Anton Corbijn, The Living and the Dead,
Ausstellung im Bucerius Kunst Forum in Hamburg
7. Juni 2018 bis 6. Januar 2019
"Mein Beruf soll etwas von einem Abenteuer haben"
Iggy Pop, Annie Lennox, Dave Gahan - der niederländische Fotograf und Regisseur Anton Corbijn hatte sie alle vor seiner Kameralinse. Den Künstlerporträts stellt er nun in seiner Ausstellung in Hamburg Aufnahmen von Friedhofsengeln gegenüber.
Anton Corbijn als Iggy Pop, als John Lennon, Bob Marley oder Janis Joplin. Kurz nach der Jahrtausendwende kehrte der Fotograf in sein niederländisches Heimatdorf, nach Strijen zurück. Er verkleidete sich, schlüpfte in die Rollen dieser Musik-Ikonen und ließ sich von seinem Assistenten ablichten. Kurz nach dem Anschlag auf das World Trade Center entstanden die Aufnahmen und die Aufregung über einen bärtigen, langhaarigen Unbekannten war groß im kleinen Ort:
"Ich konnte mich im Haus des Bürgermeisters verkleiden. Er war der einzige im Dorf, der von meinem Projekt wusste. Ich war verkleidet als Frank Zappa. Und die Bauern riefen gleich die Polizei: 'Da ist ein Kerl, der aussieht, als wäre er aus dem Mittleren Osten! In einem englischen Auto! Sehr gefährlich!' Alle waren noch ganz besessen von 9/11. Sie dachten: nach New York kommt nun bestimmt Strijen an die Reihe!"
Aufbruch aus dem provinziellen Milieu der Kindheit
Anton Corbijn erzählt diese Episode vor den Porträtfotos, die ab Donnerstag im Bucerius Kunst Forum zu sehen sind. Die Fotoserie sei für ihn auch eine Befreiung vom streng-religiös geprägten Elternhaus in der niederländischen Provinz gewesen. Seine Porträts von Berühmtheiten der Musikszene, seine Nähe zu ihnen ein Ausbruch aus diesem provinziellen Milieu seiner Kindheit. Aber die Religiosität seines Elternhauses hätte durchaus sein Arbeit bestimmt:
"Ich konnte noch nie Wegwerfbilder machen. Es gibt bei mir also einen protestantischen Arbeitsethos. Mein Arbeiten soll eine Bedeutung haben. Das ist immer noch da!"
Mit einigen Musikern verbinden ihn bis heute echte Freundschaften. Viele von ihnen sind längst gestorben. "The Living and the Dead" lautet folgerichtig der Titel der Ausstellung. In den Siebzigerjahren, erzählt Anton Corbijn, gehörte er noch nicht dazu, war als Fotograf noch nicht Teil der Musikszene. Geändert hat sich das in den 80er-Jahren. Aber richtig dazugehört habe er nie:
"Ich versuche immer noch, ein Außenseiter zu sein. Erfolgreich oder nicht. Aber das ist einfach eine interessante Position. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass die Menschen meine Bilder so betrachten wie sie vielleicht auch ihre Musik hören. Aber das Einzige, was sich für mich geändert hat, ist, dass ich mehr verdiene. Meine Arbeit hat sich für mich nicht verändert."
Er ist bei Schwarzweiß und Analog geblieben
Dass viele seiner Porträts, von Nick Cave, Henry Rollins, Annie Lennox, von Michael Stipe, Bruce Springsteen oder Dave Gahan Schwarzweißfotos sind, liege vor allem daran, dass er sich als junger, noch unbekannter Fotograf das Farbfilmmaterial und die Entwicklungskosten gar nicht habe leisten können. Später, als das Geld dafür da war, machte er einfach in Schwarzweiß und mit analogen Kameras weiter.
Digital fotografiere er nur bei Werbeaufträgen, bei denen digitales Material ausdrücklich verlangt werde. Aber auf dem kleinen Monitor auf dem Kamerarücken sofort zu sehen, was beim Druck auf den Auslöser herausgekommen ist, das brauche er nicht. Im Gegenteil:
"Mein Beruf soll schon etwas von einem Abenteuer haben. Das wird immer weniger, denn je mehr man weiß, desto weniger Abenteuer gibt es. Aber die Tatsache, dass man ein Foto macht und eine Zeitlang, solange die Bilder noch nicht entwickelt sind, nicht weiß, ob es was geworden ist, das ist eine interessante Art von Spannung, die ich vermissen würde."
Lebendig wirkende Steinengel
Zum ersten Mal stellt Anton Corbijn seine Fotos von Friedhöfen im Bucerius Kunst Forum aus. Porträts von Engeln, Nahaufnahmen von Steinmetzarbeiten, die fast lebendig wirken, die den jungen Fotografen Anfang der 80er-Jahre, auf einer Reise durch Italien begeistert haben.