Bernard Larsson
„Getrieben von Angst und Neugier“: Bernard Larsson in Paris, 1961. © Bernard Larsson
Fotografie als Mittel der Aufklärung
35:28 Minuten
Benno Ohnesorg, tot auf dem Westberliner Asphalt – es ist Bernard Larssons wohl berühmtestes Bild. Der Fotograf lebte in den 60er-Jahren auf beiden Seiten der geteilten Stadt und hielt in zahlreichen Fotoserien zwei auseinander driftende Welten fest.
Eigentlich hatte er eine Stelle als Modefotograf bei der „Vogue“ in Paris. Doch als 1961 die Mauer gebaut wurde, kündigte er und ging, „getrieben von Angst und Neugier“, nach Berlin. Da war er 22 Jahre alt.
Bernard Larsson wollte den Alltag der Menschen erkunden, in Ost und West. Als Kind einer Deutschen und eines Schweden besaß er zwei Pässe, so fiel es ihm leicht, sich als Schwede in Ostberlin und als Deutscher in Westberlin zu bewegen.
Auf beiden Seiten Propaganda
In der Ostberliner Krausnickstraße mietet er sich ein Zimmer, in Westberlin eine Wohnung, er lebte buchstäblich in beiden Systemen. Die Eindrücke dieses ständigen Perspektivwechsels, zwischen Sozialismus und Kapitalismus, hielt er mit seiner Kamera fest.
„Ostberlin war aus der Zeit gefallen“, erzählt Larsson: „Autos aus den 30er- und 40er-Jahren, alte Möbel, alte Kleidung. Die Uniformen der Soldaten erinnerten mich an die Nazi-Zeit. In Westberlin war viel Licht, viel Reklame, wie ein Potemkinsches Dorf, ein Schaufenster eben. Und auf beiden Seiten Propaganda.“
Bis zum Ende der 60er-Jahre dokumentiert Larsson in zahlreichen Fotoserien die Umbrüche der geteilten Stadt. „Ich empfand das Ganze als wahnsinnig chaotisch, was dann sozusagen aufgeräumt wurde durch einen weißen Strich, quer durch Berlin, verstärkt durch die Mauer. So, hatte ich den Eindruck, wurde dem Chaos ein brutales Ende gesetzt.“
„Ich wollte schlicht Welt erfahren“
Im Mittelpunkt seiner Fotografien stehen Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen: ein altes Paar zwischen Trümmerhaufen, Jugendliche, die vor der zerbombten Freitreppe der Alten Nationalgalerie posieren, spielende Kinder, Volkspolizisten. Auf westlicher Seite entstanden vor allem Porträts, von Peter Weiss, Günther Grass, Uwe Johnson oder Fritz Lang.
Bernard Larsson, 1939 in Hamburg geboren, verbrachte seine Jugend überwiegend in Schweden. Zur Fotografie hatte er schon immer eine ausgeprägte Neigung. Sie war für ihn „ein aufklärerisches Mittel“, mit dem er „etwas bewegen wollte“.
Mit seiner Kamera im Gepäck fuhr er als 14-Jähriger nach Lappland. Sein Hauptmotiv waren hier die Samen, ein indigenes Volk im Norden Skandinaviens. Mit 16 trampte Larsson durch Europa.
1960 führte ihn eine Urlaubsreise nach Spanien, mitten in die Franco-Diktatur, acht Jahre später nach Prag, unmittelbar nach der Niederschlagung des Prager Frühlings. Dass er auf diesen Reisen Weltgeschichte erlebte, sei ihm damals gar nicht bewusst gewesen, sagt Larsson: „Ich wollte schlicht Welt erfahren.“
Das Bild vom toten Benno Ohnesorg
Für den „Stern“ sollte der Fotograf im Berlin der 60er-Jahre eigentlich andere Bilder machen, aber es zog ihn zu den Studentenprotesten. Täglich fuhr er zur Freien Universität Berlin: „Es war für mich so beeindruckend, nach einer Zeit der Duckmäuserei in Deutschland und der Anpassung, dass sich Studenten der Autorität so widersetzten.“
Am 2. Juni 1967 gelang ihm ein Bild, das heute als ikonisch gilt. Larsson hielt den Moment fest, als sich eine junge Frau über Benno Ohnesorg beugt. „Erschossen werden, weil man seine Meinung äußert, das war der Gipfel der Repression“, sagt der Fotograf. Unerträglich sei das für ihn gewesen.
Es war sein letztes Foto von den Studentenprotesten.
(kuc)