Flugbewegungen
Im September 2006 war der erste Spatenstich - am 30.10.2011 soll die erste Maschine vom neuen Großflughafen BBI Schönefeld abheben. Planer und Architekten haben sich mit diesem Datum ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. - Ein anderer interessanter Flughafen liegt in Sachsen-Anhalt. Eine Investmentgruppe aus Abu Dhabi will in Cochstedt ein Frachtflugzentrum errichten.
Schönefeld
Von Claudia van Laak
Genau 171 Stufen müssen überwunden werden, um einen Überblick zu gewinnen. 171 Stufen den Aussichtsturm hinauf, dann liegt den Betrachtern eine der derzeit größten Baustellen Europas zu Füßen. Im Norden der Berliner Stadtrand – weiße Hochhäuser recken sich in den Frühlingshimmel. Davor der alte DDR-Flughafen Schönefeld – hier startet gerade ein Billigflieger.
"Gut, dann würde ich Sie bitten, mal hierher zu kommen. Geradeaus zu die weiß-orangefarbenen Pylonen, das modernste Betonmischwerk Europas, was hier errichtet worden ist für diese Baustelle."
Richtung Süden tanzen 33 blaue, schwarze, grüne und rote Kräne. Brücken, die noch im Nichts enden. Kipper und Lkws so groß wie Spielzeugautos. Am Horizont märkische Felder, Wiesen und Wälder.
"Gut, wir gehen zum aktuellen Baugeschehen, schauen in Richtung Süden. Das rechte Brückenbauwerk hatten wir gesehen, auf der Straße dahinten sind wir mit dem Bus gefahren, sie führt später bis zum Terminal."
Auch nachts geht das Kranballett weiter. Mit den ersten milden Frühlingstemperaturen hat die Terminal-Bauleitung vom Zwei- auf den Drei-Schicht-Betrieb umgestellt – montags bis freitags wird jetzt rund um die Uhr gearbeitet. 2000 Bauleute verdienen im Moment ihr Geld auf der BBI-Baustelle, im Sommer werden es 3000 sein.
"Es ist erstmal eine große Herausforderung, an so einer Baustelle mit teilzuhaben, mitzuwirken, das ist schon nicht alltäglich und diese Herausforderung muss man einfach annehmen, da muss man sagen, jawoll, das machen wir, und dann geht es los."
Jörg Below schiebt sich den weißen Bauhelm aus der Stirn. Der sportliche 46-Jährige ist für den Rohbau des Bahnhofs verantwortlich, der sich unter dem Flughafenterminal befindet.
"Das ganze Bauwerk ist 3,1 Kilometer lang, wir verbauen ja hier über 110 Millionen Euro in einer Bauzeit von fast 4 Jahren, das sind schon Größenordnungen, die sind ganz einfach gigantisch, und die Herausforderung muss man einfach annehmen und mit seinen Aufgaben wächst man."
Bauleiter Below stapft eine alte Pflasterstraße entlang – eine letzte Erinnerung an das Dorf Diepensee, das sich früher hier befand. Die 335 Dorfbewohner wurden in das nah gelegene Königs Wusterhausen umgesiedelt. Die Diepenseer Schweinemastanlage hat die Bauleute noch lange begleitet. Als wir mit dem Erdaushub begonnen haben, fing es an zu stinken, sagt Bauingenieur Below.
"Da hat es hier immer gerochen hier, fürchterlich, nach Ammoniak, und diese ganzen Stickstoffverbindungen, die Erklärung war eindeutig, das war diese Schweinemastanlage."
Jörg Below klettert die Böschung hinunter in den Tunnel. Hier sollen Ende 2011 die S-Bahnen im Zehn-Minuten-Takt den Flughafenbahnhof anfahren.
Ein Klingelsignal warnt vor einem herannahenden Kran.
"Wenn der Kran rückwärts fährt oder vorwärts fährt, die Kräne fahren ja hier auf Gleisen, dann gibt es hier ein akustisches Signal, also ein Warnsignal, Achtung Leute, ich fahr jetzt hier."
An der Seitenwand des Tunnels sind Eisenflechter am Werk. Bevor der Beton fließen kann, prüft jemand ihre Arbeit. Bewehrungsabnahme heißt das, sagt ein großgewachsener Mann mit bayerischem Akzent. Eine Bauzeichnung in der Hand steht er vor dem Flechtwerk.
"Wir prüfen nach, ob die Eisen da eingebaut sind wo sie hingehören, und dass die Fugenbänder und die Fugenbleche, ob alles da sitzt, wo es sitzen muss zum Schluss. Wenn wir freigeben, dann kann die Schalung zugestellt werden und dann kann der Beton fließen morgen."
Inzwischen wirft Bauleiter Below einen Blick auf die frisch gegossene Betonwand auf der anderen Seite des Tunnels. Sie muss absolut wasserdicht sein. Wenn der Flughafen fertig ist, werden die Grundwasserpumpen abgestellt und das Wasser steigt wieder an. Jörg Below blickt auf seine Armbanduhr. Die Zeit drängt.
"Ich hab jetzt in gut einer halben Stunde die nächste Abnahme, also als Bauleiter muss man ja auch auf die Qualität achten, sind die Bauleistungen auch entsprechend der Planung gebaut worden, und dann haben wir hier eine Bauüberwachung, mit der Bauüberwachung muss ich Abnahmen machen, schreiben wir ein Abnahmeprotokoll, und das steht jetzt gleich an."
Bauabnahme für Jörg Below, Pfefferhacksteak mit Bratkartoffeln für die Arbeiter in der Baustellenkantine im Container.
Uwe Noga und seine Kollegen sitzen vor ihren geleerten Tellern. Noch einen Kaffee, dann geht es weiter. Die 30 Männer aus Thüringen sind für den Bau der Pipelines zuständig, durch die später der Treibstoff für die Flugzeuge fließt.
"Früher wurde getankt mit einem Tankwagen, und heute wird das alles per Leitung gemacht, wird dann alles draußen getankt. Wir bauen hier die Kerosinleitung, die Kraftstoffversorgung für die Flugzeuge."
Von Montag bis Freitag sind die Bauarbeiter in Schönefeld, am Wochenende fahren sie nach Hause ins thüringische Jena. Seit einem Jahr schon wohnen sie auf einem Campingplatz in der Nähe der Großbaustelle.
"Wir haben hier ein Camp in Mittenwalde, wir haben fast alle Privatwohnwagen, und abends sitzen wir alle treu und alleine im Wohnwagen, das ist billiger als in der Pension."
Neben dem Kantinencontainer steht ein weißer Pavillon, über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift "Sensibler Bereich". Hier fließt das Bier. Aber nur zweimal in der Woche und auch nur nach der Arbeit von 17 bis 20 Uhr, klärt Manfred Körtgen auf, Geschäftsführer der Berliner Flughäfen.
"Und die Idee, wie nennen wir das, sensibler Bereich, das habe ich in den Raum geworfen, kein Alkohol, nur an dieser Stelle und nur kontrolliert und wir haben das bis heute durchgehalten, es gab keine Beschwerden, es gab keine Verletzungen."
Der Bauarbeiter mit der Bierflasche in der Hand, diese landläufige Vorstellung gehört schon lange der Vergangenheit an, erklärt Manfred Körtgen. Der Verantwortliche für den Flughafen Berlin – Brandenburg – International ist stolz darauf, dass es bislang keinen tödlichen Unfall auf der Großbaustelle gegeben hat. Das ist auch dem strengen Sicherheitsregime zu verdanken. Rund um das 1000 Hektar große Gelände führt ein Zaun, der ständig bestreift wird. Es gibt nur zwei Ein- bzw. Ausgänge. Eine Einlasskarte bekommt nur derjenige, der einen gültigen Sozialversicherungsausweis vorzeigen kann. So bekämpfen wir die Schwarzarbeit, sagt Manfred Körtgen.
"Wir haben ein striktes Management dazu, nicht nach dem Motto, ich brauche jetzt mal einen Dauerausweis. Denn wir als Flughafen, wir haben die Verantwortung für die Baustelle, wir haben die Verantwortung, dass dort regelgerecht gearbeitet wird. Da darf man nicht sparen."
Wenn der Geschäftsführer der Berliner Flughäfen keine Zeit hat, persönlich die Baustelle zu besuchen, klickt er die Webcam im Internet an. In den nächsten Monaten wird es richtig interessant, sagt Manfred Körtgen, da kommen die größten Kräne Europas auf die Baustelle.
"Bislang hatten wir die freie Sicht über die Baustelle, das wird sich demnächst total verändern. Es entstehen Hochbauten, das Terminal entsteht, der Stahlbau fürs Terminal beginnt, und da ist die Orientierung natürlich, die Abarbeitung der einzelnen Bereiche natürlich noch anspruchsvoller."
Die Ankunfts- und Abflughalle für bis zu 25 Millionen Passagiere jährlich wächst derzeit aus dem märkischen Sand. Für den leitenden Architekten Hans-Joachim Paap bedeutet das manch schlaflose nächtliche Stunde.
"Ja, das kann man sagen, es ist ja immerhin im Moment die größte Baustelle in Europa, es gibt weniges, was da drüber geht, also es müssten schon Projekte in China sein, die größer sind."
Schwarzer Anzug, weißes offenes Hemd, darüber die vorgeschriebene gelb-grüne Signalweste – Hans-Joachim Paap führt über die Baustelle "seines" Flughafenterminals. Das Architektenbüro von Gerkan, Marg und Partner ist mit dem Bau des Flughafens Berlin-Tegel bekannt geworden, 40 Jahre später plant und baut es den Airport, der Tegel ablösen wird.
"Hier sieht man jetzt ja die Kolonnadenstruktur der Fassade aus Fertigteilen, das geht einmal um das Gebäude rum. Das zieht sich auch rum durch die Vorfahrt und ist gleichzeitig verbindendes Element zwischen Luft- und Landseite. Dieses Thema ist der traditionellen Schloss- und Gartenarchitektur Brandenburgs und Berlins entnommen."
Streng, funktional und großzügig, viel Tageslicht, wenig Schnick-Schnack - das ist das neue Terminal. Beton, Stahl und Glas sind die dominierenden Materialien außen, innen Nussbaumholz, der Fußboden aus Jurakalk. Die Leitfarbe wird ein kräftiges Dunkelrot, sagt Architekt Hans-Joachim Paap.
"Wir haben die Farbe rot gewählt, a weil es eine sehr edle Farbe ist, b weil es die Landesfarbe beider Bundesländer ist und weil diese Farbe an anderen Flughäfen selten vorkommt."
Vor zehn Jahren bereits hat der heute 48-Jährige mit der Planung des Terminals begonnen. Streitigkeiten über den richtigen Standort, gescheiterte Privatisierungen, Klagen der Anwohner – nur noch wenige glaubten an einen neuen Großflughafen in Schönefeld. Hans-Joachim Paap war einer von ihnen – jetzt wird sein früherer Optimismus belohnt.
"Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, der so befriedigend ist, vielleicht noch Mediziner. So ein Baby, was man ja gedanklich zur Welt gebracht hat, und das dann wirklich steht und stehen bleibt, und vielleicht viel länger da steht als man selber, das ist schon sehr, sehr ergreifend."
Von den umliegenden Feldern weht ein strenger Güllegeruch hinüber auf die Großbaustelle. Wir sind in Brandenburg.
Cochstedt
Von Susanne Arlt
Auf dem Hochplateau weht eine kräftige Brise. Kein Wölkchen ist am Himmel zu sehen. Bestes Flugwetter, sagt Silke Buschmann. Die Geschäftsführerin des Flughafens Cochstedt weist mit dem Finger Richtung Westen. Dort erkennt man die Umrisse des Brocken. Was der Besucher nicht sieht, sind Flugzeuge. Kein einziges weit und breit. Weder auf der Landebahn, noch am Hangar. Stattdessen stehen hier ein kilometerlanger Zaun, ein modernes Abfertigungsgebäude mit Gepäckbändern, den Schaltern für Check-in und Zollkontrolle, ein Restaurant, Flughafenbefeuerung inklusive Löschzug und ein Tower.
"Etwa über 20 Meter geht es jetzt hoch, wir haben auf jeder Etage noch Büroräume, wo die Flugleitung installiert ist oder auch die Geschäftsführung, … gleich haben wir es geschafft."
Unter der gläsernen Kanzel befindet sich ein Aufenthaltsraum. Für die Fluglotsen, erklärt Silke Buschmann. In der linken Ecke stehen zwei cremefarbene Ledersofas, auf dem Couchtisch liegen weder Zeitschriften noch verspiegelte Sonnenbrillen, stattdessen fingerdicker Staub. Oben in der Towerkanzel sind alle Systeme ausgeschaltet. Die drei Monitore für den Radar, die Wetteranzeige und die Windverhältnisse zeigen ein schwarzes Bild.
"Die seinerzeitigen Gesellschaften sind ja 2001, 2002 in die Insolvenz gegangen. Und zu dem Zeitpunkt erfolgte auch die Abschaltung der Technik. Wir haben hier den Flughafen Cochstedt dann im Sichtflug in Betrieb genommen. Das heißt, bei Schönwetter kann der Platz angeflogen werden. Auch nachts, seit 2002 ist die Technik ausgeschaltet, aber immer noch vorhanden und einsatzbereit."
Trotz des Schönwetters ist über dem Cochstedter Flughafen noch immer kein Flugzeug in Sicht Über 64 Millionen Euro flossen aus öffentlicher Hand in den vergangenen zwölf Jahren in den Flughafen Cochstedt. Der einstige russische Militärflughafen ist eine der größten Investitionsruinen Sachsen-Anhalts.
"Wir haben ja hier in Cochstedt eine 24-Stunden-Genehmigung für den Instrumentenflugbetrieb und mit der Infrastruktur, mit dem was wir alles hier vor Ort haben, mit der Technik, tut es schon sehr, sehr weh, dass wir jetzt über die Wintermonate jetzt sehr, sehr wenige Verkehre haben."
Monat November waren es gerade mal zwei Flugbewegungen.
Schier grenzenlos muss auch die Phantasie vieler Landespolitiker gewesen sein. Der damalige SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner war zuerst skeptisch, dann aber doch von der Idee angetan, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. 1997 nahm er selbst für den Baubeginn den Spaten in die Hand. Die Vision: ein Frachtdrehkreuz, die Produktion von Kleinflugzeugen, Hangars, in denen große Jets gewartet werden und viel, viel Gewerbe, das sich quasi von selbst hier ansiedelt. Da mit öffentlichen Mitteln kein Flughafenprojekt gefördert werden darf, nannte man das Bauvorhaben: Gewerbegebiet mit Landebahn.
Doch flugaffines Gewerbe siedelte sich in den vergangenen zwölf Jahren nicht an. Nur ein Unternehmen ließ sich nieder. Investoren sprangen ab, neue kamen und gingen wieder. 2002 musste die Flughafengesellschaft schließlich Insolvenz anmelden. Der damalige Manager wurde wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt. Drei Jahre später dann die überraschende Nachricht aus dem Wirtschaftsministerium: der Betrieb soll wieder aufgenommen werden. Wieder wurden Millionen investiert, Investor kamen, sahen und gingen. Die Luftfahrtbegeisterung der Landespolitiker ist längst abgekühlt. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung: Eine arabische Investmentgruppe aus Abu Dahbi will dem Flughafen neues Leben einhauchen. Für neun Millionen Euro planen die Araber, Cochstedt zu übernehmen.
Die Gemeinde Cochstedt liegt eingebettet in ein enges Tal nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. 1250 Menschen leben hier, die meisten arbeiten außerhalb. Die Arbeitslosenquote liegt bei knapp fünfzehn Prozent. Ortsbürgermeister Ullrich Dubiel, ein gemütlicher Endfünziger, ist im echten Leben Bauer. Er und sein Bruder bauen Weizen, Gerste und Gewürze an. Der Boden in Cochstedt hat Qualität, sagt Dubiel. Sein Acker kommt auf fast 100 Bodenpunkte. Die betonierten Flächen auf dem Hochplateau waren Dubiel darum schon immer ein Dorn im Auge.
"Sicher ist es ärgerlich, dass überhaupt die ganze Geschichte so gelaufen ist und dass sich das Land, sage ich mal, hat übern Tisch ziehen lassen. Also wenn man das richtig geprüft hätte, hätte so etwas eigentlich nicht passieren dürfen. Das man so ein Projekt dort hinstellt, dass von vorne herein aus der Region nicht leben kann."
Ullrich Dubiel ist Ende der 50er-Jahre nach Cochstedt gezogen. Der Militärflughafen der sowjetischen Streitkräfte war damals gerade im Bau. Erst flogen russischen Jagdflieger über die Stadt, später Hubschrauber. Heute ist es still geworden am strahlend blauen Himmel über Cochstedt. Die Nachricht von dem arabischen Investor, sagt Dubiel, habe im Dorf keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Die Hoffnung auf Arbeitsplätze wurde immer wieder zunichte gemacht, daraus haben die Cochstedter gelernt. Auch Alfred Helmniski.
"Ja wäre schön, wenn das funktionieren würde. Ich glaube eigentlich nicht mehr dran."
Flugaffines Gewerbe wird sich auch künftig nicht rund um Cochstedt ansiedeln. Dubiel schüttelt ungläubig den Kopf. Im Süden liegt der Flughafen Leipzig-Halle, Frachtdrehkreuz für die DHL, im Norden Berlin-Schönefeld. Wer oder was soll denn hier landen, fragt sich der Ortsbürgermeister und sinniert kurz mit seinem Freund darüber, was man mit soviel Millionen in Cochstedt hätte anfangen können.
"Au ja, da könnten wir hier goldene Türklinken machen. Über all auf die Hände laufen könnten wir da. 60 Millionen für Cochstedt Alfred, das wär was. Na ja und wenn es Zehne wären, ja ja."
Von dem Erlös kommt ein kleiner Teil der Gemeinde Hecklingen zugute, zu der auch Cochstedt gehört. Mit dem Geld können wir vielleicht die Schulden des Abwasserzweckverbandes tilgen, sagt Ullrich Dubiel. Vielleicht bleibt sogar ein bisschen für die Böcklinger Straße übrig. Die alte holprige Durchgangsstraße ist mit Schlaglöchern übersät.
"Man sollte ja immer optimistisch sein, als Landwirt ist man ein unverbesserlicher Optimist. Anders kann man gar nicht leben. Also von daher, vielleicht wird doch mal irgendwas werden. Wenn der aus Abu Dhabi erst mal sein Geld eingesetzt hat, dann denke ich mal, dass ihm das ganze egal sein wird, was mit seinem Geld passiert, das wahrscheinlich nicht. Aber dass das in nächster Zeit passiert, also das bezweifele ich."
Dieselben Zweifel hat auch Angelika Klein, finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Auch ihre Partei unterstütze damals den Ausbau des ehemaligen Militärflughafens. Nach dem Mauerfall blühten eben auch die Ideen, sagt Klein. Von der Saat Cochstedt ist nichts aufgegangen. Und ob zukünftig dort etwas aufgeht, Angelika Klein schaut skeptisch drein.
"Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was ein Emirat mit dem Flughafen in Cochstedt will. Vielleicht ist es eine gute Geldanlage, vielleicht hoffen auch sie, dass sie irgendwie stärker ins europäische Geschäft einsteigen und mit Cochstedt sehr preiswert gekriegt haben, dann einen Umschlagplatz aufbauen, der sich für sie selber rentiert."
Fachkreise bezweifeln dies indes. Wolf-Dietrich von Helldorf, Sprecher der deutschen Luftfrachtspediteure, findet die Idee eines Frachtdrehkreuzes in Cochstedt grotesk. Zum einen, weil die Luftfracht in Deutschland zu 95 Prozent von einer Handvoll Spediteuren kontrolliert wird und die sitzen in Frankfurt am Main, München oder Stuttgart. Und zum anderen, weil die Hälfte aller Frachten in Passagierflugzeugen transportiert wird. Fluggäste können aber schon heute vom 100 Kilometer entfernten Flughafen Leipzig-Halle in alle Welt fliegen. Wirtschaftsstaatsekretär Detlef Schubert, der den Deal mit den Arabern perfekt machte, weist die Kritik von sich. Die Investmentgruppe aus Abu Dhabi sei Mitglied einiger Fluggesellschaften. Womöglich will der neue Investor eine Flugschule in Cochstedt aufbauen oder Reparaturen durchführen lassen. Doch erst in drei Jahren sollen die Ideen in die Tat umgesetzt werden.
"Und diese drei Jahre habe ich ihm zugestanden, weil man sagen muss, dass es ja nun nicht Investoren gibt, die uns die Hütte einrennen. Ich kann mir vorstellen, dass dieser kleine Flughafen ein Nischendasein führen wird. Und so kann ein Investor Freude haben, wenn er das intelligent macht. Und das ist eine Chance für uns, das ist ein Chance für sagen wir mal 200 bis 400 Arbeitsplätzen in zehn Jahren. Nicht mehr und nicht weniger."
Auf dem Flughafen Cochstedt sieht man noch immer kein einziges Flugzeug weit und breit. Nur in 3000 Meter Höhe fliegen geräuschlos Jets vorbei, malen weiße Kondensstreifen in den strahlend blauen Himmel. Und in 30 Meter Höhe zieht ein Roter Milan ungestört seine Kreise.
Von Claudia van Laak
Genau 171 Stufen müssen überwunden werden, um einen Überblick zu gewinnen. 171 Stufen den Aussichtsturm hinauf, dann liegt den Betrachtern eine der derzeit größten Baustellen Europas zu Füßen. Im Norden der Berliner Stadtrand – weiße Hochhäuser recken sich in den Frühlingshimmel. Davor der alte DDR-Flughafen Schönefeld – hier startet gerade ein Billigflieger.
"Gut, dann würde ich Sie bitten, mal hierher zu kommen. Geradeaus zu die weiß-orangefarbenen Pylonen, das modernste Betonmischwerk Europas, was hier errichtet worden ist für diese Baustelle."
Richtung Süden tanzen 33 blaue, schwarze, grüne und rote Kräne. Brücken, die noch im Nichts enden. Kipper und Lkws so groß wie Spielzeugautos. Am Horizont märkische Felder, Wiesen und Wälder.
"Gut, wir gehen zum aktuellen Baugeschehen, schauen in Richtung Süden. Das rechte Brückenbauwerk hatten wir gesehen, auf der Straße dahinten sind wir mit dem Bus gefahren, sie führt später bis zum Terminal."
Auch nachts geht das Kranballett weiter. Mit den ersten milden Frühlingstemperaturen hat die Terminal-Bauleitung vom Zwei- auf den Drei-Schicht-Betrieb umgestellt – montags bis freitags wird jetzt rund um die Uhr gearbeitet. 2000 Bauleute verdienen im Moment ihr Geld auf der BBI-Baustelle, im Sommer werden es 3000 sein.
"Es ist erstmal eine große Herausforderung, an so einer Baustelle mit teilzuhaben, mitzuwirken, das ist schon nicht alltäglich und diese Herausforderung muss man einfach annehmen, da muss man sagen, jawoll, das machen wir, und dann geht es los."
Jörg Below schiebt sich den weißen Bauhelm aus der Stirn. Der sportliche 46-Jährige ist für den Rohbau des Bahnhofs verantwortlich, der sich unter dem Flughafenterminal befindet.
"Das ganze Bauwerk ist 3,1 Kilometer lang, wir verbauen ja hier über 110 Millionen Euro in einer Bauzeit von fast 4 Jahren, das sind schon Größenordnungen, die sind ganz einfach gigantisch, und die Herausforderung muss man einfach annehmen und mit seinen Aufgaben wächst man."
Bauleiter Below stapft eine alte Pflasterstraße entlang – eine letzte Erinnerung an das Dorf Diepensee, das sich früher hier befand. Die 335 Dorfbewohner wurden in das nah gelegene Königs Wusterhausen umgesiedelt. Die Diepenseer Schweinemastanlage hat die Bauleute noch lange begleitet. Als wir mit dem Erdaushub begonnen haben, fing es an zu stinken, sagt Bauingenieur Below.
"Da hat es hier immer gerochen hier, fürchterlich, nach Ammoniak, und diese ganzen Stickstoffverbindungen, die Erklärung war eindeutig, das war diese Schweinemastanlage."
Jörg Below klettert die Böschung hinunter in den Tunnel. Hier sollen Ende 2011 die S-Bahnen im Zehn-Minuten-Takt den Flughafenbahnhof anfahren.
Ein Klingelsignal warnt vor einem herannahenden Kran.
"Wenn der Kran rückwärts fährt oder vorwärts fährt, die Kräne fahren ja hier auf Gleisen, dann gibt es hier ein akustisches Signal, also ein Warnsignal, Achtung Leute, ich fahr jetzt hier."
An der Seitenwand des Tunnels sind Eisenflechter am Werk. Bevor der Beton fließen kann, prüft jemand ihre Arbeit. Bewehrungsabnahme heißt das, sagt ein großgewachsener Mann mit bayerischem Akzent. Eine Bauzeichnung in der Hand steht er vor dem Flechtwerk.
"Wir prüfen nach, ob die Eisen da eingebaut sind wo sie hingehören, und dass die Fugenbänder und die Fugenbleche, ob alles da sitzt, wo es sitzen muss zum Schluss. Wenn wir freigeben, dann kann die Schalung zugestellt werden und dann kann der Beton fließen morgen."
Inzwischen wirft Bauleiter Below einen Blick auf die frisch gegossene Betonwand auf der anderen Seite des Tunnels. Sie muss absolut wasserdicht sein. Wenn der Flughafen fertig ist, werden die Grundwasserpumpen abgestellt und das Wasser steigt wieder an. Jörg Below blickt auf seine Armbanduhr. Die Zeit drängt.
"Ich hab jetzt in gut einer halben Stunde die nächste Abnahme, also als Bauleiter muss man ja auch auf die Qualität achten, sind die Bauleistungen auch entsprechend der Planung gebaut worden, und dann haben wir hier eine Bauüberwachung, mit der Bauüberwachung muss ich Abnahmen machen, schreiben wir ein Abnahmeprotokoll, und das steht jetzt gleich an."
Bauabnahme für Jörg Below, Pfefferhacksteak mit Bratkartoffeln für die Arbeiter in der Baustellenkantine im Container.
Uwe Noga und seine Kollegen sitzen vor ihren geleerten Tellern. Noch einen Kaffee, dann geht es weiter. Die 30 Männer aus Thüringen sind für den Bau der Pipelines zuständig, durch die später der Treibstoff für die Flugzeuge fließt.
"Früher wurde getankt mit einem Tankwagen, und heute wird das alles per Leitung gemacht, wird dann alles draußen getankt. Wir bauen hier die Kerosinleitung, die Kraftstoffversorgung für die Flugzeuge."
Von Montag bis Freitag sind die Bauarbeiter in Schönefeld, am Wochenende fahren sie nach Hause ins thüringische Jena. Seit einem Jahr schon wohnen sie auf einem Campingplatz in der Nähe der Großbaustelle.
"Wir haben hier ein Camp in Mittenwalde, wir haben fast alle Privatwohnwagen, und abends sitzen wir alle treu und alleine im Wohnwagen, das ist billiger als in der Pension."
Neben dem Kantinencontainer steht ein weißer Pavillon, über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift "Sensibler Bereich". Hier fließt das Bier. Aber nur zweimal in der Woche und auch nur nach der Arbeit von 17 bis 20 Uhr, klärt Manfred Körtgen auf, Geschäftsführer der Berliner Flughäfen.
"Und die Idee, wie nennen wir das, sensibler Bereich, das habe ich in den Raum geworfen, kein Alkohol, nur an dieser Stelle und nur kontrolliert und wir haben das bis heute durchgehalten, es gab keine Beschwerden, es gab keine Verletzungen."
Der Bauarbeiter mit der Bierflasche in der Hand, diese landläufige Vorstellung gehört schon lange der Vergangenheit an, erklärt Manfred Körtgen. Der Verantwortliche für den Flughafen Berlin – Brandenburg – International ist stolz darauf, dass es bislang keinen tödlichen Unfall auf der Großbaustelle gegeben hat. Das ist auch dem strengen Sicherheitsregime zu verdanken. Rund um das 1000 Hektar große Gelände führt ein Zaun, der ständig bestreift wird. Es gibt nur zwei Ein- bzw. Ausgänge. Eine Einlasskarte bekommt nur derjenige, der einen gültigen Sozialversicherungsausweis vorzeigen kann. So bekämpfen wir die Schwarzarbeit, sagt Manfred Körtgen.
"Wir haben ein striktes Management dazu, nicht nach dem Motto, ich brauche jetzt mal einen Dauerausweis. Denn wir als Flughafen, wir haben die Verantwortung für die Baustelle, wir haben die Verantwortung, dass dort regelgerecht gearbeitet wird. Da darf man nicht sparen."
Wenn der Geschäftsführer der Berliner Flughäfen keine Zeit hat, persönlich die Baustelle zu besuchen, klickt er die Webcam im Internet an. In den nächsten Monaten wird es richtig interessant, sagt Manfred Körtgen, da kommen die größten Kräne Europas auf die Baustelle.
"Bislang hatten wir die freie Sicht über die Baustelle, das wird sich demnächst total verändern. Es entstehen Hochbauten, das Terminal entsteht, der Stahlbau fürs Terminal beginnt, und da ist die Orientierung natürlich, die Abarbeitung der einzelnen Bereiche natürlich noch anspruchsvoller."
Die Ankunfts- und Abflughalle für bis zu 25 Millionen Passagiere jährlich wächst derzeit aus dem märkischen Sand. Für den leitenden Architekten Hans-Joachim Paap bedeutet das manch schlaflose nächtliche Stunde.
"Ja, das kann man sagen, es ist ja immerhin im Moment die größte Baustelle in Europa, es gibt weniges, was da drüber geht, also es müssten schon Projekte in China sein, die größer sind."
Schwarzer Anzug, weißes offenes Hemd, darüber die vorgeschriebene gelb-grüne Signalweste – Hans-Joachim Paap führt über die Baustelle "seines" Flughafenterminals. Das Architektenbüro von Gerkan, Marg und Partner ist mit dem Bau des Flughafens Berlin-Tegel bekannt geworden, 40 Jahre später plant und baut es den Airport, der Tegel ablösen wird.
"Hier sieht man jetzt ja die Kolonnadenstruktur der Fassade aus Fertigteilen, das geht einmal um das Gebäude rum. Das zieht sich auch rum durch die Vorfahrt und ist gleichzeitig verbindendes Element zwischen Luft- und Landseite. Dieses Thema ist der traditionellen Schloss- und Gartenarchitektur Brandenburgs und Berlins entnommen."
Streng, funktional und großzügig, viel Tageslicht, wenig Schnick-Schnack - das ist das neue Terminal. Beton, Stahl und Glas sind die dominierenden Materialien außen, innen Nussbaumholz, der Fußboden aus Jurakalk. Die Leitfarbe wird ein kräftiges Dunkelrot, sagt Architekt Hans-Joachim Paap.
"Wir haben die Farbe rot gewählt, a weil es eine sehr edle Farbe ist, b weil es die Landesfarbe beider Bundesländer ist und weil diese Farbe an anderen Flughäfen selten vorkommt."
Vor zehn Jahren bereits hat der heute 48-Jährige mit der Planung des Terminals begonnen. Streitigkeiten über den richtigen Standort, gescheiterte Privatisierungen, Klagen der Anwohner – nur noch wenige glaubten an einen neuen Großflughafen in Schönefeld. Hans-Joachim Paap war einer von ihnen – jetzt wird sein früherer Optimismus belohnt.
"Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, der so befriedigend ist, vielleicht noch Mediziner. So ein Baby, was man ja gedanklich zur Welt gebracht hat, und das dann wirklich steht und stehen bleibt, und vielleicht viel länger da steht als man selber, das ist schon sehr, sehr ergreifend."
Von den umliegenden Feldern weht ein strenger Güllegeruch hinüber auf die Großbaustelle. Wir sind in Brandenburg.
Cochstedt
Von Susanne Arlt
Auf dem Hochplateau weht eine kräftige Brise. Kein Wölkchen ist am Himmel zu sehen. Bestes Flugwetter, sagt Silke Buschmann. Die Geschäftsführerin des Flughafens Cochstedt weist mit dem Finger Richtung Westen. Dort erkennt man die Umrisse des Brocken. Was der Besucher nicht sieht, sind Flugzeuge. Kein einziges weit und breit. Weder auf der Landebahn, noch am Hangar. Stattdessen stehen hier ein kilometerlanger Zaun, ein modernes Abfertigungsgebäude mit Gepäckbändern, den Schaltern für Check-in und Zollkontrolle, ein Restaurant, Flughafenbefeuerung inklusive Löschzug und ein Tower.
"Etwa über 20 Meter geht es jetzt hoch, wir haben auf jeder Etage noch Büroräume, wo die Flugleitung installiert ist oder auch die Geschäftsführung, … gleich haben wir es geschafft."
Unter der gläsernen Kanzel befindet sich ein Aufenthaltsraum. Für die Fluglotsen, erklärt Silke Buschmann. In der linken Ecke stehen zwei cremefarbene Ledersofas, auf dem Couchtisch liegen weder Zeitschriften noch verspiegelte Sonnenbrillen, stattdessen fingerdicker Staub. Oben in der Towerkanzel sind alle Systeme ausgeschaltet. Die drei Monitore für den Radar, die Wetteranzeige und die Windverhältnisse zeigen ein schwarzes Bild.
"Die seinerzeitigen Gesellschaften sind ja 2001, 2002 in die Insolvenz gegangen. Und zu dem Zeitpunkt erfolgte auch die Abschaltung der Technik. Wir haben hier den Flughafen Cochstedt dann im Sichtflug in Betrieb genommen. Das heißt, bei Schönwetter kann der Platz angeflogen werden. Auch nachts, seit 2002 ist die Technik ausgeschaltet, aber immer noch vorhanden und einsatzbereit."
Trotz des Schönwetters ist über dem Cochstedter Flughafen noch immer kein Flugzeug in Sicht Über 64 Millionen Euro flossen aus öffentlicher Hand in den vergangenen zwölf Jahren in den Flughafen Cochstedt. Der einstige russische Militärflughafen ist eine der größten Investitionsruinen Sachsen-Anhalts.
"Wir haben ja hier in Cochstedt eine 24-Stunden-Genehmigung für den Instrumentenflugbetrieb und mit der Infrastruktur, mit dem was wir alles hier vor Ort haben, mit der Technik, tut es schon sehr, sehr weh, dass wir jetzt über die Wintermonate jetzt sehr, sehr wenige Verkehre haben."
Monat November waren es gerade mal zwei Flugbewegungen.
Schier grenzenlos muss auch die Phantasie vieler Landespolitiker gewesen sein. Der damalige SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner war zuerst skeptisch, dann aber doch von der Idee angetan, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. 1997 nahm er selbst für den Baubeginn den Spaten in die Hand. Die Vision: ein Frachtdrehkreuz, die Produktion von Kleinflugzeugen, Hangars, in denen große Jets gewartet werden und viel, viel Gewerbe, das sich quasi von selbst hier ansiedelt. Da mit öffentlichen Mitteln kein Flughafenprojekt gefördert werden darf, nannte man das Bauvorhaben: Gewerbegebiet mit Landebahn.
Doch flugaffines Gewerbe siedelte sich in den vergangenen zwölf Jahren nicht an. Nur ein Unternehmen ließ sich nieder. Investoren sprangen ab, neue kamen und gingen wieder. 2002 musste die Flughafengesellschaft schließlich Insolvenz anmelden. Der damalige Manager wurde wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt. Drei Jahre später dann die überraschende Nachricht aus dem Wirtschaftsministerium: der Betrieb soll wieder aufgenommen werden. Wieder wurden Millionen investiert, Investor kamen, sahen und gingen. Die Luftfahrtbegeisterung der Landespolitiker ist längst abgekühlt. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung: Eine arabische Investmentgruppe aus Abu Dahbi will dem Flughafen neues Leben einhauchen. Für neun Millionen Euro planen die Araber, Cochstedt zu übernehmen.
Die Gemeinde Cochstedt liegt eingebettet in ein enges Tal nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. 1250 Menschen leben hier, die meisten arbeiten außerhalb. Die Arbeitslosenquote liegt bei knapp fünfzehn Prozent. Ortsbürgermeister Ullrich Dubiel, ein gemütlicher Endfünziger, ist im echten Leben Bauer. Er und sein Bruder bauen Weizen, Gerste und Gewürze an. Der Boden in Cochstedt hat Qualität, sagt Dubiel. Sein Acker kommt auf fast 100 Bodenpunkte. Die betonierten Flächen auf dem Hochplateau waren Dubiel darum schon immer ein Dorn im Auge.
"Sicher ist es ärgerlich, dass überhaupt die ganze Geschichte so gelaufen ist und dass sich das Land, sage ich mal, hat übern Tisch ziehen lassen. Also wenn man das richtig geprüft hätte, hätte so etwas eigentlich nicht passieren dürfen. Das man so ein Projekt dort hinstellt, dass von vorne herein aus der Region nicht leben kann."
Ullrich Dubiel ist Ende der 50er-Jahre nach Cochstedt gezogen. Der Militärflughafen der sowjetischen Streitkräfte war damals gerade im Bau. Erst flogen russischen Jagdflieger über die Stadt, später Hubschrauber. Heute ist es still geworden am strahlend blauen Himmel über Cochstedt. Die Nachricht von dem arabischen Investor, sagt Dubiel, habe im Dorf keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Die Hoffnung auf Arbeitsplätze wurde immer wieder zunichte gemacht, daraus haben die Cochstedter gelernt. Auch Alfred Helmniski.
"Ja wäre schön, wenn das funktionieren würde. Ich glaube eigentlich nicht mehr dran."
Flugaffines Gewerbe wird sich auch künftig nicht rund um Cochstedt ansiedeln. Dubiel schüttelt ungläubig den Kopf. Im Süden liegt der Flughafen Leipzig-Halle, Frachtdrehkreuz für die DHL, im Norden Berlin-Schönefeld. Wer oder was soll denn hier landen, fragt sich der Ortsbürgermeister und sinniert kurz mit seinem Freund darüber, was man mit soviel Millionen in Cochstedt hätte anfangen können.
"Au ja, da könnten wir hier goldene Türklinken machen. Über all auf die Hände laufen könnten wir da. 60 Millionen für Cochstedt Alfred, das wär was. Na ja und wenn es Zehne wären, ja ja."
Von dem Erlös kommt ein kleiner Teil der Gemeinde Hecklingen zugute, zu der auch Cochstedt gehört. Mit dem Geld können wir vielleicht die Schulden des Abwasserzweckverbandes tilgen, sagt Ullrich Dubiel. Vielleicht bleibt sogar ein bisschen für die Böcklinger Straße übrig. Die alte holprige Durchgangsstraße ist mit Schlaglöchern übersät.
"Man sollte ja immer optimistisch sein, als Landwirt ist man ein unverbesserlicher Optimist. Anders kann man gar nicht leben. Also von daher, vielleicht wird doch mal irgendwas werden. Wenn der aus Abu Dhabi erst mal sein Geld eingesetzt hat, dann denke ich mal, dass ihm das ganze egal sein wird, was mit seinem Geld passiert, das wahrscheinlich nicht. Aber dass das in nächster Zeit passiert, also das bezweifele ich."
Dieselben Zweifel hat auch Angelika Klein, finanzpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Auch ihre Partei unterstütze damals den Ausbau des ehemaligen Militärflughafens. Nach dem Mauerfall blühten eben auch die Ideen, sagt Klein. Von der Saat Cochstedt ist nichts aufgegangen. Und ob zukünftig dort etwas aufgeht, Angelika Klein schaut skeptisch drein.
"Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was ein Emirat mit dem Flughafen in Cochstedt will. Vielleicht ist es eine gute Geldanlage, vielleicht hoffen auch sie, dass sie irgendwie stärker ins europäische Geschäft einsteigen und mit Cochstedt sehr preiswert gekriegt haben, dann einen Umschlagplatz aufbauen, der sich für sie selber rentiert."
Fachkreise bezweifeln dies indes. Wolf-Dietrich von Helldorf, Sprecher der deutschen Luftfrachtspediteure, findet die Idee eines Frachtdrehkreuzes in Cochstedt grotesk. Zum einen, weil die Luftfracht in Deutschland zu 95 Prozent von einer Handvoll Spediteuren kontrolliert wird und die sitzen in Frankfurt am Main, München oder Stuttgart. Und zum anderen, weil die Hälfte aller Frachten in Passagierflugzeugen transportiert wird. Fluggäste können aber schon heute vom 100 Kilometer entfernten Flughafen Leipzig-Halle in alle Welt fliegen. Wirtschaftsstaatsekretär Detlef Schubert, der den Deal mit den Arabern perfekt machte, weist die Kritik von sich. Die Investmentgruppe aus Abu Dhabi sei Mitglied einiger Fluggesellschaften. Womöglich will der neue Investor eine Flugschule in Cochstedt aufbauen oder Reparaturen durchführen lassen. Doch erst in drei Jahren sollen die Ideen in die Tat umgesetzt werden.
"Und diese drei Jahre habe ich ihm zugestanden, weil man sagen muss, dass es ja nun nicht Investoren gibt, die uns die Hütte einrennen. Ich kann mir vorstellen, dass dieser kleine Flughafen ein Nischendasein führen wird. Und so kann ein Investor Freude haben, wenn er das intelligent macht. Und das ist eine Chance für uns, das ist ein Chance für sagen wir mal 200 bis 400 Arbeitsplätzen in zehn Jahren. Nicht mehr und nicht weniger."
Auf dem Flughafen Cochstedt sieht man noch immer kein einziges Flugzeug weit und breit. Nur in 3000 Meter Höhe fliegen geräuschlos Jets vorbei, malen weiße Kondensstreifen in den strahlend blauen Himmel. Und in 30 Meter Höhe zieht ein Roter Milan ungestört seine Kreise.