Nackte auf der Bühne? Gähn! Das gehört für viele längst zum Klischee des zeitgenössischen Theaters. Aber als die junge Eva Mattes 1976 in "Othello" nackt über die Bühne gejagt wurde, taugte das noch zu einem echten Theaterskandal. Und mit seiner "Blut-und Fäkalien"-Orgie "Macbeth" löste Regisseur Jürgen Gosch 2005 die legendäre "Ekeltheaterdebatte" aus. Für FAZ-Großkritiker glich das Enthüllen damals einem "Verbrechen": "Das Theater, das sich mit ‚dem Leben‘ (meist nichts weiter als ein Synonym für Nacktheit) verwechselt, schändet die Phantasie" – so Gerhard Stadelmaier damals.
Nach #MeToo: Wie schauen wir heute auf nackte Körper
15 Jahre später sprechen wir mit dem Schauspieler Ernst Stötzner, der damals im "Macbeth" nackt über die Bühne tobte. Was hat sich seitdem verändert? Durch #MeToo, durch Debatten um Machtmissbrauch und Gleichberechtigung: Wie wirkt ein nackter Körper heute auf der Bühne in unserer pornografisierten Gesellschaft?
Florentina Holzinger© Apollonia Theresa Bitzan
Florentina Holzinger, gefeierte Choreografin und Performerin, hat sich nie als Grenzüberschreiterin oder "radikal" verstanden. Sie wundert sich über aggressive Interpretationen ihrer zum
Theatertreffen eingeladenen Ballett-Stunt-Zirkus-Show "Tanz" und die extreme Provokation, die offenbar noch immer vom nackten weiblichen Körper auf der Bühne ausgeht.
"Is that a gun in your pants or are you just happy to see us?"
Bei der Österreicherin (Jahrgang 1986) fliegen nackte Frauenkörper an Haken durch die Luft, werden Geschlechtsteile groß auf Videoscreens projiziert. Offensichtliche Voyeure im Publikum – einmal ausgemacht – müssen sich Fragen gefallen lassen wie: "Is that a gun in your pants or are you just happy to see us?"
"Macbeth"- Inszenierung von Jürgen Gosch aus dem Jahr 2005, am Schauspielhaus Düsseldorf© Sonja Rothweiler
Mit Florentina Holzinger und Ernst Stötzner erkunden wir das Nacktsein auf der Bühne – das Unterlaufen von Zuschauererwartungen ("Is she hot or not?") und die Frage des Grenzüberschreitens.
Mehr zum "Theaterpodcast"
Einmal im Monat greift Der Theaterpodcast die wichtigen Debatten rund um das Theater und seine Macher und Macherinnen auf. Über die Kunst und den Betrieb, in dem immer noch zu wenig Frauen das Sagen haben, sprechen zwei Theaterredakteurinnen, Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk-Kultur-Theatermagazin "Rang 1" und Elena Philipp vom Online-Portal nachtkritik.de.
Die Stimmen: Susanne Burkhardt studierte Kulturwissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin und in London (Middlesex University). Sie ist Diplom-Medienberaterin und begann ihre Radiokarriere als Hörspielregieassistentin beim Sender Freies Berlin (später RBB). Nach einem Volontariat beim Deutschlandradio ist sie seit 2001 Redakteurin, Autorin und Moderatorin beim Deutschlandfunk Kultur ("Fazit", "Rang 1 – Das Theatermagazin").
Elena Philipp studierte in Freiburg Politik und Soziologie, entschied sich nach einer Regiehospitanz aber für ein Studium der Theater-, Film und Literaturwissenschaft in Berlin. Dort arbeitete sie für Tanzfestivals, gründete ein Literaturmagazin und ein Text-Ton-Festival mit und etablierte beim Literaturwettbewerb Open Mike das Livebloggen. Seit 2006 schreibt sie für Tageszeitungen und Fachmedien über Theater und Tanz. 2017 wurde sie Redakteurin beim Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de.