Iss aus der Schüssel!
Wer heutzutage trendig isst, schnippelt viele Zutaten in eine Schüssel. Die Entwicklung ist natürlich nicht neu, seit der Frühzeit essen Menschen aus Schüsseln. Aber so bunt und fotogen wie heute sah es wohl noch nie aus.
Das neuste Gericht, das wir aus Schüsseln essen, heißt Poké - auf Deutsch so viel wie "kleingeschnitten". Der hawaiianische Fischsalat wird in einem winzigen Lokal in meiner Straße kredenzt: Lachs oder Thunfisch mit Edamame-Bohnen, Avocado und Gurke - dazu Algen, knuspriger Knoblauch und eine geheime Sojasoße. In einem Bild auf Wikipedia sind die Zutaten miteinander vermatscht. In Berlin hingegen lagern sie auf einem warmen Reisbett und kommen schön nebeneinander im Kreis angeordnet auf den Tisch - in einer Schüssel versteht sich, einer Pokè-Bowl eben - für 13 Euro:
"Es ist halt nicht alles durcheinandergeworfen. Es ist so angeordnet, das man selber aussuchen kann, wie man es essen möchte. Du kannst nur den Fisch essen, oder meinetwegen nur die Avocado essen. Und dann nach unten gehen und den Reis mit hochnehmen und dir das so aufteilen, wie Du das essen möchtest. Erst den Salat wegsnacken, das machen auch viele."
Erklärt mir Izzy vom Poké-Bowl-Restaurant Pelelina. Sie ermächtigt mich, mein eigener Fooddesigner zu ein - weil ich bei jedem Happen mitentscheide, wie er schmeckt.
Homogen texturierter Einheitsbrei - wie Eintopf beispielsweise - wäre auch weniger fotogen: Die vielen farbenfrohen Zutaten beim Bowlfood werden im begrenzten Raum der Schüssel kunstvoll zu kompakten Mandalas drapiert. Instagram ist voll davon. Foodbloggerin Annelina Waller schreibt über Bowlfood:
"Es geht darum, dass es möglichst bunt gestaltet ist, da man sagt: Je mehr Farben man isst, umso mehr Vitamine und Mineralstoffe nimmt man zu sich. Deswegen: Eat the Rainbow. Und das macht das ganze interessanter noch mal."
Schalen haben eine geradezu poetische Form
Entwicklungsgeschichtlich ist das Design der Schale ein Erfolgsmodell. Ausgereift in der Form, sind nur noch Details verbesserbar. Form follows function total. Reduzierter geht es kaum: Seit der Frühzeit essen wir aus Schüsseln. Teller kamen erst im 16. Jahrhundert auf. Claudia Schömig stellt in Berlin Geschirr her. Tiefe Teller hat sie nicht im Sortiment - aber Schüsseln.
"Schalen sind sehr archetypische Gefäße. Und es ist eine sehr schlichte funktionale Form, die aber auch zugleich poetisch sein kann. Also sie liegt gut in der Hand. Und mit einer Schale kann man auch mal irgendwohin wandern - auf die Couch oder so."
Der Siegeszug der Schale hat auch mit unseren informeller werdenden Tischsitten zu tun. Bowlfood ist eben nicht nur ein Präsentationstrend - nach Schiefertablettchen und Einweckgläsern. Es geht auch um neue Geschmackerlebnisse. Im Gegensatz zum deutschen Mittagsdreier - Sättigungsbeilage, Gemüse, Fleisch - prallen viel mehr Komponenten mühelos aufeinander. Christine Löhner leitet das Green Lion-Restaurant in Nürnberg:
"Also eine Bowl sollte möglichst einfach herstellbar sein und vor allem gesund sein. Wir versuchen auch die Zutaten so natürlich wie möglich zu belassen. Dadurch hat man auch ein cleanes Essen ohne Chemie sag ich immer."
Gehört die Dönerbox auch dazu?
Rudimentäre Kochkenntnisse sind nur zum Anmischen des Dressings nötig. Der Rest ist Schnippelarbeit. Die Zutaten werden höchstens im Ofen gegart und dann - nach dem Baukastenprinzip - kombiniert, um die Ernährungspyramide nachzustellen:
"Ein Viertel kohlenhydrathaltige, gute Lebensmittel wie Kartoffeln, Reis oder Vollkornnudeln. Ein Viertel würde ich dann proteinreiche Lebensmittel nehmen, zum Beispiel Fisch, Eier, Geflügel. Und dann schon die Hälfte dieser Bowl würde ich mit Gemüse und Salaten auffüllen."
Empfiehlt Silke Bauer, Ernährungswissenschaftlerin aus Gengenbach im Schwarzwald. Frittiertes, Paniertes oder Fertigprodukte haben in den Schüsseln nichts zu suchen. Trotz einer ähnlichen Darreichungsform zählt deshalb auch die Dönerbox nicht zum Bowlfood.