Baby-Sprache
Hören sich „dudu und dada“ einfach nur komisch an, oder haben sie für die Sprachentwicklung von Kleinkindern auch eine wichtige Bedeutung? © imago images / Satura
Was bewirken "duda" und "dada"?
06:43 Minuten
Sobald Erwachsene in der Nähe von Babys sind, geht es los: In erhöhter Tonlage wird in kurzen Wortgruppen mit den Kleinkindern kommuniziert. Aber welchen Effekt haben diese lustigen Laute überhaupt?
„Dutzi-dutzi-dutzi, wo ist mein Schnucki-putzi, dann muttu in die Heia. Junge Eltern gehen mir einfach tierisch auf die Eier.“
Für Liedermacher Timon Hoffmann ist die Sache klar: Babytalk geht gar nicht. Doch viele Menschen können gar nicht anders, wenn sie kleine Babys sehen, sagt Christina Bergmann vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen.
„Ich weiß nicht, ob das genetisch ist, ob das vielleicht auch daran liegt, wie sehr wir bereit sind, uns auch auf die Situation einzulassen. Denn man kann ja ganz ähnliche Sachen auch mit Tierbabys beobachten, die ja vielleicht auch ähnliche Prozesse in uns in Gang setzen. Und auch da sehen wir, dass die Sprache zu Tierbabys anders ist, als zu erwachsenen Tieren zum Beispiel. Das ist ganz interessant, also wir haben grundsätzlich so eine starke Reaktion auf hilflose kleine Kreaturen.“
Langsames Sprechen hilft den Kindern
Dass wir mit kleinen Kindern – und vielleicht auch mit Hundebabys – anders sprechen, als mit Erwachsenen, sei aber durchaus sinnvoll, so die Sprachwissenschaftlerin.
„Dass wir zum Beispiel langsamer sprechen, wenn wir mit Kindern sprechen. Das ist natürlich hilfreich, weil wir dann die kürzere Aufmerksamkeitsspanne und dem kleineren Gedächtnisspeicher der Kinder entgegenkommen.“
Doch nicht nur das. Kleine Kinder hören auch besser zu, wenn wir in einer verspielten Art mit ihnen sprechen.
„Es gibt Studien, die zeigen: Mit kindgerichteter Sprache beobachtet man, dass Kinder öfter lächeln, dass Kinder grundsätzlich länger zuhören. Das sieht man selbst mit drei, vier Monaten schon, dass, wenn man kindgerichtete Sprachen einem Baby vorspielt und dagegen Sprache wie Erwachsene miteinander reden. Dass Kinder wirklich immer länger zuhören oder im Schnitt länger zuhören, wenn es die kindgerichtete Sprache ist. Also sie sind schon sensibel dafür, dass es ein Signal ist, das so ein bisschen auch an sie gerichtet ist.“
Wenn die Stimme höher wird
Aber sind sich Eltern eigentlich bewusst darüber, dass sie anders mit ihren kleinen Kindern sprechen, als mit „den Großen“?
„Ich weiß es gar nicht so richtig genau, weil man das ja wahrscheinlich hauptsächlich auch ziemlich unbewusst macht."
Das ist Kristina. Sie ist Mutter einer anderthalbjährigen Tochter.
„Manchmal auf jeden Fall. Zum Beispiel, wenn man irgendwie so ein Spiel spielt, so ein bisschen Rollenspiel-mäßig, mit irgendwelchen Kuscheltieren, dann haben die Kuscheltiere natürlich oft irgendwie hohe, fiepsige, süße Stimmen, und das liebt sie. Und sonst? Im normalen Reden denke ich, dass ich das auch tue. Zu einem gewissen Teil auf jeden Fall, aber vielleicht jetzt nicht superausgeprägt.“
Noomi liebt es also, wenn ihre Mutter in einer 1-2 Oktaven höheren Stimme mit ihr spricht. Noch besser, wenn ihre große Schwester Lilja es tut.
„Lilja macht das relativ viel mit Noomi, diese Babysprache. Und die Babysprache funktioniert bei Lilja auf jeden Fall noch besser, glaube ich, weil Noomi noch mehr versucht, Lilijas Sprache nachzumachen als unsere.“
Was passiert, wenn man normal spricht?
Es ist also auch ein Nachahmungseffekt. Und der hilft kleinen Kindern ebenfalls beim Sprechenlernen, sagt Sprachwissenschaftlerin Christina Bergmann. Doch bedeutet das umgekehrt, dass Kleinkinder nicht so gut sprechen lernen, wenn man sie wie Erwachsene behandelt? 2019 ging ein Video um die Welt, in dem ein Vater mit seinem Baby auf dem Sofa sitzt und das Fernsehprogramm kommentiert, als würde er mit seinem besten Kumpel sprechen.
„Dieses Video ist fantastisch. Ich finde es ganz super. Das zeigt auch ganz wunderbar, wie man das in den Alltag einbinden kann. Diese kindgerichtete Sprache Der Vater redet schon, wie er reden würde. Aber doch auch, geht aufs Kind ein, dieses Spiel, dieses Kommunikative hin und zurück. Das Kind sagt in Anführungsstrichen etwas. Der Vater antwortet so, wie er halt antworten würde.
Das ist natürlich auch sehr schön, da auch dieses Dialogmodell wirklich zu spielen und dann auch nur ein bisschen übertrieben zu sagen: ´Ach, wirklich, meinst du?` Ich finde es ganz fantastisch. Und so kann man auch unheimlich viel Spaß mit Kindern haben.“
Spannendes für Kleinkinder
Babytalk bedeutet also nicht nur, Dinge zu verniedlichen und Autos nur noch „Töff-Töff“ zu nennen. Es geht vor allem darum, sich auf Kinder einzulassen und die Sprache an sie zu richten. Mit höheren Stimmen oder Geräuschen schaffen wir es zudem besser, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch selbst wenn wir ganz normal mit einem Kind sprechen, hat es gute Chancen, perfekt sprechen zu lernen.
„Das wurde auch wieder in Studien gezeigt, dass selbst in Kontexten, in denen Kinder nicht diese stark kindgerichtete Sprache hören, sie trotzdem ganz wunderbar lernen. Aber es hilft ihnen trotzdem. Es gibt ihnen so einen kleinen Vorteil.
Wir können aber immer noch nicht hundertprozentig sagen, ob das daran liegt, dass es wirklich die Sprache vereinfacht oder also das Lernproblem an sich ein bisschen vereinfacht oder ob es daran liegt, dass Kinder es einfach unheimlich spannend, findet, wenn man so lustig redet und dass sie da auch eine Freude daran haben zuzuhören. Vielleicht ist es ein bisschen von beidem.“
Babytalk auf der ganzen Welt
Klar ist aber: Babytalk ist universell: In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben Christina Bergmann und ihr Team herausgefunden: Er funktioniert in allen Sprachen und über verschiedene Kulturkreise hinweg. Zum Beispiel auf Niederländisch, Norwegisch oder auf Englisch.
„Do you have to make poo-poo?“
„Do you have to make poo-poo?“
„Also egal, ob ich jetzt Fiji oder Japanisch oder Deutsch spreche. Ich passe die Art, wie ich rede, auf eine bestimmte Weise an, um mit Kindern zu sprechen. Das hat mich überrascht, weil man immer gesagt hat zum Beispiel, dass Japanisch vielleicht eher auf Silben Dopplungen setzt, als auf dieses etwas höhere Sprechen etwas variablere Sprechen.“
Doch offenbar hilft Babytalk Kindern auf der ganzen Welt beim Sprechenlernen. Auf eines sollten Eltern dennoch achten, sagt Christina Bergmann: Es sei wichtig, rechtzeitig den Absprung zu schaffen.
„Das wäre suboptimal, wenn man mit einem 18-Jährigen noch Dudu-Dada-Sprache spricht.“ (lacht)