Björn Kuhligk: "Schöne Orte"
Mikrotext Verlag, Berlin 2019
160 Seiten, 14,99 Euro
Der Reiz der Tristesse
08:52 Minuten
Manchmal offenbart sich Schönheit erst auf den zweiten Blick. Der Schriftsteller Björn Kuhligk zeigt in seinem Fotoband Orte in Berlin, die trist und menschenleer sind – und lenkt die Aufmerksamkeit so auf Alltägliches, das man meist übersieht.
Eine Reihe von mobilen Toilettenkabinen: weiße Dächer, rote Türen, nur eine schwarze fällt auf. Davor dunkelgraue Steinplatten mit Rissen, aus denen das Unkraut wächst, darüber graue Wolken. Oder eine Sitzbank vor einer Wand, Grau in Grau. Und wenn es mal doch Farbe gibt, dann das knallige Gelb an den Schranken eines Parkplatzes. Doch egal, welche Orte zu sehen sind, ob Raucherraum, Bowlinghalle oder Schwimmbad: Immer sind sie menschenleer.
"Schöne Orte", nennt Björn Kuhligk seine postkartengroßen Fotos, die er seinem gleichnamigen Fotoband versammelt. Das Schöne daran leuchtet nicht sofort ein. Es kann nur ironisch gemeint sein, oder?
"Einerseits hat es natürlich ein ironisches Element, denn die Orte sind auf den ersten Blick nicht schön", sagt der Fotograf. "Auf den Zweiten sind sie schön, finde ich, denn sie bilden etwas ab, was zwar im Alltag im städtischen Raum vorhanden ist, aber worauf wir eigentlich gar nicht achten. Es sind nicht beachtete Orte, die ich versuche, in den Fotos einzufangen. Das ist für mich eine Schönheit: Stehenzubleiben und den Blick auf Dinge zu lenken, die man ansonsten übersieht."
Ein Stopper im Alltag
Björn Kuhligk ist aber gar kein Profi-Fotograf, sondern hat sich bisher als Lyriker und Autor von Glossen und Reiseliteratur bemerkbar gemacht. Besonderes Aufsehen erregte er mit seinem Langgedicht "Die Sprache von Gibraltar".
Warum also ein Fotoband, und dann auch noch ausgerechnet so einer? "Ich habe bei meinen Streifzügen durch die Stadt bei alltäglichen Gängen gemerkt, dass mich diese Orte faszinieren, dass ich immer wieder stehengeblieben bin und irritiert war", sagt der Berliner. "Das war wie so ein Stopper im Alltag. Dann habe ich angefangen, diese Orte mit meinem Smartphone zu fotografieren."
Kuhligk hat seit 2013 vieles beiläufig eingefangen, manchmal auch gezielt Hinterhöfe aufgesucht. Und auch wenn er darauf achte, nicht gesehen zu werden, wurde er auch schon das ein oder andere Mal aus Hinterhöfen vertrieben.
Rahmen für eigene Fantasie
Die Bilder sind absichtlich menschenleer. Sie sollen anregen, Leerräume schaffen, sollen einen Rahmen geben, um die eigene Fantasie in Gang zu bringen, sagt Kuhligk. Betrachter sollen irritiert und angeregt werden und sich dazu ihre eigenen Gedanken machen.
Für den Künstler haben die "Schönen Orte" Tagebuchcharakter, weil sie Wege dokumentieren, die er selbst gegangen ist. Andere können darin vertraute Orte neu entdecken. "Ich denke, es ist ein Buch für Berliner, die die Stadt gut kennen und die sie aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen möchten."