Nicht ignorieren, nicht überschätzen
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Tausende protestieren bei den sogenannten "Hygiene-Demos" gegen die Corona-Schutzmaßnahmen, darunter auch Verschwörungstheoretiker und Extremisten. Manch einen erinnert das an die Anfänge von Pegida. Inwiefern lassen sich die Bewegungen vergleichen?
In Berlin, Stuttgart, München und anderen deutschen Städten finden sich seit einigen Wochen Tausende Menschen zu Demonstrationen zusammen. Unter dem Motto "Querdenken" oder "Widerstand 2020" protestieren sie gegen die Einschränkung von Grundrechten und fordern alternative Maßnahmen gegen das Coronavirus. Viele Teilnehmen raunen aber auch von "Verschwörung" und "Impfzwang" oder fürchten gar den Beginn einer "Neuen Weltordnung".
Diese "Hygiene-Demos" erinnern in gewisser Weise an das Aufkommen der Pegida-Bewegung Ende 2014. Auch damals kamen viele unterschiedliche Gruppen zusammen: Von besorgten Bürgern bis hin zu Rechtsextremen. Wie können Medien, Gesellschaft und Politik diesem Phänomen gerecht werden?
Fakten und Transparenz
Für Gert Pickel, stellvertretender Direktor des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig, ist Ignorieren jedenfalls "nicht die richtige Variante". Das verleihe solchen Bewegungen nur Märtyrerstatus. Er plädiert eher dafür, zu berichten, aber "nicht exzessiv über alles", also nicht jeder einzelnen Kundgebung Aufmerksamkeit zu schenken.
Durch die hohe Mobilisierung der derzeitigen Bewegung seien "eigentlich alle, die dagegen sind, auf der Straße". Man sollte das Phänomen also nicht überschätzen.
Dennoch, so Pickel, solle man durchaus das Anliegen der Demonstranten diskutieren. Verschwörungstheorien hingegen sollten Medien und Bundesregierung Fakten und Transparenz dagegenhalten – auch wenn man überzeugte Verschwörungstheoretiker eher nicht bekehrt bekomme. Man könne aber Verunsicherte erreichen, die sich um die Einschränkung ihrer Rechte sorgten, indem man verdeutliche, dass an den auf diesen Demonstrationen geäußerten Theorien nichts dran sei.
Ängste ernst nehmen
Die Bewegung hinter den "Hygiene-Demos" könne man durchaus mit Pegida vergleichen. Man habe ein Thema, auf das man sich konzentriere – damals seien es die Flüchtlinge gewesen, heute Corona. Und damals wie heute gebe es unter den Demonstranten Haltungen gegen Staat und Regierung: Es gebe Forderungen nach mehr Demokratie, zugleich aber auch antidemokratische Positionen.
Allerdings sei es wichtig, differenziert zu berichten, je nachdem, ob es sich um ein Anliegen handelt, über das man diskutieren muss, oder um eine Pauschalbeurteilung, sagt Pickel. Nicht alle Demonstranten seien Verschwörungstheoretiker. Auch die Pegida-Bewegung sei anfangs gemischter gewesen als es später der Fall war. "Man muss das Thema Angst und Einschränkung von Grundrechten ernst nehmen."
Alles in allem lobt Gert Pickel die Bundesregierung: Sie habe in der Kommunikation viel richtig gemacht und ihre Maßnahmen nachvollziehbar erklärt. Allerdings könne sie noch mehr tun, indem sie transparenter handle, stärker Bürger einbeziehe und sie auch mitbestimmen lasse.
(leg)