Volker Derlath: "Oktoberfest 1984 - 2019"
Deutsch und Englisch, mit einem Vorwort von Christian Topp
Verlag Slanted Publishers, Karlsruhe 2021
208 Seiten, 38 Euro
"Heute gibt es eine Art von betreutem Trinken"
09:48 Minuten
Ekstase, Rausch und Bierseligkeit: "Oktoberfest 1984 - 2019" versammelt Fotos aus 35 Jahren Wiesn. Sie zeigen auch, wie sich das Feiern in dieser Zeit verändert hat: "Es gibt nicht mehr so viele Ausschweifungen", sagt der Fotograf Volker Derlath.
"Das ist eine Lebensbühne, auf der man Wesenszüge ausleben kann, die man andernorts unter den Zivilisationsteppich kehrt", sagt der Fotograf Volker Derlath über das Münchner Oktoberfest. Den Rausch, die Ekstase und eine Bierseligkeit, die immer wieder absurde Züge annimmt, fotografiert er seit 35 Jahren: immer in schwarz-weiß, in der rechten Hand die Kamera, in der linken den Maßkrug. Denn, so sagt er: "Wenn Sie als ganz Fremder da reingehen, mit einem großen Abstand, dann funktioniert das nicht."
Eine Auswahl von Derlaths Bildern ist jetzt in dem Band "Oktoberfest 1984 – 2019" erschienen. Die Fotos zeigen Feiernde in unterschiedlichen Stadien der Trunkenheit. Teilweise sind es rührende Szenen: das ältere Paar, das in seiner Bierseligkeit die frühere Verliebtheit wiederentdeckt. Oder der Betrunkene, der einen noch Betrunkeneren in einem Einkaufswagen übers Wiesngelände schiebt.
Szenen wie im Film
"Eigentlich wäre das ein Kurzfilm gewesen", erinnert sich der Fotograf. "Das waren zwei Italiener. Der eine, der weniger betrunken war, schob den anderen in einem Einkaufswagen. Er hat sich vor das Zelt an eine Bank gesetzt, hat die Bedienung herbei gewunken und zwei Maß bestellt. Dann hat er dem Schlafenden im Wagen so lange die Wange getätschelt, bis er wieder halbwegs wach war, um ihm ein Bier einzuflößen."
Manches, was früher ging, wäre heute nicht mehr möglich, "Heute hat man auf dem Oktoberfest so eine Art von betreutem Trinken", sagt Derlath bedauernd.
"Früher hat es Szenen gegeben, wo einfach jemand mal besoffen von der Bierbank gefallen ist und drei Minuten später wieder hochkam. Heute wären sofort Ordner da. Es ist deutlich reglementierter geworden. Es gibt nicht mehr so viele Ausschweifungen."
Leute fotografieren - das war früher einfacher
Schließlich hat sich auch die Haltung vieler Menschen dazu, fotografiert zu werden, verändert, beobachtet der Fotograf:
"Früher war es den meisten Leuten wurscht, was ich auch als sehr angenehm empfunden habe. Inzwischen mit der Digitalisierung und dem Internet hat sich sehr viel verändert. Ganz besonders bei jungen Leuten gibt es zwei Abteilungen. Die einen sagen: Wo kann ich das dann im Internet sehen? Und die andern: Ich will aber nicht, dass das irgendwo auf Facebook erscheint."
(uko)