Tweets für die Wissenschaft
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Twitter öffnet der Forschung sein komplettes Archiv. Damit sind neue Projekte und Fragestellungen möglich - doch die Daten haben nur beschränkte Aussagekraft.
Twitter war schon immer eines der Netzwerke, das stark von der Forschung genutzt wurde: Bisher konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über eine Programmierschnittstelle aber nur auf die Tweets der letzten sieben Tage zugreifen. Nun bietet die Plattform der Wissenschaft gratis Zugang zum kompletten Archiv, also auf alle Tweets seit Bestehen des Netzwerks im Jahr 2006.
Damit seien andere Forschungsprojekte möglich, sagt der Datenanalyst Luca Hammer: "Wenn man sich beispielsweise eine Wahl von 2012 anschauen möchte, kann man über diese Schnittstelle jetzt alle Tweets rund um diese Wahl sammeln und dann auch auswerten, um zu schauen, was ist denn damals eigentlich passiert."
Medienschaffende zahlen für den Zugang
Das Programm gibt außerdem Auskunft über Interaktionen: Die Forscher können sehen, wie häufig ein Tweet verbreitet oder geliked wurde. Daten von gesperrten Accounts können jedoch nicht eingesehen werden. Das heißt auch: Einer der wohl am meisten diskutierten Accounts der letzten Jahre, der des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, steht der Wissenschaft auf diesem Weg nicht zur Verfügung.
Komplett offen ist der Zugang ebenfalls nicht. Wer wissenschaftlich arbeitet, muss sich um einen Zugang bei Twitter bewerben, Journalistinnen und Journalisten beispielsweise müssen für den Zugang zahlen.
Viele Daten, aber von beschränkter Relevanz
Twitter ist bereits heute in der Forschung überrepräsentiert: Weil es seine Daten teilt, werden sie von der Wissenschaft auch genutzt. Dabei ist das Netzwerk nur beschränkt repräsentativ, denn gerade einmal fünf Prozent der deutschen Bevölkerung nutzen Twitter aktiv.
"Andere Plattformen, die keinen guten Datenzugang gewähren, wie zum Beispiel Facebook, Whatsapp, Instagram, Youtube, werden viel weniger beforscht, obwohl sie eigentlich eine viel größere Reichweite in der Bevölkerung haben", erklärt der Datenanalyst Hammer.
Gleichzeitig wird das Netzwerk von einer relativ großen Zahl von politischen Akteuren genutzt. So gibt es dennoch einen Einblick, wie und welche Themen in der Gesellschaft verhandelt werden.
Ein anderes Projekt des Netzwerks könnte ebenfalls von gesellschaftlicher Relevanz sein: Schon seit 2019 gibt es die Initiative Bluesky, die an einem dezentralen Social-Media-Standard arbeitet.
Eine neue Heimat für verschiedene Social-Media-Accounts
Ziel des Projekts ist es, den Nutzern zu ermöglichen, ihre Social-Media-Accounts über ein einziges Programm zu steuern und damit auch plattformübergreifend mit Freunden und Followern zu kommunizieren: "Also dass es egal ist, ob jetzt meine Bekannten und Freunde auf Twitter oder auf Instagram oder auf Mastodon unterwegs sind. Ich kann mir eine Plattform aussuchen, wo ich sage: ‚Das ist quasi meine Heimat, von der aus kann ich dann Leuten auf unterschiedlichen anderen Plattformen folgen.‘"
Ein Programm, das viele Plattformen verbindet – das widerspreche nicht unbedingt dem Geschäftsmodell von Twitter, sagt Hammer. Wenn Twitter nämlich das beste Programm dafür zur Verfügung stelle, könnte es dadurch schon gewisse Vorteile gegenüber ihrem jetzigen Modell haben, schätzt der Datenanalyst Hammer.
(nog)