Forschung nach untergegangenen Kulturen

Matthias Knaut und Roland Schwab werfen mit "Archäologie im 21. Jahrhundert" ein neues Licht auf diese traditionsreiche Disziplin. Denn neue Methoden mit Computertomografen, Massenspektrometern und Laboren zur DNA-Analyse haben sie verändert.
Die Archäologie ist eine Wissenschaft, die mit Hilfe eines Spatens in die Erde eindringt, um die Hinterlassenschaft alter untergegangener Kulturen zu erforschen – so hat es einst einer ihrer führenden Vertreter formuliert. Der klassische Spaten spielt noch immer eine Rolle, wird aber mittlerweile flankiert von Computertomografen, Massenspektrometern oder Laboren zur DNA-Analyse.

Matthias Knaut und Roland Schwab präsentieren im Buch "Archäologie im 21. Jahrhundert" diese traditionsreiche Disziplin in ganz neuem Licht. Lange Zeit haben die Forscher ihre Fundstücke nur beleuchtet, heute durchleuchten sie sie. Noch immer wollen Archäologen herausfinden, wie Menschen zu früheren Zeiten gelebt haben. Doch dank innovativer Methoden lassen sich heute bahnbrechende Ergebnisse erzielen, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten völlig undenkbar schienen.

In neun Kapiteln schildern verschiedene Wissenschaftler ihren Arbeitsalltag, den sie oft mit kriminalistischem Spürsinn bestreiten. So sind die gut 70 Gräber in der Lichtensteinhöhle im Harz schon lange bekannt. Doch erst dank aufwendiger DNA-Analyse wissen die Forscher jetzt, dass dort ein ganzer Familienclan bestattet wurde.

Es lassen sich verwandtschaftliche Beziehungen über drei Generationen nachweisen. Der Anteil des Elements Strontium in den Knochen eines 2300 vor Christus nahe Stonehenge bestatteten Bogenschützen belegen, dass dieser Mensch aus dem südwestdeutschen Raum stammt. Wie kam damals ein Schwabe nach England?

Früher waren Münzen oder Schwerter einfach ein Stück Metall. Heute lässt sich dank genauer chemischer Untersuchung oft sogar die Mine bestimmen, aus der das Gold oder Kupfer gewonnen wurde. Mit einem Mal zeichnen die Archäologen nach, dass schon vor vielen Jahrtausenden intensive Handelskontakte in Europa bestanden haben müssen, weil manche Metalle mehr als tausend Kilometer von der Mine entfernt verarbeitet wurden. Mit Methoden aus der Gerichtsmedizin rekonstruieren die Wissenschaftler sogar längst verweste Weichteile eines Kopfes. Ein bisher hohler Schädel bekommt so plötzlich ein Gesicht.

Der vorzüglich bebilderte Band vermittelt einem breiten Publikum, mit welchen Methoden Archäologen, Anthropologen, Museumsfachleute und Denkmalschützer heute arbeiten, um ganz neue Informationen über unsere frühen Vorfahren zu gewinnen. Die Texte, allesamt von Fachleuten verfasst, setzen an manchen Stellen durchaus etwas Vorwissen voraus.

Doch auch wer nicht alle wissenschaftlichen Begriffe kennt, wird von den packenden Geschichten rund um diese neue alte Wissenschaft fasziniert sein. Dass die Forscher hin und wieder etwas zu euphorisch von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen, mag man ihnen nachsehen. Anhand von Verletzungen der Skelette in einem Massengrab den genauen Ablauf einer tödlichen Stammesfehde vor 7000 Jahren ableiten zu wollen, ist dann doch etwas zu vermessen.

Für an Geschichte und Technik interessierte Menschen ist dieses Buch eine wahre Fundgrube, um stets neue, faszinierende und bisher ungeahnte Zusammenhänge auszugraben. Die Archäologie mag buchstäblich verstaubte Objekte und Zusammenhänge untersuchen – zugleich aber war sie nie so modern wie heute.

Rezensiert von Dirk Lorenzen

Matthias Knaut/Roland Schwab: Archäologie im 21. Jahrhundert
Innovative Methoden - bahnbrechende Ergebnisse

Theiss 2010, 94 Seiten, 24,90 Euro