Was macht der Müll mit dem Meer?
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Im Nordpazifik befindet sich die wahrscheinlich größte Plastikmüllansammlung der Welt: das North Pacific Garbage Padge. Jetzt untersucht ein internationales Forscherteam, wie viel Müll dort herumschwimmt - und welche Folgen das für den Ozean hat.
Das Forschungsschiff "Sonne" hat Singapur erreicht. Die Reise von 19 deutschen und internationalen Forschern geht hier zu Ende. Fünf Wochen dauerte ihre Reise von Vancouver über den Nordpazifik bis nach Singapur. Sie erforschen die Auswirkungen von Plastikmüll in den Ozeanen. Diese Reise war der Anfang des Forschungsprojektes "Micro-Fate". Drei große Stahlcontainer verlassen das Schiff und mit ihnen alle Gerätschaften und die wichtigen Unterlagen, Mess-Ergebnisse und Proben.
Die Wissenschaftler stehen etwas abseits und beobachten die Arbeiten an Deck. "Man schaut schon mit einem lachenden und weinenden Auge darauf", sagt Robby Rynek. Es sei schade, dass die Zeit auf See zu Ende gehe. Doch der Leipziger freut sich auch auf zu Hause.
Viel Plastik, aber kein gigantischer Teppich
Auch Expeditionsleiterin Annika Jahnke freut sich auf Deutschland. Das Thema des Forschungsprojekts ist in der Heimat derzeit ständig in den Schlagzeilen: Plastik und die Auswirkungen auf die Umwelt. Im Nordpazifik befindet sich das so genannte North Pacific Garbage Padge, die vermutlich größte Plastikansammlung im Meer weltweit.
"Wir hatten die Möglichkeit, durch dieses Gebiet hindurchzufahren", so die Forscherin. Sie kann ein erstes Ergebnis ziehen: Die Vermutung, dass im Nordpazifik ein gigantischer Plastik-Teppich schwimmt, hat sich nicht bewahrheitet. "Es ist keine zusammenhängende Insel", so Jahnke. Dennoch sei das Meer voller Plastik, das man "im Grund genommen jede Minute irgendwo auf dem Meer sieht". Treibende Fischernetze, Bojen, Kanister, Fässer und Flaschen – der Müll hat die Ozeane längst erreicht.
Stinkendes Forschungsmaterial aus der Tiefe
Die Wissenschaftler aus Leipzig, vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde, vom Fraunhofer-Institut Dresden und von der Universität Stockholm haben jeden Tag das Meer beobachtet und Plastik eingesammelt. Das geschah auch aus den Tiefen, denn das Plastik schwimmt längst nicht immer auf der Oberfläche. Das eingesammelte Material haben die Wissenschaftler in mühevoller Kleinarbeit gereinigt. Meist schrubbten und kratzen mehrere Forscher gleichzeitig, über zwei große, schwarze Gummiwannen gebeugt. Darin Plastikmüll, wie etwa kleine Bojen der Fischernetzte oder Teile von Flaschen. "Von weitem betrachtet konnte man denken, es gebe hier Schokolade", sagt Rynek. Weil der Andrang an den Wannen groß war. Doch in Wahrheit handle es sich nur um "stinkendes, vergammelndes Plastik".
Die Wissenschaftler waren mit ganz unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten an Bord gekommen. Einige interessierten sich für den Biofilm, für die Bakterien, die sich auf dem gefundenen Plastik bereits abgelagert hatten. Andere wiederum hatten sich Teile aus Deutschland mitgebracht und wollten schauen, wie sich diese im Ozeanwasser verhalten. Wenn etwa ein Deckel ins Meer kommt, wird die Oberfläche des Materials mit organischen Substanzen des Meeres belegt, sagt Rynek. "Ich will wissen, welche Substanzen das sind und ob es einen Unterschied macht, wie alt das Plastikteil ist."
Dazu brauchten der Leipziger Forscher und seine Kollegen riesige große Metallwannen, die von Meerwasser durchflutet wurden. In die hängten die Wissenschaftler die Plastikteile, die anschließend eingefroren werden, um die organischen Substanzen zu konservieren. Die eigentliche Arbeit passiere dann in Deutschland bei der Analyse.
So viel wie möglich auf Plastik verzichten
Auch auf Stefan Lips wartet in Sachsen am Helmholtz Zentrum intensive Labor-Arbeit. Er gehört zu den Wissenschaftlern, die sich für den Biofilm auf Plastikmüll interessieren. Dazu wurden Teile die gesamte Fahrzeit der Expedition über in den Meerwasser durchfluteten Wannen gelagert. Die Forscher wollen so herausfinden, welche Algen oder Bakterien sich an dem Material halten.
Die Auswertung der vielen Proben, die auf dieser Reise gewonnen wurden, erfolgt in den nächsten Jahren in den Laboren in Leipzig, Warnemünde und Stockholm. Erst dann wird es weitere gesicherte Erkenntnisse darüber geben, wie Plastikmüll das Leben in den Ozeanen beeinflusst.
Doch schon heute hat die Reise bei Stefan Lisp Spuren hinterlassen: "Auf dem Pazifik kommt nichts so, wie man sich das gedacht hat." Man müsse lernen zu improvisieren – fernab der Zivilisation. Deren Müll ist sehr viel beständiger. Das Plastik werde über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in der Umwelt bleiben, so Projektleiterin Jahnke. Und die Menge steigt, da weiterhin Plastik produziert und verwendet wird. Mit welchen Folgen für die Meere, das lässt sich derzeit nicht genau abschätzen. Doch klar ist für Jahnke: "Wo immer es geht, sollte jeder von uns auf Plastik verzichten."