Fotografie

Gesichter des Krieges

Eine Porträtserie der Fotografen Lucian Read und Martin Roemers betrachtet eine Besucherin der Ausstellung "World Press Photo des Jahres 2006" in Magdeburg.
Eine Porträtserie der Fotografen Lucian Read und Martin Roemers betrachtet eine Besucherin der Ausstellung "World Press Photo des Jahres 2006" in Magdeburg. © dpa / picture alliance / Jens Wolf
Von Paul Stänner |
Im Bild des erblindeten Kriegsopfers hat der niederländische Fotograf Martin Roemers die Spuren des Zweiten Weltkriegs sichtbar gemacht. In Berlin sind nun 40 Porträts zu sehen, die deutlich machen, was ein Krieg anrichtet.
Wir stehen in einem schwarzen Raum. Schwarze, rechteckige Stelen sind in exakter Ordnung gleichsam zum Appell angetreten. In Kopfhöhe sind die Porträts alter Menschen angebracht. Man sucht die Augen. Doch stattdessen sehen wir nur verkrumpelte Narben, von Haut überzogene, leere Augenhöhlen oder geschlossene Augen wie bei einem Toten.
"Vielleicht hat es in meiner Kindheit angefangen. Mein Großvater war während der deutschen Besatzung der Niederlande im Widerstand und das hat mich damals schon interessiert."
Martin Roemers, nicht sehr groß, hager mit einem fast spitzen Gesicht, ist Fotograf in Delft. Über den Krieg hat er mehrere Projekte abgeschlossen, in denen er Kriegsteilnehmer oder vom Krieg heimgesuchte Landschaften ins Bild gesetzt hat. Als letzte Stufe in dieser Serie von Fotografien entstand "Die Augen des Krieges", mit den Bildern der Opfer fotografiert hat.
"Sie wollen ihre Geschichte erzählen. Diese Geschichte ist in weiten Teilen nicht bekannt. Und es ist eines der schlimmsten Dinge, die einem passieren kann: Du warst jung, du warst zur falschen Zeit am falschen Ort, dann explodiert etwas und du bist blind für den Rest deines Lebens."
Roemers hat in mehreren europäischen Ländern Opfer des Zweiten Weltkriegs aufgesucht. Roemers erzählt, dass er den Personen, die er fotografiert hat, vorsichtige Regieanweisungen gegeben hat.
"Ich habe ihnen gesagt, dass dies eine Nahaufnahme wird und dass man alles sieht, jedes Haar, jede Narbe, alle Details wird man sehen, weil man das braucht, um zu zeigen, was ein Gefecht anrichtet, und das muss man sichtbar machen. Das ist ein sehr hartes, direktes Foto."
Genaue, schonungslose Bilder
Neben den Bildern: kurze, fast lakonische Texte - das erzählerische Äquivalent zu den hyperrealistischen Fotos-, die die Lebensgeschichte der Blinden erzählen. Für Sehbehinderte gibt ein taktiles Leitsystem; Bildbeschreibungen und biografische Informationen werden an den Audiostationen vorgetragen.
"Ich habe jedem, den ich fotografiert habe, zwei Fragen gestellt: Unter welchen Umstände sind Sie erblindet? Was war geschehen? Und die andere Frage ist: Wie sind Sie mit der Behinderung umgegangen in ihrem Leben? Und man braucht dieses Geschichte, um die Menschen zu verstehen."
Diese fast forensisch genauen, schonungslosen Bilder vermitteln nicht nur Grauen, sondern auch Schönheit, sonst wären sie nicht zu ertragen. Man kann sich schwer erklären, wie Grauen und Schönheit zusammen kommen können, aber es funktioniert. Roemers Konzept geht auf:
"Ich mache ein sehr hartes und konfrontatives Porträt, und ja, es geht um Würde, wenn man ihnen in die Augen schaut, - wenn sie noch welche haben - oder sie haben künstliche Augen, wenn man in ihre Gesichter schaut, dann sieht man, dass sie viel durchgemacht haben, man sieht den Krieg in ihren Gesichtern. So ein Gesicht ist wie eine Landschaft."
Weitere Informationen: Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin läuft bis zum 4. Januar 2015. Der Bildband mit den Aufnahmen und den biografischen Texten sowie einem Vorwort des niederländischen Schriftstellers Cees Nooteboom ist im Verlag Hatje Cantz erschienen.