Wie sich die Generation Greta das Reisen vorstellt
05:35 Minuten
Mal eben übers Wochenende nach Barcelona, London, Paris: Für viele junge Leute sind Flugreisen etwas Selbstverständliches. Führt die #FridaysforFuture-Bewegung zu einem Umdenken? Oder fällt der Verzicht aufs Fliegen den jungen Kosmopoliten zu schwer?
Sardinien. Hinflug 5.7., Rückflug 9.7. Drei Personen 175 Euro. Super Preis! In die Freude über den unglaublich günstigen Flug drängt sich schnell mein schlechtes Gewissen: Fliegen ist ökologisch wirklich das allerletzte und seit "FridaysforFuture" kann ich das zumindest gedanklich nicht mehr ignorieren.
Doch vor meinem Sohn muss ich den Flug nicht geheimhalten. Er geht nicht zu den Demos. "Weil ich keine Lust habe und ich denke, sobald Ferienbeginn ist, wird da eh nicht mehr so viel passieren. Also ist es demnach eh zwecklos", erklärt er. "Schau es dir doch mal an!", sage ich.
Fliegen gehörte für viele Jugendliche von Anfang an dazu
Am Rand von "FridaysforFuture" wird mir klar: Mein Sohn ist eigentlich ein Prototyp der Proteste. Mit 17 liegt er altersgerecht genau in der Kerngruppe der Demonstrierenden. Und während ich für meinen ersten Flug nach San Francisco lange gespart habe, ist Milan schon zwölf Mal geflogen. Fliegen gehört für viele Kinder und Jugendlichen hier von Anfang an zu ihrem Leben selbstverständlich mit dazu. Der Klimawandel auch!
"In der Tat haben wir eine gewisse Paradoxie, dass gerade junge, ökologisch ausgerichtete Leute, die jedes Gramm Plastik sparen, jede Kilowattstunde Strom sparen, zum Teil mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nach Barcelona fliegen, um alte Erasmusfreunde zu besuchen oder nach Feuerland zum Wandern fliegen", sagt Felix Ekardt. Er leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig. Er weiß genau, dass der Verzicht auf das Fliegen vielen schwer fällt.
"Das ist eine sehr große Herausforderungen gerade für junge, relativ wohlhabende, relativ gebildete, relativ kosmopolitisch eingestellte Menschen. Das ist genau das Wählerpotenzial zum Beispiel auch der Grünen und das bildet sich auch in der Schülerschaft so ab."
"Ich will noch Thailand abklappern, danach muss ich Südamerika abklappern. Ja, da hat sich auch schon so etwas entwickelt, dass man sammelt", sagt ein Mädchen. Ein anderes meint:
"Ich stehe da sehr im Konflikt mit mir selbst. Ich lehne Fliegen eigentlich komplett ab, möchte aber trotzdem die Welt sehen und reisen. In manche Länder geht es nur mit dem Flugzeug."
Und ein Junge räumt ein: "Ich mache mir da schon Gedanken drüber. Vor allem bei den letzten Flugreisen, die ich gemacht habe, habe ich mir auch online angeschaut, wie die Preise für diese CO2-Kompensation sind."
Ansätze für ein Umdenken
"Könnt ihr euch radikal vorstellen, nicht mehr zu fliegen?", frage ich.
"Ich bin die letzte Zeit ziemlich viel geflogen und auf einmal ist mir das aufgefallen, dass es schlecht ist für die Umwelt", sagt ein junge Frau. "Dann habe ich mir mehr Gedanken gemacht: Okay. Ich muss nicht unbedingt fliegen. Es gibt super viele Orte in Deutschland, in Europa, die toll sind, die man total gut mit dem Zug erreichen kann."
Eine andere meint: "Wo ich es auch schön finde, bei sich im Heimatland wirklich zu bleiben und mal nach Brandenburg einfach Ausflüge zu machen."
Kann das regionale Erlebnis die Fernreise toppen? Kurz gesagt: Kann Brandenburg exotisch sein? Die vielen hippen Publikationen, in denen zum Beispiel Brennnesseln wie geheimnisvolle Pflanzen behandelt werden und das Wandern zum neuen Trend erhoben wird, lassen ahnen, dass die Fernreise ihr Image als sinnstiftendes Element verliert – auch wenn die Zahlen der Flugreisen etwas anderes sagen.
"Das ist auch eine Form der inneren Leere, wenn man glaubt, durch dieses Schweifen in die Ferne könne man Dinge finden, die man letzten Endes in sich selber finden muss", sagt Felix Ekardt.
Reisen wir irgendwann nur noch virtuell?
Um mich selber zu finden, muss ich vielleicht nicht in die Ferne schweifen. Doch was ist mit meinen Freunden in Kalifornien? Und dem Realitätscheck vor Ort? Reisen nach Amerika, nach Afrika oder auch in die Türkei haben meinen Blick auf das politische Weltgeschehen und auf die eigene Lebenswirklichkeit verändert.
"Es ist eine schwierige Frage, ob sich das Verhältniszu anderen Ländern verändern wird", sagt ein Mädchen. Und Felix Ekardt betont:
"Niemand will zurück in die Zeit des europäischen Nationalismus, insofern ist internationaler Austausch natürlich wichtig. Es ist auch eine Ambivalenz, die da drin steckt, wenn wir sagen, das Fliegen muss weniger werden oder sogar weitgehend komplett verschwinden."
Die Generation Greta hat darauf noch eine andere Antwort parat:
"Wir haben heute das Glück, dass wir Internet haben. Wir sind eine ganz neue Generation, wir sind in einer ganz neuen Ära. Wir brauchen nicht mehr um die Welt zu reisen in ferne Länder. Wir können das sehen mit Google Maps, wir können mit anderen Leuten sprechen, ohne neben denen zu sein. Mit dem Internet, das ist einfach viel bessere Möglichkeit, die viel weniger CO2 nutzt. Es nutzt immer CO2, aber viel weniger als Fliegen."
Werden wir also vom Rechner aus die Welt betrachten, uns praktisch in die Ferne beamen? Wenn ich an meine Reisen denken, war es immer mein Körper, der über Geruch und Wärmeempfinden schon beim Ausstieg aus dem Flugzeug signalisierte: Wow, das ist hier ist eine völlig andere Nummer!
Vielleicht können wir uns diese Erfahrungen bald nicht mehr leisten.