Fotografie

Ästhetik der Krisenjahre

Die Reihe "Rote Serie, 1969-1975" des ukrainischen Fotografen Boris Mikhailov ist im Rahmen der Ausstellung "Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979" im Museum Ludwig in Köln zu sehen. Foto vom 26.06.2014
Die Reihe "Rote Serie, 1969-1975" des Fotografen Boris Mikhailov ist in der Ausstellung "Unbeugsam und ungebändigt" zu sehen. © picture-alliance / dpa / Henning Kaiser
Joachim Brohm im Gespräch mit Timo Grampes |
Das Kölner Museum Ludwig zeigt in einer Ausstellung die dokumentarische Fotografie um 1979. Ob die Ästhetik dieser sogenannten Krisenjahre in der heutigen Zeit eine Entsprechung hat, erläutert der Kunstprofessor Joachim Brohm.
1979 passierte einiges: Pink Floyd brachten "The Wall" heraus, Mutter Theresa bekam den Friedensnobelpreis. Und: der Fototheoretiker Roland Barthes erkannte ein "Erwachen der unbeugsamen Realität" als prägende künstlerische Haltung vor allem in der Fotografie.
Denn 1979 war auch der Beginn der so genannten Krisenjahre, deren Auswirkungen die weltweiten ökonomischen und politischen Verhältnisse bis heute prägen. So schreibt das Kölner Museum Ludwig in der Ankündigung seiner Ausstellung "Unbeugsam und ungebändigt - Dokumentarische Fotografie um 1979".
Die dokumentarische Grundhaltung des Fotografen habe sich bis heute erhalten, sagte Brohm im Gespräch mit der Kultursendung "Kompressor". Und zwar trotz des digitalen Zeitalters, in der die Rolle der Fotografie in der Gesellschaft eine ganz andere geworden sei: "Es gibt im Moment so viele kleine Publikationen, so viel Selbstverlage, so viele junge Menschen auch, die fotografieren und die sich als Autoren verstehen. Ich finde, dass diese Arbeiten sich doch sehr stark mit ihrer sozialen Umgebung und auch einer unmittelbaren Anschauung auseinandersetzen."
Die Fotografie habe in jenen 70er-Jahren begonnen, sich mit den Alltäglichkeiten des Lebens zu beschäftigen und sie neu zu betrachten, so Brohm: Das heißt, man suchte sozusagen das Bekannte im Unbekannten oder das Unbekannte im Bekannten." Das sei eine regelrechte Bewegung gewesen, zu der er auch gehört habe.
Der Fotograf sei damals zum Autor geworden, meinte Brohm: "Das ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit: 'Er wurde zum Künstler.' Da gab es noch Differenzierungen in der Haltung. Aber es war auf jeden Fall die direkte Auseinandersetzung mit der Realität, auf eine ungeschönte Weise." Der Autorenfotograf sei im Grunde genommen sein eigener Auftraggeber gewesen und habe gleichzeitig auch die Arbeit gemacht.
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