Forschung

Droht ohne Tierversuche wissenschaftlicher Stillstand?

Tierschützer demonstrieren am 20.12.2014 in Tübingen gegen den Einsatz von Affen in der Forschung am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik.
Tierschützer demonstrieren in Tübingen gegen den Einsatz von Affen in der Forschung am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. © picture alliance / dpa - Michael Latz
Stefan Treue im Gespräch mit Dieter Kassel |
Sollten Tierversuche abgeschafft werden? Für Stefan Treue, Leiter des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen, ist ein komplettes Verbot kaum vorstellbar. Dann wäre in der Forschung kein weiterer Fortschritt möglich, meint er.
Das Thema "Tierversuche" erhitzt schon seit etlichen Jahrzehnten die Gemüter. Neue Wellen schlug es, als der renommierte Tübinger Hirnforscher Nikos Logothetis seine Versuche an Rhesusaffen einstellte, nachdem er, seine Familie und seine Mitarbeiter wiederholt massiv bedroht worden waren.
Die Reaktionen folgten auf dem Fuße: In einem offenen Brief sprachen sich 16 Nobelpreisträger für Tierversuche aus - sie seien wichtig und unverzichtbar für den medizinischen Fortschritt. Heute wiederum wird im Europäischen Parlament über die Forderung der EU-Initiative "Stop Vivisection", Tierversuche zu verbieten, debattiert.
Ein weiterer Fortschritt wäre kaum möglich
Für Stefan Treue, Leiter des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen, ist ein komplettes Verbot kaum vorstellbar: "Wir hätten dann einen kompletten biomedizinischen Stillstand. Natürlich gibt es viele Bereiche, die ohne Tierversuche auskommen, aber die befruchten sich immer gegenseitig. Das heißt: Theoretiker, bildgebende Verfahren, Modellbildner brauchen alle die Tierversuche und umgekehrt brauchen die Tierversuche wiederum die Computermodelle, die Zellkulturen. Und dieses ganze System würde so nicht mehr funktionieren." Die Forschung käme zwar "nicht heute und nicht morgen zum Stillstand, aber ein weiterer Fortschritt wäre dann nicht mehr möglich".
Wissenschaftler leben immer noch im Elfenbeinturm
Treue sieht das Hauptproblem in jahrzehntelanger mangelnder Transparenz und Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Es sei "leider der Fall, dass wir als Wissenschaftler sicherlich aus einer Tradition des Elfenbeinturms kommen. Also, traditionell der Meinung sind, wir machen unsere Forschung, im Wesentlichen nimmt die unsere gesamte Zeit in Anspruch und wir können es nicht auch noch schaffen, auch noch die Öffentlichkeit zu informieren".
Dies sei jedoch ein Ansatz, den die Wissenschaft "dringendst überwinden" müsse. "Und dass wir so wenig kommuniziert haben in der Vergangenheit, hat sich natürlich auch zum Schaden entwickelt".
Mehr zum Thema