Fotograf und Abenteurer York Hovest

„Ich will Aufmerksamkeit für unsere Ozeane schaffen“

33:10 Minuten
York Hovest sitzt mit kompletter Tauchausrüstung in einem Schlauboot auf dem offenen Meehr, bereit neues Bildbandmaterial zu sammeln.
Der Fotograf York Hovest will mit seinem Bildband mehr Interesse für den Schutz der Meere wecken. © Alejandra Potter Gimeno
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In seinem Bildband "Helden der Meere" begleitet York Hovest Wissenschaftler und Umweltaktivisten, die für den Schutz der Weltmeere kämpfen – so wie der Fotograf selber: Anfang 2020 setzte er sich in ein Ruderboot und überquerte den Atlantik.
Bei der Suche nach den Protagonisten für den neuen Fotoband ließ sich York Hovest viel Zeit. Anderthalb Jahre lang recherchierte er zu Meeresprojekten aus aller Welt:
"Ich habe mir ganz genau Gedanken gemacht: Wer könnte ein Held sein? Was ist es, das er tut oder bewirkt, was den Ozeanen positiv zugute kommt? Und dann habe ich eine Vielzahl von Menschen und Organisationen unterschiedlicher Herkunft gefunden – sie alle machen sehr heldenhafte Arbeit!"

Mit der Zahnbürste von Koralle zu Koralle

Einen seiner "Helden" fand der Fotograf York Hovest in einer thailändischen Bucht. Der Anstieg der Erderwärmung führt dazu, dass im gesamten Äquatorialbereich Korallenbänke absterben – so auch in der "Maya Bay", vielen bekannt als "The Beach" aus dem gleichnamigen Film mit Leonardo DiCaprio. In der "Maya Bay" leitet Andrew Hewett eine Korallen-Aufzuchtstation, über den Hovest sagt:
"Man muss ihn sich vorstellen wie einen Gärtner der Meere, der kleine Setzlinge dieser Korallen neu ansetzt – auf künstlichen Riffen. Da kann er sie reinigen und pflegen. Denn die kleinen Korallen-Polypen wachsen leider nur sehr langsam und brauchen intensive Pflege, weil die Erwärmung der Meere das Algenwachstum begünstigt. Und genau das ist seine Arbeit: Er reinigt die Korallen quasi mit der Zahnbürste, so dass sie Luft und Sonne bekommen. Und das Leben kommt zurück!"

Pioniere für unseren Planeten

Hovest würdigt in seinem Band "Helden der Meere" sehr unterschiedliche Projekte: den Kampf der Meeresschutz-Organisation "Sea Shepherd" gegen illegale Fischerei, die Arbeit von Meeresbiologinnen an der Küste von Sansibar, das Engagement eines Unterwasserfilmers vor den Azoren.
In grandiosen Aufnahmen dokumentiert er die Schönheit der Ozeane – und ihre Gefährdung. Seine Fotos zeigen Fischschwärme in blauer Tiefe, lichtdurchflutete Unterwassertäler, Haie, Wale, Delphine und leuchtende Quallen – aber auch vermüllte Traumstrände und Schildkröten in Geisternetzen. Auf einem Foto steckt ein Thunfisch mit dem Kopf in den Maschen eines riesigen Netzes.
Dazu der Fotograf: "Das ist ein sehr markantes, deutliches Bild aus der Region Westafrika. Es zeigt, wie wir mit dem industriellen Fischfang umgehen – ein mahnendes Bild für alle, die sich keine Vorstellung davon machen, wieviel Wildfang wir dem Ozean tagtäglich entnehmen, um unseren Hunger zu stillen. Ein einziges Fischereischiff kann mit seinem Netz pro Tag 200.000 Tonnen Thunfisch fangen. Und da ist jede Menge Beifang mit drin."

Der Sound des Todes

Das Geräusch der Fische, die in ein solches Netz geraten, hat er einmal bei Aufnahmen unter Wasser gehört – und vergisst es nicht mehr.
"Es ist das Geräusch des Todes. Die Tiere zappeln um ihr Leben – da sind mehrere Millionen Fische in einem Netz. Sie werden zusammengepfercht und zusammengedrückt bis sie quasi zu Tode zermatschen. Und das Geräusch ihrer Flossen, die sie aneinander schaben und sich gegenseitig damit treffen und verletzten, ist ein sehr verstörendes Unterwassergeräusch – wie das Dauerfeuer einer Rassel."

Begegnung mit dem Dalai Lama

Nach seinen Bildbänden "Hundert Tage Tibet" und "Hundert Tage Amazonien" hat Hovest mit "Helden der Meere" ein drittes Buch mit ideologischer Botschaft vorgelegt. Wieder widmet er sein fotografisches Talent dem Umweltschutz – das war nicht immer so.
Viele Jahre lang war die Modewelt sein beruflicher Mittelpunkt: erst als Model, dann als erfolgreicher Modefotograf. Bis ein Auftrag sein Leben veränderte: 2011 begleitete er das spirituelle Oberhaupt des tibetischen Volkes, den Dalai Lama, als Fotograf während eines Deutschlandbesuchs. Seitdem hat er sich von der Modefotografie abgewandt und seiner Arbeit einen neuen Sinn gegeben: "Ich musste 30 Jahre warten und erst einen weisen Mann treffen, damit ich mache, was ich wirklich will."

Weltweites Netzwerk für Meeresaktivisten

In Ergänzung zu seinem Bildband plante Hovest eine spektakuläre Aktion: eine Atlantiküberquerung im Ruderboot, zusammen mit zwei Freunden.
50 Tage brauchten die drei für eine Strecke von Gran Canaria bis nach Barbados. "Das hat ein bisschen gedauert, bis wir den richtigen Rhythmus raus hatten. Aber am Ende sind wir immer im drei-Stunden-Takt gerudert, und zwar 24-Stunden durch."
Drei Mann in einem winzigen Boot, 24 Stunden am Tag, für fast zwei Monate, da hatte "jeder seine Höhen und Tiefen", erzählt York Hovest. Die psychische Belastung war das eine, dann kam noch die Physische hinzu:
"Das ist natürlich extrem anstrengend, wenn man sich vorstellt, wie die Hände und vor allen Dingen das Gesäß darunter leiden, dass man permanent in Bewegung ist mit salzigem Wasser und auf diesem kleinen Ruderboot. Das war mit das Anstrengendste überhaupt."
Aktuell arbeitet der Fotograf und Meeresaktivist an seiner sozialen Datenbank "Heroes of the sea". Das müsse man sich vorstellen wie "Google und Wikipedia für die Ozeane, in denen die User dann später alle Projekte weltweit, die sich zum Schutze der Meere verpflichtet haben, einsehen können."
(tif/ful)
(Wdhlg. vom 10.09.2019)
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