Merle Kröger: Havarie
Argument Verlag, Hamburg 2015
256 Seiten, 15 Euro
Showdown im Mittelmeer
Mit "Havarie" hat Merle Kröger ihr viertes Buch geschrieben. Die Berlinerin verbindet in ihren Büchern fiktive Storys mit präzise recherchierter Realität - für "Havarie" war sie im Mittelmeerraum unterwegs - herausgekommen ist ein seetüchtiger Thriller.
Die Antwort auf Flüchtlinge, die mangels anderer, legaler Einreisemöglichkeiten in Schlauchbooten übers Mittelmeer nach Europa kommen, sind Spendenaufrufe, Ablehnung, Appelle und militärische Einsätze der deutschen Marine.
Über diese verzweifelten Reisen gibt es mittlerweile gute Dokumentationen, es gibt informative Bücher, es gibt Studien und Berichte. Aber ein großes Publikum erreicht das alles anscheinend nicht.
Das neueste Buch von Merle Kröger versucht aber genau das. Es liest sich wie ein Kriminalroman, es lässt ganz verschiedene Menschen in verschiedenen Funktionen an verschiedenen Orten sehr privat auftreten und hat dennoch das globale Diktat der Produktivität im Blick.
Vier Schiffe - ein alter Container-Frachter, ein Kreuzfahrtschiff mit dem hintersinnigen Namen "Spirit of Europe", ein Boot der spanischen Seerettung und ein Schlauchboot mit elf Flüchtlingen kreuzen einander im Mittelmeer. Die Besatzungen und Passagier kommen von überall her, von Nepal und bis zur Ukraine, von den Philippinen bis Irland, von Indien bis zu den Antillen. Jeder trägt seine Hoffnungen und Befürchtungen mit sich herum, viele haben etwas zu verbergen, andere etwas zu verlieren – und fast alle hängen auf irgendeine Weise von der Reederei in Miami ab, wie von einem allmächtigen Gott des Profits.
Nicht dickleibig, aber gut recherchiert
Miami hat bestimmt, dass die Passagiere des havarierten Schlauchboots nicht an Bord genommen werden. Nach Stunden bringt man ihnen Wasser und Medikamente – und einen sterbenden Illegalen, der unter Deck gearbeitet hat. Währenddessen zieht das Containerschiff an einem Toten im Meer vorbei, denn wenn Zeit Geld ist, sieht man besser nicht hin; zudem haben die kommandierenden Offiziere, ein Russe und ein Ukrainer, andere Probleme miteinander. Und die spanische Seerettung, aufgebrochen von einem Ölterminal, das einmal ein Fischerdorf war, hält im Sturm auf den Punkt zu, an dem eigentlich das Schlauchboot treiben müsste.
Merle Kröger hat viel untergebracht in diesem keineswegs dickleibigen, aber gut recherchierten Roman. Da sie ihre zehn Figuren von sich selbst und aus sich selbst erzählen lässt, öffnet sich die Perspektive wie von selbst nach allen Seiten, nach oben und nach unten, über die Welt – und so bricht sie auch manches Klischee. Nicht jedes. Denn viele Klischees in diesem Zusammenhang sind leider absolut real.