Störenfriede erhalten zweite Chance
Im Landkreis Esslingen kommen Flüchtlinge, die sich nicht an die Regeln ihrer Sammelunterkünfte halten, in eine kleinere Einrichtung. Der Ort bleibt unbekannt, um die Menschen nicht zu diskriminieren.
"Wir haben keine Statistik, aber wir stellen immer wieder fest, dass es in größeren Unterkünften eine Handvoll Flüchtlingen gibt, die für Unruhe sorgen, die andere stören, die sich nicht an die Regeln halten, wie Reinigung, Sauberkeit. .. Das führt schon zu Eskalationen und das wollen wir verhindern, indem wir diese Störenfriede an einigen Orten zusammenführen."
Schlange stehen vor Duschen und Toiletten, klingelnde Handys, schreiende Kinder, schnarchende Bettnachbarn, und über allem eine Geruchsmischung aus Schweiß und vollen Windeln. Tage- und wochenlang leben so viele Menschen in Sammelunterkünften, manchmal bis zu 20 verschiedene Nationen unter einem Dach. Das erfordert von allen Beteiligten viel Disziplin, einige schaffen es nicht, ein kleiner Teil wird aggressiv.
"Wir wollen diesen Menschen eine Chance geben"
Im Landkreis Esslingen werden diese Männer, es sind nur Männer, ab heute in besondere Unterkünfte verlegt. Peter Keck, Pressesprecher des Landratsamts Esslingen:
"Von Gefahr möchte ich bei dieser Personengruppe nicht sprechen. Das sind Menschen, die haben Probleme hier anzukommen in Deutschland. Und wir bringen sie in keinem Gefangenlager unter, mit einem Stacheldrahtzaun rundherum, das sind ganz normale Einrichtungen, die wir dezentral jetzt im Landkreis Esslingen aufbauen wollen."
Rund 100 Männer werden in den kommenden Tagen umziehen. Etwa 30 Männer zusammen unter einem Dach, drei Unterkünfte sind vorbereitet.
Ob sie dadurch friedlicher werden, bleibt offen, auch der Sprecher wagt keine Prognose. Wo sich diese Unterkünfte für die Störenfriede befinden, will man im Landratsamt nicht sagen.
"Wir wollen den Ort nicht nennen, um den Ort nicht zu stigmatisieren. Wir wollen diesen Menschen eine Chance geben, an einem neuen Ort in Ruhe hier anzukommen und eben hier ihren Weg zu gehen."
Die sogenannten Störenfriede werden in Zweibettzimmern untergebracht, sie erfahren aber keine Extrabehandlung, etwa in Form einer Therapie, betont der Sprecher des Landratsamtes:
"Man muss das einfach ganz realistisch sehen, wir arbeiten mit Psychologen zusammen, wir arbeiten auch mit Traumatherapeuten zusammen, aber wir können diese Gruppe nicht bevorzugen, die Zahl der Flüchtlinge ist zu groß, um hier spezielle Gruppe zu bevorzugen."
"Es hat ja viele Flüchtlinge, die viele schlimme Sachen erlebt haben und die hier friedlich leben wollen und die ihren Neubeginn möchten, die auch höflich sind und auch zuvorkommend. Das sehe ich jeden Tag bei meiner Arbeit. Wenn die dann so Krawallos dazwischen haben, dann zerstört man denen ja auch ihre Möglichkeiten, ihre Leben da. Insofern muss man natürlich die schützen, wie auch uns schützen."
Bedingungen sorgen für Enttäuschung
Dr. Lisa Federle ist Notärztin und hat eine eigene Praxis in Tübingen. Die Medizinerin hatte auch die Idee zu einem Arztmobil, einem bundesweit einmaligen Projekt. Ein ganzes Team ist nun unterwegs, um Flüchtlinge zu behandeln. Immer wieder seien auch psychisch angeschlagene Patienten unter den Patienten, sagt Federle:
"Grundsätzlich muss man unterscheiden, ob jemand traumatisiert ist oder, ob jemand einfach nur aggressiv ist. Es sind ja nicht grundsätzlich alle traumatisiert. Es gibt da schon auch Flüchtlinge, die aus anderen Ländern, die ja nicht wirklich traumatisiert sind. Das ist zunächst einfach grundsätzlich einmal das Problem, zu schauen, hat der ein Trauma hinter sich und ist deswegen so, oder ist das jemand, der mit anderen Erwartungen hierherkam."
Mit dieser Gruppe haben alle Einrichtungen zu kämpfen:
"Die schauen entsetzt, wenn sie eine große Halle sehen, mit Betten übereinandergeschichtet, die haben sich etwas anderes darunter versprochen. Da kommt eine große Enttäuschung dann heraus oder auch Wut oder Frust oder auch Aggression."
Doch Federle hat noch nie die Polizei bei ihren Einsätzen in den Unterkünften rufen müssen, vieles ließe sich in Gesprächen klären, Dolmetscher gehören zum Stammteam dazu.
Auch im Landkreis Esslingen setzt man auf den guten Willen vieler Hilfesuchenden und hofft nun auf wieder ruhigere Zeiten in den Sammelunterkünften.