"Man hatte Freude an der Gefahr"
August Euler war der erste Deutsche, dem ein offiziell anerkannter Motorflug gelang. Das war 1909 – seitdem entwickelte und testete er mehr als 40 Flugzeugtypen. Seine Leidenschaft beschrieb er im Rückblick so: "Wir haben jetzt mit der Luft zu tun! Die werden wir erobern."
"Na, es war eine Sache der Freude. Man hat sich für sein Geld damals – das war eine andere Welt! – hat man sich für sein redlich verdientes Geld Gefahren gekauft, weil man Freude an der Gefahr hatte!"
Es waren Männer vom Kaliber August Eulers, die die Fliegerei auf den Weg brachten. In einem Radiogespräch erinnerte sich der 82-Jährige: "Das war der Ausgangspunkt, die Liebe zum Erlebnis, zum Neuen, zum Großen, dessen Zukunft man auch sah und sagte: Wir haben jetzt mit der Luft zu tun! Die werden wir erobern und werden sie der Welt dann schenken. Und dann gehen wir. Da gab’s keine Doppelsteuerung, da hing man mit den Beinen in der Luft, und wenn man zu tief und zu schnell heruntergehen wollte, da fiel man raus!"
Autorennfahrer und Nähmaschinenverkäufer
Als August Euler am 20. November 1868 in Oelde in Westfalen geboren wurde, lag das Fliegen noch in weiter Ferne. Als junger Mann fuhr er Radrennen, unter anderem im Berliner Sportpalast; später machte er sich als Autorennfahrer einen Namen. Seine technischen und kaufmännischen Kenntnisse eignete er sich im Selbststudium an.
Als allein bevollmächtigter Vertreter mehrerer großer Hersteller verkaufte er Fahrräder, Nähmaschinen, Kugellager und Kraftfahrzeuge. Euler reiste in viele europäische und außereuropäische Länder – und verdiente damit gutes Geld. 1904 ließ er sich in Frankfurt mit einer eigenen Automobilteilefirma nieder. 1908 gründete er die erste deutsche Flugzeugfabrik. Euler hat dafür alles riskiert.
"Die Menschheit hat das natürlich ganz anders beurteilt damals. Die hat gesagt: Dieser wahnsinnige Mann, der Herr Euler, der verpulvert da so viele Millionen Geld – aus Begeisterung. Warum? Weshalb? Wieso?"
Euler hatte in Frankreich einen Doppeldecker gekauft, den er in Lizenz nachbauen wollte. Als sich das Modell als fluguntauglich erwies, baute er sich nach französischen Plänen ein neues, besseres Flugzeug aus eigenen Materialien. Als Fabrik- und Trainingsgelände diente ihm ein Truppenübungsplatz in der Nähe von Darmstadt.
"Eines schönen Tages war an einer Stelle ein Buckel unter dem Gras. Und da fühlte ich, dass das Ding anfing zu fliegen und von der Erde wegging."
Am 20. August 1909 gelang Euler bei der ILA, der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung in Frankfurt, als erstem Deutschen ein offiziell anerkannter Motorflug: In 20 Sekunden flog er etwa 500 Meter weit.
Im Oktober schaffte er bereits viereinhalb Kilometer, im Dezember machte er als erster Deutscher einen Pilotenschein. Zwar hatte auch Euler so manche Bruchlandung hingelegt. Aber das kümmerte ihn nicht. "Wer das Leben ernst nimmt, hat es Dreiviertel verloren!" Mehr als 40 verschiedene Flugzeugtypen hat Euler entwickelt und selber eingeflogen. Vor allem Adlige und Offiziere lernten bei ihm das Fliegen, darunter Prinz Heinrich von Preußen, der jüngere Bruder Kaiser Wilhelms II.
Erster amtlicher Luftpostliniendienst
Im Mai 1912 eröffnete Euler in Frankfurt-Niederrad einen eigenen Flugplatz mit einer großen Flugzeugwerft. Wenig später startete von dort, auf Eulers Initiative hin, der erste amtliche Luftpostliniendienst – eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der hessischen "Zentrale für Mütter und Säuglingsfürsorge".
"Diese schnelle und zuverlässige Beförderung der Postsachen läßt schon jetzt erkennen, daß es sich hier nicht um eine Sportspielerei handelt, sondern daß das Flugzeug auch auf diesem Gebiete zu den schönsten Hoffnungen berechtigt", schrieb der Flugpionier Oskar Ursinus über die gelungene, von vielen Zuschauern umjubelte Aktion.
Euler warb für den Aufbau einer deutschen Luftstreitmacht; während des Ersten Weltkriegs belieferte er das Militär. Nach dem Krieg wurde seine Flugzeugfabrik geschlossen. Euler ging als Leiter des neuen Reichsluftamtes nach Berlin, wo er sich für eine Wiederaufnahme der zivilen Luftfahrt engagierte.
Mit 54 in den Ruhestand
1922, im Alter von 54 Jahren zog er sich ins Privatleben zurück. In Menzenschwand im Schwarzwald, wo er sich ein großes Haus gebaut hatte, genoss Euler – ein passionierter Tennisspieler, Skifahrer, Tänzer und Sänger – seinen Ruhestand.
Von den Nazis hat sich der "tolle Euler", der 1957 starb, nicht vereinnahmen lassen. Einem so eigenwilligen Charakter konnte jede Form der Parteilichkeit nur zuwider sein.