Ein Tierfotograf reist gemeinsam mit seinem Guide durch den Krüger Nationalpark in Südafrika. Der Mann mit der Kamera ist stolz auf sein gutes Auge, stolz darauf, wilde Tiere in freier Natur präzise orten zu können. Plötzlich stoppt der Guide den Wagen, macht den Motor aus und fragt: "Sehen Sie es?" Was verrät er nicht. Eine Spinne? Eine Echse? Einen Vogel? Diese kleine Geschichte erzählt Art Wolfe im Vorwort seines in jahrelanger, mühsamer Tierfotografenarbeit entstandenen Bildbandes "Meisterhaft getarnt". Im Buch präsentiert er die Aufnahme, die sich aus der Begegnung ergab: eine Doppelseite hohes gelbes Gras, Baumstämme, Astgewirr. Wo bitte soll hier ein Tier sein?

So funktionieren die meisten Bilder in diesem Buch. Art Wolfe legt es darauf an, die Tarnung der Tiere fühlbar in seine Kunst zu übertragen: Neben dem ästhetischen Genuss - und der kommt bei den in allen Farben schillernden, großformatigen Naturfotografien nicht zu kurz - ist oft ein Ratespiel eingebaut. Die gelblich-weißen und von grünen Adern durchzogenen Lilienblüten - sitzt da wer? Der schwarzblaue See, auf dem rote Ahornblätter treiben - blickt jemand aus dem Untergrund empor?

Am Ende jedes Kapitels, die sich nach den großen Tierfamilien aufteilen, erläutern kurze Begleittexte neben Miniaturen der Bilder, wie die Schmuckkrabbe ihren Panzer maskiert und der Seeregenpfeifer optisch zum Stein unter Steinen wird. Spätestens hier erkennt man auch den jungen Leoparden: Ins gelbe Gras geduckt, nimmt er den Betrachter scharf ins Visier.

Ganz anders, wenn es sich auch in einem angrenzenden Themengebiet bewegt, geht das Buch "Genial geschützt" vor, herausgegeben von Ruthild Kropp. Die ausführlichen Texte unterschiedlicher Autorinnen und Autoren widmen sich der Vielfalt an "Verpackungen", mit denen die Natur ihre Lebewesen umgibt: Felle und Federn, Schuppen und Schalen, Häute und Panzer, Knospen und Membranen.

Der Band löst sich von jeder gewohnten Einteilung der Biologie und zoomt spannende Querschnittthemen heraus, wie die Kapitelüberschriften widerspiegeln: "Hart im Nehmen" sind die kaum aufzuknackenden Pollen, aber auch die Panzer der Schildkröten. "Geniale Formen" zeigen sich in den Köchern der Köcherfliegenlarven wie auch im Vogelei, dem "durchdachtesten Kinderzimmer der Welt". Ein Ei muss durchlässig sein, damit das Küken atmen kann, und gut verschlossen, damit es nicht austrocknet. Es muss stabil genug sein, um den wärmenden Körper von Mutter oder Vater zu tragen, und zerbrechlich genug, um dem Küken nachzugeben, wenn es sich eines Tages ins Freie pickt.

Natürlich ist auch "Genial geschützt" reichlich mit Fotografien und Informationsgrafiken ausgestattet und besticht durch sein angenehm klares und großzügiges Layout. Am Ende - was für eine schöne Idee! - entfernt sich das Buch von allen Details und eröffnet in wunderschönen blauen Bildern einen Blick auf die ganz große Verpackung des Lebens - den schützenden Mantel der Erdatmosphäre.