an Solidarität, Rechtspopulismus – das bedroht die europäische Idee.
Falsches Schweigen über Integrationsprobleme in Schweden
Und Schweden? "Mein Europa baut keine Mauern", hat Ministerpräsident Löfven noch vor ein paar Wochen gesagt. Das Land versteht sich als humanitäre Großmacht in der Welt. Jetzt aber sagt die rot-grüne Minderheitsregierung: Wir können nicht mehr und intensiviert die Grenzkontrollen.
Es stimmt: Schweden nimmt dieses Jahr schätzungsweise 160.000 Menschen auf. Fast zwei Prozent der Bevölkerung. So viel wie kein anderes Land in der EU. Und trotzdem: Es gibt nach wie vor Landstriche ganz ohne Flüchtlinge.
Schweden ist nicht Bullerbü. Schon gar nicht in Rinkeby, Hisingen und Rosengård. So heißen die Problemviertel in Stockholm, Göteborg und Malmö. Doch über Probleme bei der Integration und Parallelgesellschaften wollte lange niemand reden in dieser auf Harmonie und Ausgleich bedachten Gesellschaft. Das war falsch. Denn jetzt reden die Schwedendemokraten darüber. In Umfragen liegen die Rechtspopulisten bei etwa 20 Prozent.
Wie reagiert die Politik: Es werden Zelte für Flüchtlinge aufgebaut, die beim ersten Herbststurm umwehen. Es werden Ausweiskontrollen beschlossen, von denen keiner weiß, wie sie funktionieren sollen. Seit Wochen kommen weniger Flüchtlinge. Aber das dürfte mehr mit dem Winter zu tun haben, als mit der Politik der Abschottung und Abschreckung. Wenn schon Eiszeit, dann bitte in den Köpfen. Kühle, rationale Politik statt hitzigem Aktionismus!
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