Forschungsprojekt

Ein Roboter lernt Unkraut jäten

Die Fachhochschule Westküste zeigt am 17. Mai 2015 in Friedrichsgabekoog / Schleswig-Holstein das Forschungsmodell eines Unkrautjäte-Roboters.
Roboter, der Unkraut jätet: Mit einer speziellen Software soll die aus normalen Industrie-Teilen zusammensetzte Maschine in einem ersten Schritt das Kraut der Mohrrüben von anderen Pflanzen unterscheiden "lernen". © picture alliance / dpa
Von Dietrich Mohaupt |
Satelliten-Navigation auf dem Acker, Melkroboter, computergesteuerte Futteranlagen: Auch in der Landwirtschaft ist die Mechanisierung seit Jahren auf dem Vormarsch. Dem Unkraut etwa auf Gemüsefeldern sollen künftig Roboter an den Kragen gehen - wie Bonirob. Doch zuerst muss er das lernen.
Gestatten, Bonirob! – Im Prinzip ist er einfach eine Kiste, etwa 1,40 Mete breit und knapp 1,60 lang, rund einen halben Meter hoch, montiert knapp einen Meter über dem Erdboden zwischen vier massiven Stützen, die auf dicken Ballonreifen mit grobem Profil rollen.
Angetrieben wird Bonirob von kräftigen Elektromotoren. Äußerlich ein eher unscheinbares Stück Technik – interessant wird es allerdings beim Blick in die Kiste. Projektmitarbeiter Florian Knoll präsentiert ein Gewirr von Kabeln und Computerbauteilen – dazu diverse Laserscanner, Sensoren und mehrere hochauflösende Kameras.

"Das sind Multispektralkameras – das heißt die haben ein Infrarotbild und ein Colorbild, also ein ganz normales RGB-Bild. Damit können wir sämtliches Leben, das wir sehen, von totem Gewebe usw. abschotten, so dass wir wirklich nur noch ein Bild haben, wo die Pflanzen drauf sind. Also – alle Pflanzen können wir sehen, und wir können es auch unterscheiden von Stöckern oder Steinen – das ist alles kein Problem."

Menschen können das übrigens auch – und sie können sogar einzelne Pflanzen voneinander unterscheiden. Ulf Carstens vom Bioland Westhof in Dithmarschen zeigt, wie es geht. Tief nach unten gebückt steht er im Möhrenfeld, zupft und rupft einzelne Pflanzen aus.

"Ja – hier wächst ziemlich viel Ackerhellerkraut, Melde und Breitwegerich, und den müssen wir per Hand weg jäten. Hier sieht das aus, als ob das so 200 oder 250 Stunden dauern würde pro Hektar – und das ist dann schon ziemlich anstrengend."
Biobauern jäten normalerweise selbst

Pflanzengifte als schnelle und bequeme Alternative – das kommt für Biobauern einfach nicht in Frage, betont Ulfs Vater, Rainer Carstens.

"Das ist ja nun mal unsere Philosophie – wir denken einfach, dass dieses Gift nicht in unseren Boden und unsere Pflanzen hinein gehört. Denn alles, was wir auf unseren Boden bringen, das ernten wir auch wieder und das geht in unsere Nahrungskette hinein – deswegen lehnen wir es einfach ab."

Darum müssen auch auf dem Westhof in Dithmarschen jede Menge fleißige Hände das Unkraut auf den Möhrenfeldern manuell jäten – aber die sind nicht mehr so ganz einfach zu finden.

"Wir haben so ungefähr zwischen 160 und 180 Hektar Möhren – und für diese Fläche haben wir ungefähr sechs Wochen Zeit, die zu jäten. Und es wird eben immer schwieriger, Aushilfskräfte zu kriegen. Im Moment kommen hier sehr viele polnische Studenten, die für uns diese Arbeit erledigen – aber ich denke, wir werden hier um eine Technisierung überhaupt nicht herum kommen."

Und genau da kommt dann wieder Bonirob ins Spiel – der kann ja bereits prinzipiell Pflanzen von toter Materie unterscheiden. In den vergangenen Wochen und Monaten hat er fleißig weiter geübt – Ziel: das Möhrenkraut vom Unkraut unterscheiden zu lernen. Gar nicht so einfach, beteuert Florian Knoll, denn:

"Wenn man so an die Möhrenpflanze denkt – dann kennt man das aus dem Supermarkt: Das ist eine große Pflanze, die hat so krisselige Blätter – da erkennt man das sehr schön. Aber wir müssen viel früher raus – da sind das maximal zwei Blätter, und es sieht alles gleich aus. Also – jede Pflanze, die aus dem Boden kommt, ob Unkraut oder Möhrenpflanze, hat diese zwei Blätter – und ist grün!"
Der Roboter muss viel lernen

Bonirob muss also ganz konkrete Unterscheidungsmerkmale kennenlernen. Feine Farbnuancen, die Größe der Blätter oder eine bestimmte Wachstumsrichtung – das sind Parameter, mit deren Hilfe Bonirob künftig Möhren von Unkraut unterscheiden soll. Unermüdlich war der Roboter deshalb auf den Versuchsfeldern des Westhofs unterwegs.

"Dieses Jahr sind wir draußen gewesen und haben drei Terrabyte an Bilddaten aufgenommen von verschiedenen Wachstumsperioden. Das haben wir gemacht, damit wir jetzt erst einmal kucken können, wann ist für uns der beste Zeitpunkt, wo der Computer erkennen kann, was ist eine Wurzelpflanze und was ist keine Wurzelpflanze, und auch, wo können wir noch erkennen, was ist eine einzelne Pflanze. Wenn wir ganz spät rausgehen, dann haben wir eine große grüne Wüste – da sehen wir nur noch: Da sind Pflanzen, aber wir können die einzelne Pflanze nicht mehr erkennen."

Jetzt müssen die drei Terrabyte Daten noch ausgewertet werden – genug zu tun also für die alsbald wieder anstehenden langen, düsteren Herbst- und Winterabende an der Westküste Schleswig-Holsteins. Im nächsten Jahr, so die Hoffnung von Florian Knoll, sollte Bonirob dann schon wissen, was Möhre und was Unkraut ist – und dann?

"Der nächste große Schritt ist die Vernichtung – da wollen wir verschiedene Ansätze verfolgen. Ob wir einen Laser benutzen, ob wir Hitze benutzen, einen Stempel benutzen, um das Unkraut einfach zu vernichten. Das, was der Mensch macht, das rausziehen oder rauszupfen, das ist mechanisch viel zu aufwändig."
In etwa drei Jahren soll der Feldroboter einsatzbereit sein
Es wird also noch einmal viele intensive Tests für Bonirob geben – auf den Roboter werden ganz neue Herausforderungen zukommen. Dann heißt es nämlich nicht mehr: 'Wie erkenne ich das Unkraut?' sondern:

"Wie kriegen wir das Unkraut weg? Wieviel Energie müssen wir in das Unkraut reinbringen, damit es auch nicht wiederkommt und wieviel Energie haben wir zur Verfügung? Und dann haben wir ja auch noch das Leistungsprinzip: Wie lange haben wir Zeit, um uns um ein Unkraut zu kümmern beim Vorbeifahren? Das sind ja keine fünf Sekunden oder zehn Sekunden – das sind ja wenige Millisekunden oder maximal eine Sekunde – und in der Zeit müssen wir das Unkraut vernichtet haben."

In etwa drei Jahren werde der Feldroboter Bonirob einsatzbereit sein – hofft Florian Knoll. Rainer Carstens schaut und hört sich das alles interessiert an – ob die Maschine dann wirklich Menschen beim Unkraut jäten auf dem Acker vollständig ersetzen kann? "Schau'n mer mal", meint der Dithmarscher Biobauer.

"So eine Maschine ist ja auch nur ein Mensch – also wenn wir eine Genauigkeit von 95 bis 98 Prozent hinkriegen würden, dann wären wir schon höchst zufrieden. Und ich glaube – viel besser ist ein Mensch nachher auch nicht. Also – wenn Sie da hinterher laufen, finden Sie immer was, und Sie werden auch was finden, wenn Sie hinter dem Bonirob herlaufen."

Bonirob wird im Rahmen eines Forschungsprojektes der Fachhochschule Westküste in Heide in Schleswig-Holstein entwickelt. Mehr Informationen zu dem Projekt finden Sie auf der Webseite der Hochschule.