Föderales Vorspiel zu Wiedervereinigung
Das Ergebnis der ersten freien Wahlen zur DDR-Volkskammer im März 1990 hat gezeigt, dass die Mehrheit der DDR-Bürger ein vereinigtes Deutschland will. Und dazu gehörte auch die Auflösung der zentralistischen Strukturen zugunsten eines föderalen Ländersystems.
"Ich rufe auf: Tagesordnungspunkt 1. Zweite Lesung des vom Ministerrat eingebrachten Verfassungsgesetzentwurfs zur Bildung von Ländern in der DDR, Ländereinführungsgesetz."
Reinhard Höppner, Vizepräsident der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Als erstem Redner erteilt er an diesem 22. Juli 1990 dem SPD-Abgeordneten und Vertreter des Ausschusses für Verfassung und Verwaltungsreform, Volker Schemmel, das Wort:
"Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir erleben heute im Parlament eine historische Stunde. Die Bürgerinnen und Bürger der DDR errichten als föderative Elemente Länder, deren verfassungsmäßige Ordnung den Grundsätzen eines republikanischen, freiheitlichen, demokratischen, sozialen und ökologisch orientierten Rechtsstaats entsprechen muss."
Mit diesem Gesetz ebnet die erst im April 1990 konstituierte Volkskammer den Weg zur Wiedervereinigung – so der Historiker Michael Lemke vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
"Die Sache war insofern klar, es würde ein Gesamtdeutschland wieder geben, zu dieser Zeit zumindest war das klar. Und wenn dem so ist, und die DDR sozusagen in den Geltungsbereich des Grundgesetzes kommt, müsste sie auch – und das war ganz unbestritten – das föderalistische Prinzip der Bundesrepublik einführen, beziehungsweise wieder einführen, denn wir hatten ja fünf Länder schon in der DDR bis 1952."
Im Sommer 1952 hatte die erste DDR-Volkskammer ein Gesetz verabschiedet, das - wie es hieß - das alte vom kaiserlichen Deutschland stammende föderale System abschaffen sollte. Es sei zu einer Fessel der neuen Entwicklung geworden.
"1952, da wurden die letzten Messen gesungen auch für die fünf Länder. Diese Länderverfassung passte nicht mehr ins System und das System war 'ne Diktatur. Ein hoch zentralisierter Staat, von Berlin aus geleitet von bestimmten Ministerien, Zentralverwaltungen, wie sie sich denn auch nannten. Und da waren Länder und Länderverfassungen, waren Länderparlamente, Länderregierungen eigentlich nicht mehr ins Konzept passend, sie mussten weg. Jetzt wurde alles nach dem zentralistischen System her von der SED von Berlin aus gemacht und damit hatte sich das, so war auch immer die Begründung der SED, historisch überlebt."
Das "Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR" gliederte die DDR in 15 neue Verwaltungsbezirke. Mit der Zentralisierung sollten auch die Länderidentitäten zerschlagen werden. Doch 38 Jahre später, im Sommer 1990, zeigten die Debatten über das Ländereinführungsgesetz, dass das nicht gelungen war. Volker Schemmel:
"Dem Ländereinführungsgesetz ist eine umfassende Diskussion vorausgegangen. Vorherrschende Themen waren Struktur und Anzahl der zu bildenden Länder. Zu dieser Thematik gingen dem Ministerium für regionale und kommunale Angelegenheiten bzw. dem federführenden Ausschuss über 2000 Vorschläge bzw. Anregungen zu."
Vor allem die Frage, welche Städte Sitz der Länderregierungen werden sollten, wurde heftig diskutiert. In Mecklenburg-Vorpommern stritten die Städte Schwerin und Rostock, in Sachsen-Anhalt Magdeburg und Halle um den Titel der Landeshauptstadt. Auch um einige Grenzgebiete zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie zwischen Thüringen und Sachsen gab es Auseinandersetzungen.
"Ich weiß, dass in den umstrittenen Gebieten oft ökonomische Betrachtungen und Hoffnung auf Unterstützung von außen eine Rolle spielten. Es gilt aber auch hier das Wort, das Jean Paul in seinem Freiheitsbüchlein eintrug: Kein Land wird reich oder mächtig, vielmehr das Gegenteil durch das, was es von außen hineinbekommt, sondern nur durch das alles, was es aus sich selbst gebiert und emportreibt."
Noch in der Nacht verabschiedeten die Volkskammerabgeordneten mit einer Zweidrittelmehrheit das Verfassungsgesetz. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, wurde die Gründung der fünf neuen Länder vollzogen.
Reinhard Höppner, Vizepräsident der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Als erstem Redner erteilt er an diesem 22. Juli 1990 dem SPD-Abgeordneten und Vertreter des Ausschusses für Verfassung und Verwaltungsreform, Volker Schemmel, das Wort:
"Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir erleben heute im Parlament eine historische Stunde. Die Bürgerinnen und Bürger der DDR errichten als föderative Elemente Länder, deren verfassungsmäßige Ordnung den Grundsätzen eines republikanischen, freiheitlichen, demokratischen, sozialen und ökologisch orientierten Rechtsstaats entsprechen muss."
Mit diesem Gesetz ebnet die erst im April 1990 konstituierte Volkskammer den Weg zur Wiedervereinigung – so der Historiker Michael Lemke vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
"Die Sache war insofern klar, es würde ein Gesamtdeutschland wieder geben, zu dieser Zeit zumindest war das klar. Und wenn dem so ist, und die DDR sozusagen in den Geltungsbereich des Grundgesetzes kommt, müsste sie auch – und das war ganz unbestritten – das föderalistische Prinzip der Bundesrepublik einführen, beziehungsweise wieder einführen, denn wir hatten ja fünf Länder schon in der DDR bis 1952."
Im Sommer 1952 hatte die erste DDR-Volkskammer ein Gesetz verabschiedet, das - wie es hieß - das alte vom kaiserlichen Deutschland stammende föderale System abschaffen sollte. Es sei zu einer Fessel der neuen Entwicklung geworden.
"1952, da wurden die letzten Messen gesungen auch für die fünf Länder. Diese Länderverfassung passte nicht mehr ins System und das System war 'ne Diktatur. Ein hoch zentralisierter Staat, von Berlin aus geleitet von bestimmten Ministerien, Zentralverwaltungen, wie sie sich denn auch nannten. Und da waren Länder und Länderverfassungen, waren Länderparlamente, Länderregierungen eigentlich nicht mehr ins Konzept passend, sie mussten weg. Jetzt wurde alles nach dem zentralistischen System her von der SED von Berlin aus gemacht und damit hatte sich das, so war auch immer die Begründung der SED, historisch überlebt."
Das "Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR" gliederte die DDR in 15 neue Verwaltungsbezirke. Mit der Zentralisierung sollten auch die Länderidentitäten zerschlagen werden. Doch 38 Jahre später, im Sommer 1990, zeigten die Debatten über das Ländereinführungsgesetz, dass das nicht gelungen war. Volker Schemmel:
"Dem Ländereinführungsgesetz ist eine umfassende Diskussion vorausgegangen. Vorherrschende Themen waren Struktur und Anzahl der zu bildenden Länder. Zu dieser Thematik gingen dem Ministerium für regionale und kommunale Angelegenheiten bzw. dem federführenden Ausschuss über 2000 Vorschläge bzw. Anregungen zu."
Vor allem die Frage, welche Städte Sitz der Länderregierungen werden sollten, wurde heftig diskutiert. In Mecklenburg-Vorpommern stritten die Städte Schwerin und Rostock, in Sachsen-Anhalt Magdeburg und Halle um den Titel der Landeshauptstadt. Auch um einige Grenzgebiete zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie zwischen Thüringen und Sachsen gab es Auseinandersetzungen.
"Ich weiß, dass in den umstrittenen Gebieten oft ökonomische Betrachtungen und Hoffnung auf Unterstützung von außen eine Rolle spielten. Es gilt aber auch hier das Wort, das Jean Paul in seinem Freiheitsbüchlein eintrug: Kein Land wird reich oder mächtig, vielmehr das Gegenteil durch das, was es von außen hineinbekommt, sondern nur durch das alles, was es aus sich selbst gebiert und emportreibt."
Noch in der Nacht verabschiedeten die Volkskammerabgeordneten mit einer Zweidrittelmehrheit das Verfassungsgesetz. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, wurde die Gründung der fünf neuen Länder vollzogen.