Ein Kunstmuseum im Mittelmeermodus
Die Fondation Carmignac aus Paris fördert Gegenwartskünstler mit Stipendien und Ankäufen der Kunstwerke. Für ihre Sammlung eröffnet sie jetzt ein Museum - auf einer Insel vor der Côte d'Azur: Die aufwändige Anreise gehört zum einzigartigen Konzept des Projektes.
Flugzeug, Auto, Zug, Bus? Nein, die zwölf Quadratkilometer große Insel Porquerolles erreicht man nur mit dem Schiff von der französischen Küstenstadt Hyères aus. Die Fahrt dauert 20 Minuten. Neben Stränden, die zu den schönsten Europas zählen und einem kleinen Dorf mit 300 Einwohnern, gibt es auf der Insel nun ein Museum für zeitgenössische Kunst.
Der französische Vermögensverwalter und Kunstsammler Edouard Carmignac hat im Naturschutzgebiet einen Ort geschaffen, um dort einen Teil seiner Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Direktor der Stiftung und des neuen einzigartigen Museumsareals mit Park ist sein Sohn, Charles Carmignac:
"Mein Vater wollte seine Sammlung an einem abgelegenen Ort zeigen, weg von Alltag, der Stadt und all den Dingen, die darüber hinaus stattfinden. Die Menschen müssen dafür ihren Alltag hinter sich lassen, sie müssen ein Boot nehmen, sie müssen hierherkommen, sie müssen laufen. Und hier sind sie abgeschieden und auch die Gedanken sind frei und klar und man hat eine Art inneren Frieden, um sich auf die Kunstwerke einzulassen und zu hören, was sie vermitteln wollen.
Kunstgenuss mit Regeln und Ritualen
Mitten im Pinien- und Kiefernwald steht man an einem Abzweig unvermittelt vor dem aus rohem Eisen gestalteten Tor der Fondation Carmignac. Neben der Allee, die auf das 2000 Quadratmeter große Gelände führt, wurden zwischen Pinienbäumen schlichte Eisenschließfächer installiert. Hier lässt man Rucksäcke, Taschen und alles andere, um den Ort frei erkunden zu können.
Das Herzstück der Fondation Carmignac ist eine provençalische Villa auf einem Hügel. Aufgrund der Auflagen des Naturschutzgebietes wurden seither weder der Park noch die Architektur der Villa stark verändert. Einzig die Ausstellungsräume für das Museum wurden jetzt unter der Villa in den Hügel gebaut. An der Oberfläche sind sie quasi unsichtbar. Nicht nur der Ort, auch die Architektur und die Natur sind hier besonders. Und spezielle Rituale bereiten auf die Tour durch die Kunstsammlung vor.
Charles Carmignac: "Es gibt drei Bedingungen für den Besuch, die erste: Nur ein paar Menschen können hier rein. 50 Besucher jede halbe Stunde, so dass man manchmal einfach alleine vor einem Kunstwerk stehen kann. Und die beiden anderen Elemente sind die Rituale. Man bewegt sich durch das Museum in der Villa barfuß. Man ist im ständigen Kontakt mit dem Boden, die Energie fließt. Und das dritte Element: Man bekommt ein Getränk, das aus medizinischen Pflanzen gemacht ist. Es beruhigt den Körper und schafft Raum, damit die Kunstwerke uns leichter durchdringen können."
20. Jahrhundert trifft auf Renaissance
Tatsächlich muss jeder Besucher seine Schuhe und Socken in Holzregale legen, bevor man über die Treppe sechs Meter hinunter ins Museum geht. Auf kühlem Stein läuft man durch die einzelnen Ausstellungsräume. Vorbei an Arbeiten von Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol, Maurizio Catellan und vielen weiteren Größen der internationalen zeitgenössischen Nachkriegskunst. Aber auch eine Venus von Boticelli hängt hier im Dialog mit Roy Lichtensteins Pop-Art-Girls. Die Räume, obwohl unterirdisch, bekommen von allen Seiten natürliches Tageslicht. Die einzelnen Ausstellungsräume laufen kreuzförmig zu einem Mittelpunkt zusammen: einem quadratischen leeren Raum mit Glasdach. Das von oben hindurchscheinende Licht ist immer etwas verschwommen, denn auf dem Glasdach fließt Wasser.
Kunstwerke im Garten und im Untergrund
Charles Carmignac: "Der Titel des Projekts, wenn man es denn benennt, ist 'The Inner Island'. Es ist eine Reise auf zwei Ebenen. Eine körperliche, bei der man auf ein Boot steigt, spaziert und man unter die Erde geht. Und es gibt eine zweite Reise, die sich nur innerlich in einem abspielt. Alle Ausstellungsräume sind unsichtbar, innerhalb einer Villa, unter der Oberfläche einer Villa."
Es gibt aber auch außen sichtbare Ausstellungsflächen. Hier flaniert man zwischen Orchideen, Sträuchern und Olivenbäumen vorbei an der Skulptur "Mother Nature" von Olaf Breuning, einem Labyrinth aus spiegelnden Edelstahlpfeilern von Jeppe Hein, oder man steht vor der großen, eigens für die Stiftung entstandenen Auftragsarbeit "Sea Of Desire" von Ed Ruscha. Eine Malerei auf Metall, die wie ein amerikanisches Billboard im Wald steht.
Es ist bemerkenswert, wie schnell man hier zur Ruhe kommt und nicht, wie in Museen so oft, von einem Raum in den anderen hetzt, um ja alle Werke innerhalb einer bestimmten Zeit zu sehen. Hier spielen die erstklassigen Kunstwerke vielleicht nicht wirklich die größte Rolle. Es ist vielmehr das Zusammenspiel von Landschaft, Architektur, Kunst, Gerüchen und Geräuschen, das die Fondation Carmignac zu einem neuen, bisher ungewöhnlichen Kulturort macht.