"Ich will meinen Sohn als Mitglied der Menschheit zeigen"
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"Wer bist du?" – so ist eine Fotokolumne von Florian Jaenicke im "Zeit"-Magazin überschrieben. In 52 Bildern porträtiert der Fotograf seinen mehrfach behinderten Sohn Friedrich und beschreibt das Leben mit ihm, die schönen wie die schweren Momente.
Das jüngste Foto von Friedrich zeigt einen Augenblick, wo alles gut zu sein scheint.
"Fotos sind ja immer so herausgerissen aus dem Fluss der Zeit", sagt sein Vater Florian Jaenicke, der das Bild gemacht hat, "und das war einfach ein schöner Moment, wo er strahlt und lacht."
Friedrich ist 14, aber wegen schwerer Hirnschäden bei der Geburt ist er auf dem Entwicklungsstand eines Babys geblieben und rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Seine Eltern haben lange gebraucht, um einigermaßen zu akzeptieren, dass ihr Kind niemals gesund sein wird:
"So ganz findet man sich nie damit ab. Aber es gibt natürlich Phasen, wo man ein bisschen klarer und rationaler damit umgeht, und andere, wo man wieder so Rückfälle hat und das sehr bedauert."
Gegen die Klischees über behinderte Kinder
Florian Jaenicke ist professioneller Porträt- und Reportage-Fotograf und hat im Lauf der Zeit Tausende Fotos von seinem Sohn gemacht. 52 davon präsentiert er in diesem Jahr in einer Fotokolumne des "Zeit"-Magazins. Damit will Jaenicke der üblichen öffentlichen Wahrnehmung behinderter Kinder zwischen Mitleid und "trotzdem süß" etwas entgegensetzen:
"Die Persönlichkeit der Kinder an sich, was sie ja auch sind wie alle anderen auch, verschwindet oftmals hinter dieser klischeehaften fotografischen Darstellung. Und das wollte ich eben anders machen. Ich wollte meinen Sohn als das zeigen, was er als allererstes ist, nämlich ein Mitglied der Menschheit."
Friedrich kann nicht mitteilen, ob er damit einverstanden ist, in einer Zeitschrift abgebildet zu werden. Trotzdem hält sein Vater die Veröffentlichung der Fotos für gerechtfertigt und sieht sich darin durch Leserbriefe bestätigt:
"In einem wird beschrieben, dass die Leser so berührt werden von ihm, dass das vielleicht Rechtfertigung genug ist. Dass er sozusagen von viel mehr Menschen wahrgenommen wird und in deren Herzen aufgenommen wird. Und dass das vielleicht diese Unverschämtheit, ihn nicht zu fragen, überstimmt."
In der Öffentlichkeit sichtbar sein
Florian Jaenicke findet es schlimm, dass Menschen mit schwersten Behinderungen oft in den Öffentlichkeit nicht sichtbar sind. Seine Frau und er gehen mit Friedrich ganz selbstverständlich in ein Restaurant oder an den Badesee.
"Wir hoffen, dass auch andere Eltern ermutigt werden, das ebenso zu tun. Und ihre Kinder auch zu zeigen, so dass Berührungsängste abgebaut werden können."
(pag)