Blick auf die Vergessenen in Mosambik
Nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg erlebt Mosambik zwar einen Aufschwung, profitieren kann die arme Bevölkerung davon aber nicht. Der Fotograf Mauro Pinto richtet seinen Fokus auf die Menschen am Rand der Gesellschaft.
Mauro Pinto sitzt in einem Park-Bistro, im Schatten prächtiger Bäume. Der Fotograf liebt diese grüne Oase mitten in seiner Heimatstadt Maputo.
"Jede Stadt braucht Gärten, in denen sich die Menschen erholen können. Wo es keine Grünflächen mehr gibt, gibt es auch kein Leben. Doch hier in Maputo müssen immer mehr Parks dem Bau-Boom weichen. Das ist nicht mehr die Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Maputo war wunderschön – in seiner Architektur und seiner Lebensart. Es gab viele Bäume, viel Platz zum Spielen, der soziale Zusammenhalt war groß. Das geht nun alles verloren und Maputo wird nicht mehr sein, als eine Stadt aus Beton."
Der 41-Jährige legt einen Geldschein unter die Kaffeetasse und macht sich auf den Weg in sein Atelier. Quer durch den Park, raus auf eine der großzügig angelegten Prachtstraßen Maputos und rein ins alltägliche Verkehrschaos. Nur der Straßenname Avenida Mao Tse Tung erinnert an die kurze sozialistische Ära Mosambiks. Heute regiert hier der Turbokapitalismus, kritisiert der Fotograf. Für Kulturangebote fehle angeblich das Geld.
Ökonomischer Wandel in Maputo unübersehbar
"In der Geschichte Mosambiks spielen Kunst und Fotografie eine große Rolle, vor allem für die Befreiungsbewegung FRELIMO. Unser erster Präsident Samora Machel war ein großer Künstler und ein großartiger Politiker. Damals konnten viele Mosambikaner nicht lesen. Die Kunst und die Fotografie waren ein Weg, das Volk zu erreichen. Als Regierungspartei hat die FRELIMO all das inzwischen vergessen. Kulturförderung und unabhängige Räume für Künstler sind rar. Deshalb haben der Bildhauer Gonçalo Mabunda und ich unser Atelier für die Öffentlichkeit geöffnet. Wir bieten einen Ort, um über die Kunst und unsere Gesellschaft nachzudenken."
Der rasante ökonomische Wandel ist in der Hauptstadt Maputo unübersehbar. Die Infrastruktur platzt angesichts des Rohstoffbooms aus allen Nähten. Im Zick-Zack-Kurs weicht Mauro Pinto Baugerüsten, Kränen und Staubwolken aus. Alte Villen aus der portugiesischen Kolonialzeit müssen schicken Appartement- und Büroblocks weichen, so wie auch viele Arbeiterviertel am Stadtrand. Mieten in der Innenstadt können sich die meisten Bürger längst nicht mehr leisten.
"Die Veränderungen in Maputo finden auf eine vollkommen unstrukturierte Weise statt. Und das in einer alten, heruntergekommenenStadt mit großen Problemen, zum Beispiel bei der Abwasser- oder Energieversorgung. Bei vielen Bauprojekten ist Korruption im Spiel. Regierungsmitglieder verdienen kräftig mit. Zugunsten ausländischer Investoren vertreiben sie einfache Mosambikaner von ihrem Land und aus ihren Wohnungen. Die Leute, die jetzt an der Macht sind und die uns einmal in die Unabhängigkeit geführt haben, zerstören unser Land heute."
Spiel mit Licht und Schatten
"A Luta Continua" – der Kampf geht weiter – lautet ein Schriftzug auf einer Mauer. Ein Schlachtruf der Unabhängigkeitsbewegung. Daneben der rote Stern der Sozialisten und im Vordergrund eine lächelnde Prostituierte. Es sind Fotografien wie diese, mit denen Mauro Pinto die Situation in seiner Heimat beschreibt. Er spielt mit Licht und Schatten, mit den krassen Kontrasten der mosambikanischen Gegenwart. Er richtet seinen Fokus auf die Vergessenen, die am Rand der Gesellschaft stehen, auf die Überlebenskünstler.
"In meiner Arbeit interpretiere und hinterfrage ich die Art von Entwicklung, die unser Land gerade durchläuft. Die Frage ist, wohin sie führen wird. Denn ich würde das nicht Entwicklung nennen. Man muss nicht nur in Neubauten investieren, sondern auch in die Menschen, in Krankenhäuser, in Bildung. Wenn uns das nicht gelingt, dann werden wir in nicht allzu ferner Zukunft noch mehr unter den Konsequenzen zu leiden haben."
Ein Schottsammler zieht seinen schweren Holzkarren an dem Fotografen vorbei über den frischen Asphalt, neue Geländewagen fahren hupend an ihm vorbei. Mauro Pinto greift nach seiner Kamera. Er sieht sich als Chronist und als Mahner, in der Tradition mosambikanischer Fotografen der Unabhängigkeit. Der Kampf, so erklärt er zum Abschied, sei noch nicht zu Ende.