Forschung

3D-Prozessoren für die Medizintechnik

"Metria", ein vernetztes Pflaster, klebt am 19.11.2013 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) an einem Model auf den Oberarm. Über Sensoren, die die Oberflächenspannung der Haut messen, ermittelt es Puls, Temperatur und Schrittzahlen. Diese werden über ein Handy-App auf ein persönliches Vital-Portal übertragen. Mehr als 4600 Aussteller zeigen auf der Medizin-Messe vom 20.11. bis 23.11.2013 ihre Neuheiten. Foto: Roland Weihrauch/dpa
Sensoren eines vernetzten Pflasters schicken Messdaten ans Smartphone © picture alliance / dpa / Roland Weihrauch
Von Stephanie Kowalewski |
Langzeit-EKGs zum aufkleben und Ultraschallgeräte mit Touchscreen – modernste Computertechnologie begleitet Arzt und Patient täglich. Die wichtigsten Trends wurden jetzt auf der Fachmesse "medica" präsentiert. Vier Tage lang haben rund 4.600 Aussteller mit ihren Neuheiten die Messehallen gefüllt.
Ein großes Thema auf der weltgrößten Medizinmesse medica sind Verfahren, die den Ärzten einen immer präzieren Blick in den Körper der Patienten ermöglichen. Und durch die rasante Entwicklung in der Elektro- und Computertechnologie werden die Geräte immer leichter bedienbar und kleiner. So hat Samsung jetzt ein leichtes und tragbares Ultraschallgerät vorgestellt.
Wim van de Vooren: "Es hat einen Zehn-Zoll-Monitor, ist also ganz klein. Es ist tragbar und ich kann es in der Hand halten. Es hat einen Touchscreen, also ich hab kein Keyboard oder so etwas."
Das kleine Ultraschallgerät sieht aus wie eine Mischung aus Tablet-PC und Kassettenrecorder samt Tragegriff. Mit ihm sollen künftig vor allem Sportärzte Verletzungen direkt am Spielfeld untersuchen können, sagt Wim van de Vooren:
"Zum Beispiel wenn ein Fußballer Probleme hat mit seinen Beinen, können wir direkt sehen was da los ist. Und dann kann man entscheiden, wenn er sagt: 'Ich möchte noch spielen', kann ich sagen 'Nein, sie müssen jetzt direkt in ein Krankenhaus'."
Die geringe Größe ist perfekt für den mobilen Einsatz an jedem Ort und in jeder erdenklichen Situation, betont er, und auch die Bildqualität sei für eine erste Diagnose sehr detail- und kontrastreich, aber:
"Es ist hier wirklich ein 'point of care' und es ist nicht wirklich eine Komplettdiagnose. Dafür gibt es im Krankenhaus die Geräte, die das machen."
Und auch die liefern immer schärfere und vor allem mehrdimensionale Bilder. Dabei setzt die Medizintechnik jetzt auf die leistungsstarken Prozessoren aus der Computerspieleindustrie.
"Und das bringt neue Möglichkeiten. Das bringt mehr Sicherheit. Aber ich bin auch in der Lage, Durchschnitte zu machen, die ich mit einem normalen Ultraschallgerät nicht machen kann. Also es geht den Weg: diagnostische 3D, absolut sicher."
Sicher und vor allem bequemer soll die High-Tech-Medizin aber auch für den Patienten werden. Bei einem Langzeit EKG zum Beispiel musste die notwendige Technik bislang entweder in einer Tasche am Gürtel oder um den Hals getragen werden. Nicht so beim Mini-EGK der Stuttgarter Firma SRM, sagt Hartmut Richter:
"Es ist sehr klein, hat die Größe einer Streichholzschachtel und kann aufgrund der gringen Bauform und des gringen Gewichtes sofort auf die Haut des Patienten geklebt werden zusammen mit den Elektroden und ermöglicht so einen maximalen Tragekomfort. Und Besonderheit ist auch, dass der Patient mit dem System auch duschen kann."
Beim Thema Datensicherheit zuckt die Branche mit den Schultern
Mit solch einem Mini-EKG kann der Patient also wie gewohnt arbeiten gehen, Sport treiben und schlafen, was die Aussagekraft der erhobenen Daten verbessern soll. Die gesammelten Messwerte werden schließlich kabellos per Bluetooth an einen Computer weitergeleitet oder an mobile Geräte, also Handys oder Tablet-PCs. Was die Datensicherheit bei solchen Anwendungen angeht, zucken im Moment eigentlich alle aus der Branche etwas verlegen mit den Schultern. Auch Hartmut Richter.
"Wir verwenden natürlich eine gesicherte Verbindung und versuchen auch, solange wir das in der Hand haben, Datensicherheit zu gewährleisten – letztendlich: vor der NSA scheint niemand sicher zu sein."
Dennoch geht der Trend eindeutig zu mobilen Datenerfassungssystemen samt online Datenübertragung. So bietet die Firma Medisana aus Neuss ein Pflaster an, in das winzige Sensoren, Chips und Batterien eingearbeitet sind. Das, so die Idee, kleben sich Menschen, die mehr über ihre Fitness wissen möchten, einfach auf den Oberarm und dann sammelt das wasserfeste Pflaster bis zu sieben Tage lang alle möglichen Vitalwerte, sagt Nico Kaartinen:
"Die Sensoren messen, ob man steht, ob man liegt, wenn man im Bett liegt, ob man wirklich eingeschlafen ist, es misst den Hautwiderstand. Über die Werte, und über die Aktivität, den Schrittzähler der noch drin ist, wird eine Kombination gemacht, dass man zum Beispiel auch den Kalorienverbrauch auf die Minute runter brechen kann."
Pro Minute kommen so bis zu 5.000 Messwerte zusammen. Doch wer soll das alles auswerten?
"Da ist auch ein Service integriert, dass wir sie nicht mit den Daten alleine lassen. Also man schickt das Pflaster dann zu uns ein, wir lesen das aus und geben dann mit einem Profi, das kann ein Arzt, es kann auch Fitnessprofi sein, eine Handlungsempfehlung."
99 Euro wird das Pflaster kosten, das voraussichtlich ab Dezember zu kaufen sein wird. Außerdem soll Ende kommenden Jahres auch ein EKG-fähiges Pflaster auf den Markt kommen.
Implantat zum Überwachen von Krebszellen
Die medica ist aber nicht nur Schau der neuesten Medizingeräte. Sie ermöglicht auch einen Blick in die Medizin von morgen, denn hier präsentieren viele Forschungsanstalten und Universitäten ihre Projekte. An einem kleinen, eher unscheinbaren Stand hofft auch Johannes Clauss vom Lehrstuhl für Medizinische Elektrotechnik der TU München, dass sich solvente Partner oder Sponsoren für das Tumorimplantat begeistern, an dem er gerade forscht.
"Das soll in Zukunft dazu dienen, festzustellen, ob ein Tumor wächst oder nicht. Dieses Tumorimplantat ist im Moment noch im Stadium für Labortests beziehungsweise Tierversuche und ist deswegen noch ungefähr so groß wie das letzte Glied eines Fingers. In Zukunft soll das aber so groß werden wie eine Pille, wo ich das ganze dann auch wirklich minimalinvasiv direkt an den Tumor bringen kann."
Nicht im Tumor selbst, sondern in seiner unmittelbaren Nähe misst das Implantat dann unter anderem den pH-Wert, den Sauerstoffgehalt und die Temperatur. Durch diese Werte lässt sich bestimmen, ob sich die Krebszellen gerade teilen oder nicht.
"Es wäre wahnsinnig interessant zu sehen, wann wächst denn ein Tumor überhaupt, weil nur wenn er wächst, kann ich ihn therapieren. Sowohl Chemotherapien, als auch Strahlentherapien zielen auf wachsende Tumoren, auf sich teilende Zellen. Und nur dann funktioniert eine Therapie auch. Und das ist sehr, sehr wichtig, das zu messen und das ist heutzutage nicht möglich."
Deshalb erhalten derzeit auch solche Krebspatienten eine Therapie, deren Geschwulst gar nicht größer wird. Sie profitieren also nicht von der Behandlung, müssen aber die Nebenwirkungen ertragen. Die Forschung von Johannes Clauss und seinen Kollegen, könnte dazu führen, dass in Zukunft tatsächlich nur noch die Patienten eine Chemotherapie erhalten, denen sie nachweislich nutzt.
"Und das ist auch, sagen wir mal langfristig, die Vision dieses Projektes, dass ich aus diesem Implantat auch ein Medikament gleich abgeben kann, eine lokale Therapie machen kann, um diesen Tumor zu bekämpfen."
Doch bis dahin sind noch viele Test und Untersuchungen nötig. Der Münchner Forscher glaubt, dass das fertige Tumorimplantat frühestens in fünf Jahren auf der medica präsentiert werden kann.
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