Plädoyer für neue Regeln bei der Eizellspende
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Viele Paare in Deutschland können sich ihren Kinderwunsch nicht erfüllen. Jetzt legt ein Gutachten nahe, die Gesetze zur Reproduktionsmedizin zu lockern. Sein Mitautor Tewes Wischmann erklärt, was zum Beispiel eine Legalisierung der Eizellspende brächte.
Stephan Karkowsky: Millionen Männer und Frauen in Deutschland bleiben auf Dauer ungewollt kinderlos, in Deutschland schätzt man fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren, und das, obwohl sie für ihren Kinderwunsch enorme Anstrengungen unternehmen. Vieles ginge leichter, wären die Gesetze weniger streng, findet die Nationale Akademie der Wissenschaft Leopoldina und schlägt vor, die Rechtslage komplett zu überdenken.
Darüber sprechen möchte ich mit einem der vier Gutachter der Leopoldina, mit dem medizinischen Psychologen Tewes Wischmann vom Universitätsklinikum in Heidelberg. Guten Morgen, Herr Wischmann!
Tewes Wischmann: Guten Morgen!
Karkowsky: Sie arbeiten persönlich viel mit kinderlosen Paaren und begleiten sie durch ihre anstrengenden Kinderwunschbehandlungen. Wie oft kommt denn da eigentlich der Wunsch nach einer Eizellenspende ins Gespräch?
Wischmann: Die Anfragen kommen jetzt immer häufiger, zumal über das Internet klar ist, dass viele Paare sich informieren können, was es für Möglichkeiten in Europa gibt. Obwohl sie wissen, dass es in Deutschland nicht legal ist, gibt es natürlich auch Paare, die sich dann bevorzugt in Spanien über die Eizellspende informieren.
Reproduktionsmedizin gibt keine Garantie auf ein Kind
Karkowsky: Und eine solche Eizellenspende im Ausland steht ja häufig am Ende der Kinderwunschbehandlung. Für die Inlandsadoption eines Babys sind die Eltern dann zu alt, also greift man nach dem allerletzten Strohhalm. Wäre es gerade in dieser Situation für kinderlose Paare nicht eine große Erleichterung, nicht ins Ausland fahren zu müssen?
Wischmann: Das ist schon eine Erleichterung, und für die Paare, wo klar ist, dass es aufgrund medizinischer Optionen nicht möglich ist, dass die mit eigenen Eizellen schwanger werden, wäre das sicherlich auch die einzige Möglichkeit, überhaupt zu einem eigenen Kind zu kommen.
Auf der anderen Seite ist diese Eizellenspende natürlich auch ein Verfahren, die die ganze Kinderwunschbehandlung, wenn man Pech hat, noch mal um zehn Jahre verlängern kann. Die Paare haben natürlich die Option, auch wenn die Frau 45 Jahre alt ist, noch mal schwanger zu werden mit Eizellspende.
Karkowsky: Und diese Verlängerung, wäre das für die betroffenen Paare schlimmer als gar keine Kinder zu kriegen?
Wischmann: Man muss ein bisschen vorsichtig sein, weil die Reproduktionsmedizin bietet ja keine Garantie auf ein Kind. Das heißt, wenn wir jetzt die Verfahren anschauen, die in Deutschland erlaubt sind, ist ungefähr nach drei Versuchen der künstlichen Befruchtung die Hälfte der Paare mit Kind und die Hälfte der Paare aber ohne Kind.
Das heißt, diesen Plan B, den Paare in der Regel entwickeln sollten und der in der psychosozialen Beratung auch immer thematisiert wird, der wird natürlich durch die Eizellspende noch mal ein bisschen nach hinten verlagert.
Eizellspende ist operativer Eingriff mit Risiken
Karkowsky: Welche Zeit halten Sie denn für angemessen bei der Kinderwunschbehandlung? Gibt es für Sie eine Grenze, nach der die Paare Schluss machen sollten von sich aus?
Wischmann: Nein, da gibt es keine Grenze, das muss das Paar individuell machen. In der Regel gibt es auch keine medizinischen Begrenzungen, weil in der Regel immer eine Restchance der Schwangerschaft bleibt. Das muss das Paar selber in der Kommunikation miteinander und mit den behandelnden Ärzten herausfinden, wo die Grenze ist. Aber ohne Grenzziehung empfehle ich den Paaren, nicht in so eine Behandlung hineinzugehen.
Karkowsky: Nun ist ja Deutschland eines der letzten Länder, die es nicht erlauben mit der Eizellenspende. Halten Sie es denn für richtig, zumindest die Eizellenspende mit der Samenzellspende gleichzusetzen und in dem Sinne zu legalisieren?
Wischmann: Da gibt es jetzt schon noch einen Unterschied, weil die Eizellspende immer mit einem operativen Eingriff verbunden ist, der natürlich auch immer Risiken hat. Das heißt, im schlimmsten Fall auch mit lebensbedrohlichen Risiken wie bei jedem operativen Eingriff. Natürlich ist die Operation für viele Kliniken eine Routinesache inzwischen, aber trotzdem gibt es diesen Unterschied zur Samenspende.
Karkowsky: Haben Sie auch Angst, dass da vielleicht ein Markt entsteht für Eizellen, der ethisch kaum noch vertretbar wäre?
Wischmann: Da muss man ein bisschen schauen. Ich denke, wenn man sich an die Regelungen der Organspende hält, die in Deutschland ja schon lange etabliert sind, wäre das ein Punkt, den man ganz gut legalisieren könnte und auch eingrenzen könnte. Aber wir wissen, dass es in Spanien natürlich auch ein Riesenmarkt ist inzwischen.
Mehr Flexibilität für adoptionswillige Paare
Karkowsky: Meinen Sie denn überhaupt, dass Paare jedes Alters Kinder haben sollten, oder gibt es da für Sie auch eine Grenze?
Wischmann: Ich denke, man kann da schon eine Grenze ziehen. Wir haben selber in einem Aufsatz geschrieben, dass wenn die Frau 50 Jahre alt ist und der Mann 60 , dass es schon überlegenswert wäre, ob sie dann noch mal Kinder in die Welt zu setzen, weil einfach klar ist, dass die Entwicklung des Kindes nicht über wahnsinnig lange Zeit begleitet werden kann. Aber ansonsten ist natürlich die reproduktive Freiheit ein sehr hohes Gut.
Karkowsky: Wenn Sie Paare begleiten durch die Kinderwunschbehandlung, die oft viele, viele Jahre dauert und viele tausende Euro kostet und es klappt nicht, dann steht ja am Ende immer noch die Frage, sollten wir nicht vielleicht doch ein Kind adoptieren?
Dann sind die Eltern oft zu alt, denn in Deutschland gilt, dass der maximale Altersunterschied zwischen dem Kind und dem ältesten Partner des Paares 40 Jahre nicht überschreiten darf. Da sind viele dann schon drüber, wenn sie aus den Behandlungen kommen. Sollte eine Anhebung der Adoptionsgrenze nicht eine Möglichkeit sein, die diskutiert werden muss von der Politik?
Wischmann: Ich würde mir wünschen, dass da mehr Flexibilität reinkommt. Natürlich denke ich, dass auch 50-jährige Eltern sehr wohl in der Lage sind, gut für ein Adoptivkind zu sorgen. Das ist jetzt auch keine festgeschriebene Grenze, das ist eine Richtlinie von den Adoptionsvermittlungsstellen, die kann man ja auch verändern.
Karkowsky: Für wie groß halten Sie den gesellschaftlichen Druck, der auf diesen kinderlosen Paaren lastet? Kann die Politik etwas tun, um den rauszunehmen?
Wischmann: Ich denke, der Druck ist jetzt nicht so sehr unbedingt, Kinder bekommen zu müssen, sondern der Druck geht eher in die Richtung, dass vielen Paaren suggeriert wird, es sei überhaupt kein Problem, mit 40 oder 50 Jahren noch Kinder zu bekommen. Das stimmt in Deutschland, nach den jetzigen geltenden und legalen Maßnahmen, natürlich nicht.
Karkowsky: Das würde auch die Legalisierung einer Eizellenspende in Deutschland nicht ändern.
Wischmann: Das würde es insofern ändern, als natürlich durch die Eizellenspende das Alter der Frau nicht mehr der limitierende Faktor ist. Insofern kann auch die 45-jährige oder 50-jährige Frau mit der Eizellspende noch Mutter werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.