Mehr zum "Theaterpodcast":
Einmal im Monat greift Der Theaterpodcast die wichtigen Debatten rund um das Theater und seine Macher und Macherinnen auf. Über die Kunst und den Betrieb, in dem immer noch zu wenig Frauen das Sagen haben, sprechen zwei Theaterredakteurinnen: Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk-Kultur-Theatermagazin Rang 1 und Elena Philipp vom Online-Portal nachtkritik.de.
Susanne Burkhardt studierte Kulturwissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin und in London (Middlesex University). Sie ist Diplom-Medienberaterin und begann ihre Radiokarriere als Hörspielregieassistentin beim Sender Freies Berlin (später RBB). Nach einem Volontariat beim Deutschlandradio ist sie seit 2001 Redakteurin, Autorin und Moderatorin beim Deutschlandfunk Kultur (Fazit, Rang 1 – Das Theatermagazin).
Elena Philipp studierte in Freiburg Politik und Soziologie, entschied sich nach einer Regiehospitanz aber für ein Studium der Theater-, Film und Literaturwissenschaft in Berlin. Dort arbeitete sie für Tanzfestivals, gründete ein Literaturmagazin und ein Text-Ton-Festival mit und etablierte beim Literaturwettbewerb Open Mike das Livebloggen. Seit 2006 schreibt sie für Tageszeitungen und Fachmedien über Theater und Tanz. 2017 wurde sie Redakteurin beim Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de.
Chance oder Bürde: Wie sich Theater nach Corona ändern muss
46:45 Minuten
Die Coronakrise ist ein gnadenloses Brennglas. Bleibt die Bühne leer, rücken veraltete Strukturen und Hierarchien ins Rampenlicht. Werden die Theater diese Chancen nutzen, um sich neu auszurichten? Und wenn ja, in welche Richtung?
Lange waren die Live-Künste verstummt oder ins Netz gebannt. Jetzt öffnen die ersten Theater wieder. Und die September-Spielpläne muten an, als hätte es Corona nie gegeben. Rausgehauen wird, was längst geplant und geprobt war – in der Hoffnung, es möge nicht wieder schlimmer kommen.
Weiter wie zuvor: Ist das das Motto? Hat die Krise die Häuser nicht verändert? Über Theaterschaffen im Coronamodus, Führungsversagen und zeitgemäße Leitungsmodelle sprechen wir mit der Potsdamer Intendantin Bettina Jahnke und dem Regisseur Antú Romero Nunes. Welche Weichen können und müssen jetzt gestellt werden, um Theater zukunftssicher zu machen?
Verantwortungsvolles Handeln ist für Bettina Jahnke die Aufgabe jedes und jeder einzelnen Intendantin und Intendanten. Missstände wie am Badischen Staatstheater Karlsruhe, wo die Politik trotz Mitarbeiterprotesten am heftig kritisierten Generalintendanten Peter Spuhler festhält, erschüttern sie: "Dass da von Seiten der Politik und von Seiten des Aufsichtsrates nichts unternommen wurde, trotz einiger Beschwerden, dass der Personalrat mundtot gemacht wurde, ist absolut nicht hinnehmbar."
Hohe künstlerische Qualität bei guten Arbeitsbedinungen
Am Intendanzmodell würde Bettina Jahnke dennoch nichts Grundlegendes ändern – anders als Antú Romero Nunes: In kollektiver Leitung treten er und seine drei Mitstreiter udn Mitstreiterinnen Anja Dirks, Jörg Pohl und Inga Schonlau am Schauspiel in Basel an. Ihr Ziel: hohe künstlerische Qualität – bei guten Arbeitsbedingungen. "Wenn dann die Ergebnisse besser werden, und wenn dann die Leute zufrieden sind, dann können wir das weitermachen. Das ist die Chance, das einmal zu probieren, und uns sind viele gefolgt unter der Prämisse."
Die Schweiz wagt Neues – Deutschland wartet ab
Fazit: In der Schweiz wagt man Neues, in Deutschland wartet man mit Experimenten ab? Vielleicht ist der Fall Karlsruhe ein Relikt der Vergangenheit: Bettina Jahnke hält es für falsch, in den patriarchalen Strukturen das Übel aller Krisen zu sehen. Die Neubesetzung zahlreicher Intendantenposten mit Frauen deutet darauf hin, dass sich etwas tut. Andererseits zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Kulturrats, wie wenig sich – Stichwort: Gender Pay Gap oder Berufsstereotype – trotz MeToo geändert hat auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Ausschlaggebend für eine nachhaltige Veränderung sieht Bettina Jahnke einen Faktor, der ihrer Ansicht nach auch für die Kunstproduktion zentral ist: "Zeit, Zeit, immer wieder Zeit. Kunst braucht Ruhe und Zeit und Muße. Und das ist das, was wir am wenigsten – vor Corona – hatten. Vielleicht ändert sich das."
Die Coronapandemie verändert die Theater also doch? Wie sie auf die Krise und künftige Theaterarbeit schauen und welche Herausforderungen und Chancen den Theatern jetzt begegnen, erklären Antú Romero Nunes und Bettina Jahnke im Theaterpodcast #27.