Der beobachtete Beobachter
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Mit seiner Kamera und ungeschöntem Blick dokumentierte Harald Hauswald den Alltag in der DDR. Das brachte die Stasi auf den Plan. Nach der Wende war er Mitbegründer der Agentur der Fotografen "Ostkreuz" und wurde durch seine zahlreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen berühmt.
Die meisten seiner Fotos macht der Fotograf Harald Hauswald in Schwarz-Weiß: "Ich finde schwarz-weiß grafisch viel interessanter, weil es viel konzentrierter ist. Farbe lenkt zu sehr ab, bei Schwarz-Weiß kann der Betrachter das Bild zu Ende fantasieren."
Diese Schwarz-Weiß-Aufnahmen macht er seit vielen Jahren mit einer schweren Profikamera: "Mit der kann man noch Nägel in die Wand kloppen."
Sie zeigen viele Straßenszenen, uninszeniert und unbeschönigt. "Was ich fotografiert hab, war für mich Alltag. Dass bestimmte Sachen falsch gesehen werden könnten, hab ich geahnt, nicht bewusst gesucht."
Die ungeschönte DDR
Mit der Darstellung der DDR-Realität ohne rosa Brille war die damalige Staatsführung nicht sehr zufrieden. Hauswald geriet ins Visier der Staatssicherheit:
"Es gab mal so eine Beschattung, das waren zehn Tage, da sind die mir mit bis zu zehn Leuten am Tag hinterhergerannt", sagt er. Seine Stasi-Akte scheint schier endlos. Komplett durchgelesen hat er sie nicht, viel zu lang und durcheinander: "Ich hab sie überflogen. Das ist so ein Chaos gewesen! Man denkt, dass die sehr ordentlich waren – Pustekuchen!"
Auch wenn die Stasi ihm das Leben jahrelang schwer machte, dem alleinerziehenden Vater sogar ein halbes Jahr lang das Kind wegnahm, wurde er doch nie verhaftet. Ein Haftbefehl sei "aus politischen Gründen nicht ratsam", hieß es in der Akte.
Das lag daran, dass Hauswald auch über die Veröffentlichung seiner Bilder in Westmedien wie dem "Stern" eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte.
Die Agentur Ostkreuz
Nach der Wende gründete Hauswald zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen die Agentur "Ostkreuz", eine freie, von Fotografen geführte Agentur.
"Wir haben keinen Geschäftsführer, der nur an Money denkt, sondern wir bestimmen das alles selber. Es gibt eine Grundhaltung der Agentur, das ist, um es mit einem Wort zu sagen, Humanismus".
Dass Hauswald Menschenliebe und Humor wichtig sind, wie er bekräftigt, kann man in seinen Bildern gut erkennen. Bekannt sind vielleicht die drei gedrängt sitzenden U-Bahn-Fahrgäste oder die durch strömenden Regen rennenden Kundgebungsteilnehmer.
Der fotografierende Telegrammbote
Bevor er offiziell Fotograf wurde, arbeitete Hauswald in Ost-Berlin als Telegrammbote. So hatte er einen Job, bei dem er nebenbei fotografieren konnte, galt nicht als "asozial" und hatte vor allem keine Kündigungsfrist, sodass er eine eventuell freiwerdende Fotografenstelle sofort annehmen konnte.
Den Wunsch, Fotograf zu werden, hatte er schon als Jugendlicher. Vertraut war er damit auch, da bereits sein Vater diesen Beruf ausübte. Nur als Kind hatte Hauswald noch andere Pläne: Als die DDR-Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera" in seine Grundschule kam und fragte, was die Kinder denn mal werden wollten, sagte Hauswald: "Ich möchte Matrose werden, da wird man groß, kräftig und sieht was von der Welt."
Von der Welt hat Hauswald dann ziemlich viel durch die Kamera gesehen, auch wenn es meist eher die nahe gelegene Welt war. Bis Anfang der 90er-Jahre hat er fast 250.000 Fotos gemacht, wurde kürzlich festgestellt. "Ich hab das nie archiviert, wegen der Staatssicherheit", erklärt er.
Inzwischen finanziert die Stiftung Opferarbeit die Aufarbeitung seines Werkes. In der Galerie C/O Berlin ist bis 23. Januar 2021 eine Retrospektive des Fotografen zu sehen.
(mah)