Was Plastik mit Fischen macht
300 Millionen Tonnen Kunststoff werden jedes Jahr weltweit hergestellt, bis zu fünf Prozent davon landen im Meer. Dazu kommen große Mengen an Mikroplastik. Das findet sich nicht nur im Wasser, es haftet an Algen und landet über die Nahrungskette am Ende auch im Menschen.
Morgens um halb sechs auf dem Hamburger Fischmarkt: Lachs, Dorsch und Räuchermakrele zum Kilopreis. Die Tragetasche, in der das maritime Schnäppchen über den Tresen gereicht wird, ist aus Plastik. Und Plastik steckt auch im Fisch selber. Der Mikrobiologe Gunnar Gerdts hat Magen und Verdauungstrakt von 290 Makrelen, Flundern, Heringen, Dorschen und Klieschen aus Nord- und Ostsee im Labor der Helgoländer Außenstelle des Alfred Wegener Instituts unter die Lupe genommen.
"Wir haben Gummi gefunden, wir haben Polyethylen gefunden, wir haben alles das, was unsereiner im täglichen Gebrauch an Plastik in den Müll schmeißt, haben wir letztendlich auch in den Fischen wieder gefunden."
Makrele frisst lange Plastikpartikel
Allerdings gab es dabei deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Arten. Heringe hatten nur zu bestimmten Jahreszeiten winzige Kunststoffteilchen, sogenanntes Mikroplastik, im Darm, in Bodennähe lebende Fische wie Flunder oder Kliesche fast gar nicht. Denn sie nehmen Kunststoff nur unbeabsichtigt mit der Nahrung zu sich. Und die finden sie selten dort, wo das Mikroplastik knapp unter der Wasseroberfläche am häufigsten vorkommt. Anders dagegen die Makrelen.
"Wir haben gesehen, dass die Makrele als Schwarmjäger augenscheinlich deutlich längliche Plastikpartikel, Fasern frisst, die leuchten. Das wissen auch die Angler, dass Makrelen gerne auf solche Partikel raufgehen. Die Makrelen essen das, weil das nach Nahrung aussieht. Das sind längliche, bunte Objekte, vielleicht – man kann sich natürlich jetzt nicht in so ne Makrele reinversetzen – das könnte dann aussehen wie ne Seenadel, und so ne Makrele findet sowas dann grundsäzlich lecker und schnappt zu."
Nicht nur in Fischen landet das an Sand und Felsen in immer kleinere Teilchen zerriebene Plastik. Auch Schnecken können es aufnehmen. Das hat der Biologe Lars Gutow im Laborexperiment nachgewiesen. Auf Helgoland hat er dafür sogenannte Strandschnecken und Algen eingesammelt, von denen sie sich ernähren. Auch auf der Oberfläche des Blasentangs haftete Mikroplastik.
"Dann haben wir diese Stücke an die Schnecken verfüttert und konnten damit zeigen, dass diese Schnecken völlig unselektiv diese Algen fressen und damit die Mikroplastikpartikel aufnehmen. Wir haben zum Vergleich auch saubere Algen angeboten und festgestellt: Die können das nicht unterscheiden, also die nehmen praktische diese Mikroplastikpartikel nicht wahr. Die Schnecken sind im Nahrungsnetz des Meeres sehr weit unten angesiedelt. Sie sind Pflanzenfresser, ernähren sich also direkt von der Primärproduktion, von den Algen, und dienen als Nahrung für andere, die dann höher in der Nahrungskette stehen wie zum Beispiel Krebse und Fische und deswegen findet man praktisch Produkte dieser Schnecken auch in anderen Tieren."
Zum Problem könnte das vor allem dann werden, wenn sich so viel Mikroplastik in den Verdauungsorganen der Tiere ansammelt, dass für ihre eigentliche Nahrung nicht mehr genug Platz ist. Sie würden langsamer wachsen und früher sterben, die Bestände könnten sinken. Das hätte auch gravierende Auswirkungen auf das letzte Glied in der Nahrungskette, den Menschen. Direkte Gesundheitsgefahren drohen uns durch die mit Mikroplastik belasteten Speisefische dagegen eher nicht.
"Fische nehmen wir ja in der Regel aus. Das heißt, wir nehmen die Verdauungsorgane raus bevor wir die essen. Es gibt nur wenige Fischarten wie zum Beispiel die Sprotte, die wir komplett essen, weil das einfach zu fisselig wäre, die industriell rauszunehmen. Das heißt also, bei vielen Tieren entfernen wir die Mikroplastikpartikel. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Mikroplastikpartikel auch über die Darmwand in die Gewebe resorbiert werden und dann praktisch doch in dem für uns als Nahrung zur Verfügung stehenden Material enthalten sind. Aber ich glaube jetzt nicht, dass einzelne Mikroplastikpartikel in der Nahrung für den Menschen ein Problem darstellen, ein mechanisches Problem. Wir stecken uns ja jeden Tag unsere Zahnbürste aus Plastik in den Mund und schrubben damit rum, weiß man ja noch nicht mal, wieviel Abrieb da zum Beispiel ist."
Gefahr durch Chemikalien wie Weichmacher oder Farbstoffe
Gefährlich könnten wohl eher die in vielen Kunststoffen enthaltenen zusätzlichen Chemikalien wie Weichmacher oder Farbstoffe werden, meint Gunnar Gerdts – will seine Forschungsergebnisse aber auch nicht dramatisieren.
"Da wird momentan auch wahnsinnig viel spekuliert und wir sind noch vollkommen am Anfang zu sagen, ob das eine Auswirkung hat oder nicht. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die Funde von Mikroplastik in den Därmen relativ niedrig waren. Insofern: Also wenn die Diskussion dann in Richtung Lebensmittelsicherheit geht, würde ich sagen, dass nur ein geringer Teil der Fische grundsätzlich belastet ist mit Mikroplastik. Ich esse weiter Fisch, in der Tat."