Forschung zum Sprachvermögen

Warum Fledermäuse und Zebrafinken brabbeln

06:34 Minuten
Eine Gruppe Zebrafinken (Taeniopygia guttata) in einem Vogelkäfig
Eine Gruppe Zebrafinken: Die Jungvögel müssen sich an die komplexen Gesänge erst langsam herantasten. © picture alliance / blickwinkel / McPHOTO / A. Schauhube
Von Volkart Wildermuth |
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Wenn junge Fledermäuse Laute lernen, machen sie das wie brabbelnde Babys. Beim Nachwuchs von Singvögeln ist das ähnlich. Was steckt hinter diesen Parallelen zwischen Mensch und Tier? Darüber forschen auch zwei Berliner Wissenschaftlerinnen.
Immer dem Babbeln nach! Das ist die Strategie der Biologin Ahana Fernandez vom Berliner Museum für Naturkunde, wenn sie im Dschungel von Costa Rica nach der Großen Sackflügelfledermaus sucht.
"Es ist ein sehr rhythmisches Verhalten und es ist vor allen Dingen auch wirklich sehr, sehr laut", erzählt sie. "Also die Frequenzen, die im hörbaren Bereich sind, sind so laut, dass wir Tagesquartiere finden können anhand von plappernden Jungtieren, wenn wir durch den Dschungel laufen."

Liebeslieder und Territorialgesänge

Saccopteryx bilineata ist eine ausgesprochen kommunikative Fledermausart. Die Männchen umwerben die Weibchen mit Liedern und in den Baumhöhlen des Tagquartiers halten sie Rivalen mit Territorialgesängen auf Abstand – langsamer abgespielt, werden auch die Ultraschallanteile für menschliche Ohren hörbar.
Dabei werden 27 Silben kombiniert und die müssen die Jungtiere erst einmal lernen. "Wenn man das hört, dann denkt man sofort tatsächlich an Kleinkinder, die auch plappern oder babbeln", erklärt die Biologin.
Und so wie ein Baby "Dadadada" plappert, wiederholen auch die kleinen Fledermäuse immer wieder die gleichen Silben. Es gibt auch weitere Aspekte, die zeigen, das ist keine zufällige Ähnlichkeit.
Eine Gruppe Große Sackflügelfledermäuse (Saccopteryx bilineata) hängt in einem Baum.
Die Große Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) ist eine ausgesprochen kommunikative Fledermausart.© imago images / VWPics / Leonardo Mercon
"Es ist wahnsinnig faszinierend, weil wir dadurch sehen, dass wir zwei phylogenetisch unterschiedliche Arten haben", erklärt Ahana Fernandez. "Den Menschen auf der einen Seite, Fledermäuse auf der anderen Seite, die aber denselben Mechanismus benutzen, um ein großes vokales Repertoire sich anzueignen."

Ähnlichkeiten trotz evolutionärer Entfernung

Evolutionär noch weiter entfernt vom Menschen sind Singvögel. An der Freien Universität Berlin erforscht Constance Scharff Zebrafinken. Die zwitschern komplexe Gesänge. Aber die Jungvögel müssen sich da über eine Babbelphase erst langsam herantasten. "Bei Zebrafinken ist es ganz klar, dass sie auch so eine Übungsphase brauchen", sagt die Zoologin.
"Also eine Babbelphase, die auch wirklich sehr ähnlich ist wie bei Kindern, weil es erst langgestreckte Laute sind, die sehr schlecht kontrolliert werden. Also ‚aaaaaa‘ ist das beim Kind und beim Zebrafinken (ahmt Zwitschern nach). Über die ersten drei Monate wird das dann zunehmend besser."
Und zwar in ähnlichen Schritten wie bei Kindern. Die Parallelen sind aufschlussreich, vor allem, weil sich bei Vögeln und in Zukunft auch bei Fledermäusen das Silbenlernen in viel größerem Detail im Gehirn untersuchen lässt.
"Die Schaltkreise, die bei Vögeln relevant sind, sind evolutionär sehr, sehr ähnlich geblieben im Laufe der Evolution. Eine sogenannte Cortex - basal Ganglien - Thalamus Schlaufe, die existiert bei Vögeln und die existiert beim Menschen auch für viele Sachen, die gelernt werden müssen", erläutert Constance Scharff.

Gen FoxP2 mit entscheidender Funktion

Der Aufbau der entsprechenden Schaltkreise im Gehirn wird unter anderem von einem Gen namens FoxP2 beeinflusst, und zwar bei Vögeln wie bei Menschen. Ist die neuronale Schleife dann etabliert, ist sie nicht nur bei der Lautproduktion relevant, sondern etwa auch beim Laufenlernen. Da probieren Babys anfangs ja auch vieles aus, bevor sich sicher einen Fuß vor den anderen setzen können.
Diese bei allen Wirbeltieren vorhandenen neuronalen Lernmechanismen haben dann mache Arten für das Sprechen beziehungsweise Singen genutzt. Hier spielt wieder das Gen FoxP2 eine Rolle: Es organisiert die Verknüpfung der akustischen Informationen von den Ohren mit der Feinsteuerung der Muskeln im Stimmapparat. Insofern vermutet Constance Scharff ist FoxP2 auch an der Babbelphase beteiligt.
"Man hat im Gehirn eine Matrize sozusagen, die sagt: So und so soll das klingen", erklärt sie. "Das Babbeln erlaubt es, festzustellen, ob das, was man produziert hat, als Fledermaus oder als Mensch, tatsächlich auch gerade rausgekommen ist aus dem aus dem Mund oder dem Maul. Und dass man das dann anpassen kann und sagen: Nein, klang nicht so richtig wie das, was ich wollte, mach ich noch mal."
Babys, die meisten Singvögel und bestimmte Fledermausarten babbeln, bis sie die für die eigene Art relevanten Laute wirklich draufhaben. Überraschenderweise babbeln bei den Großen Sackflügelfledermäusen auch die Weibchen, obwohl die doch später gar nicht singen.
"Wir denken, dass dadurch das Weibchen, weibliche Jungtiere, wenn sie ihre Silben produzieren, auch einen Eindruck davon kriegen, wie schwierig das sein muss, diese Silben zu produzieren, wie viel Energie das kostet." So können sie später den Gesang der Männchen besser einschätzen, vermutet Ahana Fernandez

Je größer die Gruppen, umso komplexer die Rufe

An den Fledermäusen lässt sich auch die Evolution des Stimmlernens untersuchen, denn längst nicht alle Arten singen so komplexe Lieder wie die Große Sackflügelfledermaus. Zusammen mit Kolleginnen hat Ahana Fernandez die Rufe von 24 Arten analysiert und mit ihrer Sozialstruktur verglichen.
Je größer die Gruppen der Fledermausarten, desto komplexer sind ihre die Rufe und desto mehr Informationen enthalten sie über das individuelle Tier. "Daraus schließe ich, dass je komplexer eine soziale Gruppe ist, in der man lebt, desto komplexer ist auch die Kommunikation, die man benutzt, um miteinander zu interagieren. Das finde ich wahnsinnig faszinierend", sagt die Biologin.
Ähnliche Prozesse könnten auch bei der Evolution des Menschen zur Entstehung der Sprache beigetragen haben. Kein anders Tier spricht wirklich, aber die biologische Basis des Sprachvermögens hören Forscherinnen wie Constance Scharff und Ahana Fernandez auch, wenn sie Zebrafinken oder Fledermäuse belauschen.
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