Fotograf Wolfgang Tillmans zu Corona-Maßnahmen

"Masken zu tragen, ist keine Glaubensfrage"

09:02 Minuten
Der Fotograf Wolfgang Tillmans
Seine Erfahrung aus Taiwan sei, dass das Einhalten simpler Regeln im Kampf gegen Corona wirkungsvoll ist, sagt Wolfgang Tillmans. © dpa / picture alliance / Swen Pförtner
Wolfgang Tillmans im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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Auch nach Wochen der Pandemie erlebt Deutschland immer noch Grundsatzdiskussionen um Abstandsregeln und das Tragen von Masken. In Taiwan hinterfrage niemand diese Regeln, weiß der Fotograf Wolfgang Tillmans - das Leben dort laufe fast normal weiter.
Dass sich viele Kulturschaffende über den erneuten Lockdown aufregen und eine bessere Differenzierung fordern, könne er verstehen, sagt der Fotograf Wolfgang Tillmans. Auch er habe vor dem erneuten Lockdown viele Ausstellungen besucht, in denen allerdings immer sehr wenige andere Besucher zugegen gewesen seien. "Das hätte sicherlich keine Hotspots gegeben, wenn man die weiter offengelassen hätte."

Einfache Regeln sind erfolgreich

Es gehe aber aktuell um eine "andere Ansage", denn jetzt sei das Ziel alle sozialen Aktivitäten herunterzufahren. "Und da versucht man wahrscheinlich irgendwie eine Einheitlichkeit hinzukriegen, die hantierbar ist."
Während der Hochzeit der Pandemie in China habe er in Taiwan gelebt, sagt Wolfgang Tillmans. Dort habe er gesehen, dass sich alle an die Regeln im Umgang mit Corona gehalten hätten und dann das Leben praktisch normal weitergelaufen sei.

Maske tragen als Glaubensfrage

Hier erlebe er allerdings an vielen Arbeitsorten in den letzten Monaten eine weiterhin starke Resistenz, Masken zu tragen und Abstand zu halten. "Es wird irgendwie als Glaubensfrage, als Annahme, als Meinung behandelt. Und in Asien und Gesellschaften, wo der Umgang mit Corona funktioniert, hinterfragt keiner diese zwei Regeln."
Wenn alle sich daran hielten, lasse sich die Pandemie auch in Schach halten. "Aber, wenn die Leute das immer als verhandelbar ansehen und immer nur eine Frage der persönlichen Meinung, dann gibt es kein einheitliches Bild." Und dann entstünden überall auch Infektionsmöglichkeiten. "Also das ist schon erstaunlich, dass die europäische und die nordamerikanische Gesellschaft, da so eine Glaubensfrage aus so einer eigentlich ganz einfachen Präventionsfrage macht."

Kopfschütteln über Deutschland

Auch japanische Bekannte seien verwundert über die Debatten in Deutschland. "Und wir fahren unsere Ökonomie und die der ganzen Welt gegen die Wand, weil man diesen simplen, einfachen Regeln nicht folgt und alle so tun, als wäre das so eine Wahl."

Produktiv im Corona Jahr

Schon vor der ersten Coronawelle habe er die Arbeit "Beleuchter in the Sky" begonnen. Dabei gehe es um Aussichten aus seinem Atelier – ein Projekt, dass er in Los Angeles und Taiwan gestartet habe:
"Ein Blick aus einem genauen Winkel, rechtwinklig aus dem Fenster heraus. Die sich verändernden Lichtverhältnisse auf der Stadtoberfläche zu beobachten und dabei das Ganze - als wäre das ein Set - von einem Beleuchter im Himmel beleuchtet wird."
In einem Altbau mit Parkettboden hängen Fotos von Wolfgang Tillmans in der Galerie Bucholz in Berlin
Installationsansicht mit Fotos von Wolfgang Tillmans in der Galerie Buchholz in Berlin© Courtesy of Galerie Buchholz / Jens Ziehe
Dass er dieses Projekt bis heute in Berlin durchziehen kann, lasse sich natürlich nicht von der Corona Situation trennen. Seit Schulzeiten habe er es nicht mehr erlebt, lange an einem Ort zu sein und damit eine besondere Kontinuität zu erleben.

Freude am Sehen

"Diese genaue Beobachtung der Natur, die hat mir dieses Jahr sehr viel Freude gemacht. Jahreszeiten, Wechsel, Tageszeitenwechsel, alles genau zu beobachten. Ich bin immer vorsichtig, Corona zu loben, weil das ist eine tragische Geschichte. Aber ein Nebeneffekt war da für mich dieses Erleben von Jahreszeit und Zeiten."
Bei seinen Arbeiten gehe es für ihn immer wieder um die Freude am Sehen, sagt Tillmans: "Um gleichzeitig dabei auch immer sehen, was entgeht mir, was könnte ich anders sehen?"
(mle)
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