Mehr Totenbestattung als normale Waldwirtschaft
07:25 Minuten
Vor allem der Zustand der Waldböden erfüllt den Förster Markus Wunsch mit wachsender Sorge. Fichtenzapfen werden durch die Trockenheit mumifiziert und er kann nicht zur Gießkanne greifen, um gegen die Dürre zu kämpfen.
Dürre und Trockenheit machen dem Wald bundesweit zu schaffen. Deshalb machen dem Förster Markus Wunsch seine Waldgänge weniger Freude. "Dem Wald geht es tatsächlich nicht so gut", sagte der Forstexperte aus Schleiden in der Eifel im Deutschlandfunk Kultur. Es habe im vergangenen Jahr sechs Monate lang fast keinen Regen gegeben und in diesem Jahr gebe es auch nur etwa alle zwei Wochen einen Minimalregen, der gerade mal in die ersten drei Zentimeters des Oberbodens eindringe.
Mumifizierte Fichtenzapfen
Wunsch sorgt sich vor allem um den Zustand der Waldböden, die sehr geschädigt seien. Es gebe normalerweise eine natürliche Mineralisierung des Bodens, bei der alles, was herumliege über Mikroorganismen in Waldboden umgewandelt werde. "Das passiert gerade nicht", beobachtet der Förster. So werde ein Fichtenzapfen, der auf dem Waldboden liege, normalerweise in zwei Jahren nicht mehr zu sehen und gehe im Boden auf. Bei der jetzigen Trockenheit bleibe der Zapfen dagegen über Jahre völlig unverändert liegen und werde sozusagen mumifiziert.
Seine eigene Arbeit habe sich auch verändert, sagte Wunsch: "Es ist momentan mehr Totenbestattung statt normale Waldwirtschaft, naturnahe Waldwirtschaft zu betreiben." Leider sei es nicht möglich, den Wald zu gießen. Es sei schwierig, dass man diesem großen Problem eher hinterher renne als es zu gestalten. Dennoch bleibe die Försterei sein Traumjob. Jede Katastrophe biete auch Möglichkeiten für Neues.
Der Umbau der Wälder
"Der Umbau der Wälder, der in Zukunft stattfinden muss und für den wir jetzt in unserer Generation die Grundsteine legen – das ist ein furchtbar spannendes Thema und unheimlich interessant", sagte Wunsch. Zu den Kernaufgaben moderner Forstwirtschaft gehöre es jetzt zu entscheiden, welche Baumart in Zukunft auf welchem Boden mit welcher Feuchtigkeit wachsen werde. Die große Zahl der Fichten werde so nicht erhalten bleiben, sagte Wunsch.
(gem)
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Ball statt Baum – in Klagenfurt laufen die Vorbereitungen für ein besonderes Kunstprojekt, denn ab morgen ist dort ein Wald im Stadion zu besichtigen. Gepflanzt hat die 300 Bäume Beuys-Schüler Klaus Littmann, und Potsdamer Forscher wollen urbane Waldgärten etablieren. Wer überhaupt sich in Österreich, Deutschland oder Tschechien mit Wald beschäftigt, der macht sich große Sorgen, denn "Wald in Not", "erschreckende Aussichten", "die Lage ist ernst", so lauten die Schlagzeilen. Markus Wunsch ist Förster in Schleiden in der Eifel, wo man auch immer stolz gewesen ist auf die Natur, nicht zuletzt weil Natur und Tourismus durchaus einen Wirtschaftsfaktor ausmachen. Guten Morgen, Herr Wunsch!
Markus Wunsch: Schönen guten Tag!
Welty: Können Sie noch in den Wald gehen und sich freuen und erholen?
Wunsch: Na ja, bei der derzeitigen Dürre ist das ein bisschen schwierig mit dem Freuen, denn dem Wald geht es tatsächlich nicht so gut.
Welty: Auch wenn es gefühlt mehr geregnet hat als letztes Jahr?
Wunsch: Na ja, letztes Jahr haben wir von Dürre gesprochen, dieses Jahr sprechen wir zumindest mal von Trockenheit, und zwar enormer Trockenheit.
Welty: Das ist dann ein gradueller Unterschied.
Wunsch: Letztes Jahr hatten wir tatsächlich über sechs Monate fast keinen Regen, nur ganz punktuell in Deutschland, und dieses Jahr haben wir alle zwei Wochen einen Minimalregen, der gerade mal bis in die ersten drei Zentimeter Oberboden eintritt.
Fichtenzapfen bleiben liegen
Welty: Aber dass es zu trocken ist, das sieht man ja auch den Bäumen im Moment an. Ist das das einzige Problem?
Wunsch: Durch die Wärme kommt natürlich auch der Borkenkäfer hinzu. Wir haben noch ein ganz anderes Problem, das der Waldboden momentan sehr, sehr geschädigt ist, und zwar heißt das, um es zu verdeutlichen, normalerweise findet im Waldboden Mineralisierung statt, das heißt, alles, was wir im Wald an Streuauflage, sprich an Blättern und Humus, alles, was die Bäume abwerfen, liegen haben, das würde ganz normal durch das Mikroklima, durch Mikroorganismen in Waldboden umgewandelt, sprich, die Nährstoffe daraus werden dem Waldboden zur Verfügung gestellt.
Das passiert gerade nicht. Ein ganz einfaches Beispiel: Wir nehmen einen Fichtenzapfen und legen den auf einen Waldboden. Normalerweise wäre der in etwa zwei Jahren gar nicht mehr sichtbar, er wäre komplett in den Boden aufgegangen. Jetzt ist es so, dass dieser Fichtenzapfen bei einer solchen Trockenheit komplett unverändert über die nächsten Jahre einfach so liegenbleibt.
Welty: Praktisch wie eine Mumie.
Wunsch: Genau, wie mumifiziert. Genau.
Welty: Unser Waldboden ist also in Gefahr. Unsere Telefonleitung ist übrigens nicht so gut, weil Sie schon auch unterwegs sind, aber wenn wir noch mal auf die Fichte kommen, das ist ja der Brotbaum der Deutschen, das ist der Baum, mit dem das Geld verdient wird. Wird das in 20 Jahren immer noch so sein?
Wunsch: Das kann ich tatsächlich nicht sagen. Es wird so sein, dass die Fichte in vielen Bereichen immer noch existent ist und immer noch dort bleiben wird, aber es wird nicht mehr so sein, dass wir die Masse an Fichten haben, wie wir sie bis vorletztes Jahr hatten.
Welty: Durch welche Bäume müsste, könnte die Fichte denn ersetzt werden oder zumindest in Teilen ersetzt werden?
Wunsch: Genau das ist eine der Kernaufgaben, die die Forstwirtschaft jetzt zu bewältigen hat. Die Forstverwaltungen müssen flexibel, nicht mit staatlichen Programmen, sondern tatsächlich flexibel darauf reagieren, welche Baumart aus welchem Boden mit welcher Feuchtigkeit überhaupt wachsen kann. Das heißt, es gibt keine Ideallösung derzeit. Das sind punktuelle Lösungen, die regional getroffen werden müssen.
Welty: Wie hat sich Ihr Job, Ihre Arbeit verändert? Sie können ja nicht immer mit einer Gießkanne rumrennen.
Wunsch: Genau. Den Wald gießen ist nicht möglich. Ja, na klar hat mein Job sich verändert. Es ist momentan mehr Totenbestattung statt normaler Waldwirtschaft, naturnahe Waldwirtschaft zu betreiben. Man rennt einem großen Problem, das einem im Alltag jetzt über die nächsten Jahre begleiten wird, man rennt diesem Problem hinterher, statt aktiv es zu gestalten. Ganz schwierig.
Welty: Ist Förster noch Ihr Traumjob?
Wunsch: Definitiv. Definitiv, gerade hier, und das muss ich auch ganz deutlich sagen, jede Katastrophe, die wir erleben, birgt ja auch Möglichkeiten für Neues. Der Umbau der Wälder, der in Zukunft stattfinden muss und wo wir jetzt in unserer Generation die Grundsteine für legen, das ist ein fruchtbar spannendes Thema und unheimlich interessant.
Waldbesitzer stehen auch vor ideellen Problemen
Welty: Aber wie gehen diejenigen damit um, die Wald besitzen? Das ist ja nicht nur ein nettes Hobby.
Wunsch: Es gibt tatsächlich in Deutschland sehr viele große Waldbesitzer, die vom Wald leben. Das ist ein enorm großes Problem. Es gibt staatliche Förderprogramme, die solchen Leuten natürlich auch helfen, gerade Leuten, die wirklich ausschließlich vom Wald leben, aber es gibt auch unheimlich viele kleine Waldbesitzer mit Kleinststrukturen, die enorm betroffen sind, denn der Wald hat ja nicht immer nur einen finanziellen Wert, sondern auch einen imaginären Wert, für die Leute einen Wert, der teilweise über Vererbung entstanden ist.
Welty: Großes Problem ist das Schadholz oder das Käferholz. Was lässt sich damit überhaupt noch anfangen?
Wunsch: Es ist derzeit so, dass wir mit dem Holz, was anfällt, das, was jetzt im Begriff ist abzusterben und auch letztes Jahr abgestorben ist, damit werden wir die nächsten Jahre beschäftigt sein, dieses Holz aus dem Wald zu räumen. Wir verstopfen natürlich damit die Kanäle, in die das Holz reinfließt, sprich die Sägewerke. Es ist ein enorm großes Thema, zumal wir hier in Gesamtmitteleuropa betroffen sind.
Derzeit ist es so, dass der Holzpreis über die Hälfte gefallen ist, natürlich, denn nach Schadholz, damit ist nicht mehr viel machbar. Wenn das Holz länger steht, beginnen die Zersetzungsprozesse am stehenden Stamm, und dann kommen Totholzverwerter wie ein Lineatus-Borkenkäfer, der Löcher ins Holz bohrt. Damit ist das Holz für staatliche Zwecke gar nicht mehr nutzbar. Insofern wäre da nur Palettenholz und Papierholz, und selbst Papierholz ist schwierig aufgrund der beginnenden Verfärbungen am Holz.
Welty: Können wir dann wenigstens mit der guten Nachricht schließen, dass Kaminholz aller Voraussicht nach nicht knapp werden wird?
Wunsch: Die Fichte ist natürlich auch ein Holz, das gut brennt. Allerdings ist die Fichte natürlich auch nicht das Holz, das man unbedingt im Kamin haben möchte.
Welty: Warum eignet sich die Fichte nicht als Kaminholz oder weniger?
Wunsch: Die Fichte ist natürlich als Kaminholz auch brauchbar, aber es ist tatsächlich so, dass die Fichte furchtbar schnell verbrennt im Kamin. Sie brennt sehr heiß und ist dann schnell weg, und die Harzstoffe, die Inhaltsstoffe, die zwar durch die Trockenheit jetzt weniger geworden sind, aber immer noch vorhanden sind, bilden kleine Rückstände im Schornstein, die nach und nach diesen Schornstein zusetzen. Insofern haben wir eigentlich unsere Laubhölzer, die vorwiegend – wie Eiche und Buche –, die vorwiegend als Brennholz genutzt werden.
Welty: Ich sehe schon, es ist nicht so ganz einfach, dieses Gespräch mit einer positiven Botschaft zu beenden. Ich danke für die offenen Worte!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.